Читать книгу Sektion 3|Hanseapolis - Präludium - Miriam Pharo - Страница 8
Lento
ОглавлениеDer Schattenriss mit der langnasigen Pestmaske, der über die nebelverhangene Brücke ging, hatte schwere Schuld auf sich geladen. Die Feuchtigkeit kroch unter sein Hemd und er zog den Umhang fester um sich. Ihn fröstelte. Bis vor einer Stunde war Aldo Farouche nur ein gewöhnlicher Dieb gewesen. Jetzt war er auch ein Mörder. Ich muss schleunigst von hier verschwinden, hämmerte es in seinem Kopf. Trauer überkam den zierlichen Mann. Er hatte den Hehler in der Calle Scaleta nicht umbringen wollen. Die Situation war eskaliert. Der VIP-Zugangscode zum Dogenpalast hätte ihm ein Vermögen einbringen müssen, doch Pantalone hatte ihn übers Ohr hauen wollen. Es war zu einem Handgemenge gekommen, in dessen Verlauf der Spitzbärtige mit schwarzer Maske und rotem Wams zu einem schussbereiten Laser gegriffen hatte. Klarer Fall von Stilbruch. Aldo hatte sich lediglich zur Wehr gesetzt, als er den Schädel des anderen mit einem silbernen Kerzenständer zertrümmert hatte. Er mochte feingliedrig sein, doch er war flink wie ein Wiesel; vermutlich wog er auch kaum mehr.
Von der nahen Kirche schlug es gerade zwei Uhr morgens, als fröhliches Stimmengewirr durch den grauen Dunst an sein Ohr drang. Touristen. Das flackernde Licht der Straßenlaternen wies ihm den Weg zu der sich nähernden Gruppe. Die drei Männer und zwei Frauen lachten und unterhielten sich lautstark. Vermutlich waren sie angetrunken. Unter den schwarzen Umhängen blitzten Satin und Spitze auf, die weißen Halskrausen und federgeschmückten Dreispitze durchstachen den Nebelschleier. Beim Vorbeigehen stoben sie auseinander und Aldo nickte höflich. Einer der Männer trug ein buntes Flickenkostüm und eine plattnasige schwarze Beulenmaske: Arlecchino, dessen Augenschlitze plötzlich Feuer spien, als eine der Frauen mit übermütig leuchtenden Wangen Aldos Arm an ihre nackte Brust drückte. Die Botschaft war klar. Nicht heute Abend, süße Columbina, dachte der frischgebackene Mörder und drängte sich rasch vorbei. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein eifersüchtiger Harlekin, der auf Krawall aus war. Masken waren unberechenbar. Sie brachen Tabus, entfesselten Dämonen und machten unvorsichtig, was Aldos Arbeit häufig enorm erleichterte. So auch diesmal. Als die fünf Menschen schnatternd hinter ihm im Dunst verschwanden, waren sie um eine Perlenbrosche und einen Virtuellen Kommunikator ärmer.
Der Polymer-Himmel über der Piazza San Marco war aschgrau, die Temperatur lag bei konstanten 9,2 °C, die Luftfeuchtigkeit betrug fast hundert Prozent. Wie jeden Tag seit fast zwanzig Jahren. Die Menge, die unablässig auf den Platz strömte, setzte einen grellen Kontrapunkt aus grotesken Masken, pompösen Gewändern und lauten Gesten. Auf überdachten Holzbühnen führten Gaukler Kunststücke vor und von irgendwoher wehte barocke Musik herüber. Der Lärm war ohrenbetäubend, die Stimmung beschwingt, denn es war Karnevalswoche: zum 1.022. Mal seit Eröffnung der Kuppelstadt im Jahr 2047.
Zur Rettung der maroden Altstadt von Venedig hatte die Europäische Föderation zu jener Zeit entschieden, den sechs Quadratkilometer großen Bereich zwischen der Piazzale Tronchetto im Nordosten und der Isola di Sant’Elena im Südosten zu privatisieren. Für eine astronomische Summe erwarb der internationale Medienkonzern Glob4Kic! die Stadt samt ihren Bewohnern. Die heruntergekommenen Häuser und Paläste wurden aufwändig restauriert, die Fassaden mit einem selbstreinigenden Anstrich versehen, die versandeten Kanäle mit dunkelgrünem Hydropurit gefüllt, einer gallertartigen Masse, deren Dichte einen ähnlichen Auftrieb aufwies wie Wasser, aber um ein Vielfaches günstiger war. Als krönender Abschluss wurde die aufgefrischte Pracht von einer Domkuppel aus dunklem Polymer überzogen – inklusive eines gigantischen Firmenlogos.
Info Break
Die Alteingesessenen sind inzwischen ausgestorben oder haben beachtliche Abfindungen erhalten, damit sie CupolaV verlassen. Ihre Rollen werden durch externes Personal besetzt. Wer die Physiognomie eines Handwerkers hat, beziehungsweise der Vorstellung eines solchen entspricht, und ein Mindestmaß an Geschicklichkeit beweist, wird mit der alten Kunst vertraut gemacht. So wächst in der Kuppel seit Jahren eine neue Zunft von Maskenmachern, Tischlern, Gondelbauern und Schneidern heran. Wer gut mit Zahlen umgehen kann und ein Gespür fürs Geschäft hat, erlernt den Beruf des Kaufmanns und darf einen Laden betreiben. Auch die weiblichen und männlichen Konkubinen sind handverlesen. Nur die Crème de la Crème aus den staatlichen Vermittlungsbehörden findet ihren Weg in die entsprechenden Etablissements.
Quelle: Yahoogle Investigation Network YIN
In Venezia a Cupola, kurz CupolaV – ausgesprochen wurde es „Cupola 5“ –, war alles real. Keine holografischen Abbilder, sondern echte Menschen, echte Häuser, echte Empfindungen. Der Carnevale di Venezia war eine ganzjährige Attraktion für die gut Betuchten in der Europäischen Föderation; das Ambiente sollte so wirklichkeitsgetreu wie möglich sein. Lediglich bei Körpergerüchen war Schluss mit der Authentizität, deshalb waren alle Kostüme und Accessoires mit duftneutralisierenden Nano-Partikeln ausstaffiert.
Ganz gleich, was in der Kuppel passierte: Gute Laune war Programm. So auch am 2. September 2066, als echte Polizisten nur wenige Meter von der Piazza entfernt eine Leiche aus dem Hydropurit fischten. Die Menschentraube, die zusammengedrängt am Ufer stand, hielt die Bergung für ein prickelndes Intermezzo. Wer hätte es ihr verdenken können? Die Inszenierung der Leiche war bühnenreif: Gefangen im Kanal trieb der leblose Körper mit dem Gesicht nach oben, die Arme seitlich ausgestreckt. Die schwarze Maske mit dem spitzen Bart sah aus, als wäre sie in einen Topf Sauerkirschkonfitüre gefallen, und wenn man dem Geraune einiger Zaungäste hinterher Glauben schenken mochte, hatten die Augenlider des Toten noch gezuckt, als dieser im stummen Vorwurf zum Firmenlogo von Glob4Kic! hinaufgestarrt hatte.
Von einem oberen Fenster des Dogenpalastes aus beobachtete die Kuratorin der Kuppelstadt den traditionellen Volo dell’angelo, bei dem eine weiß gekleidete junge Frau an einem altmodischen Drahtseil über den Platz schwebte. Die Menge jubelte. Nella Sciutto schnaubte. Der grausige Fund unweit der Piazza San Marco hatte sich bereits wie ein Lauffeuer verbreitet. Diebstahl und Trickbetrügereien waren in CupolaV an der Tagesordnung und solange sie nicht überhand nahmen, wurden sie weitgehend toleriert, passten sie doch zum ruchlosen Image der Stadt. Bei Mord verstanden Sciuttos Arbeitgeber allerdings keinen Spaß und so war die Kuratorin für diesen Nachmittag in die Zentrale von Glob4Kic! beordert worden. Eine solche Sauerei auf der Zielgeraden hat mir gerade noch gefehlt, dachte die schwergewichtige Frau missmutig. Die Kuratoren wechselten alle zehn Jahre. Nur noch neun Monate, dann wäre Sciuttos Dienstzeit abgelaufen. Die Stelle als Kurator war sehr begehrt, denn sie wurde außerordentlich gut vergütet. Doch nach dem 600. Volo und unzähligen Konfettiwolken wurde es selbst dem größten Fan zuviel der Narretei. Inzwischen konnte Sciutto es kaum abwarten, ihren Platz zu räumen.
Obwohl sie ihrem Arbeitgeber „draußen“ Rede und Antwort stehen musste, war sie froh, für kurze Zeit der grauen Kuppel zu entfliehen. Inzwischen hasste sie den bunt lärmenden Miniaturkosmos mit seiner feuchten Kälte und sehnte sich schmerzhaft nach Helligkeit und Wärme. Daran änderten auch die täglichen Expositionen im Sonnentank nichts.
Als sie Minuten später etwas unbeholfen in die rotgold verzierte Staatsgondel stieg, schwankte der Kahn bedrohlich unter ihrem Gewicht und sie stieß einen leisen Schrei aus. Geflissentlich ignorierte sie den abfälligen Blick des Gondoliere. Während sich die Barkasse in Bewegung setzte, hielt die Kuratorin sich krampfhaft am Rand fest und versuchte den Gedanken an die eisige Kälte zu verdrängen, die ihre Beine hochkroch. Ihr Weg führte über den Canale Grande, vorbei an schmucken Häusern mit wehenden Fahnen und bunt verzierten Fassaden. Kleine, kurze Wellen kräuselten das dunkelgrüne Hydropurit, auf beiden Seiten des Kanals schaukelten die Boote in ihrem Kielwasser. Eine maskenlose Frau schlug die Fensterläden ihres Hauses auf und beugte sich interessiert nach vorne, um die Matrone im prachtvollen Gefährt besser sehen zu können, die zum Schutz gegen die Kälte ihren Thermokragen hochgeklappt hatte.
Trotz seiner Hundertfünfzig-Kilo-Fracht lenkte der Gondoliere die Barkasse mit sicherer Hand; die Sensortechnik im Rumpf balancierte das zusätzliche Gewicht problemlos aus. Fast lautlos glitt das elegante Gefährt unter einer der zahlreichen Brücken hindurch, dann bog es rechts in einen schmalen Einbahnkanal ein, um nach wenigen Metern nach links zwischen zwei Häusern einzuschwenken. Sciutto würdigte die gotischen Fassaden und weiß verzierten Arkaden, die gemächlich an ihr vorüberzogen, mit keinem Blick. Nur einmal erregte eine Bewegung ihre Aufmerksamkeit. In einer Seitengasse erhaschte sie einen kurzen Blick auf zwei vollständig bekleidete Menschen, die offenbar kopulierten. Angewidert schaute sie weg. In den ersten Jahren war sie unersättlich gewesen; heute allerdings war sie dieser Art von Aktivität überdrüssig.
Als am Ende des Kanals die Porta del Roma auftauchte, ein imposantes Tor mit schlanken, spitz zulaufenden Türmchen und einem reich geschmückten Dreiecksgiebel, atmete sie erleichtert auf. Ungeduldig packte sie ihre Sachen zusammen, während die Barkasse geschmeidig am Steg anlegte. Der Gondoliere sprang ans Ufer, um die ausfahrbare Metallplanke, die diskret im Anleger installiert war, zu aktivieren, dann beugte er sich galant hinüber, um Sciutto beim Aussteigen zu helfen. Ohne ein Wort des Dankes kam die Kuratorin der Aufforderung nach, um gleich darauf ihre Schritte zu einer geheimen Pforte zu lenken, die in einem der beiden Zwillingstürme eingelassen war. Per Netzhaut-Scan setzte sie den Öffnungsmechanismus in Gang und wartete, bis ein mannshohes Relief, das den Sündenfall darstellte, seitlich wegglitt und den Ausgang freigab. Die vulgäre Geste des Gondoliere in ihrem Rücken bemerkte sie nicht.
Nella Sciutto passierte die Pforte nach Terra Venezia und prallte gegen eine Hitzemauer. Kurz schwankte sie, dann schloss sie für einen Moment die Augen und genoss ihren Übertritt in eine andere Welt. Eine Welt aus lichtdurchflutetem Glas und molliger Stille, in der eine leere Expressbahn wartete – wie eine Schlange beim Sonnenbad, die jeden Moment aus ihrem Tagtraum gerissen werden würde. Gemächlich schritt die Kuratorin über den weiß gekachelten Boden, um in die Bahn zu steigen und auf einem der samtbezogenen Sitze Platz zu nehmen. Die Thermojacke legte sie neben sich, bevor sie erwartungsvoll nach draußen schaute. Die Salzschicht der ausgedörrten Adria loderte weiß bis zum Horizont, lediglich der tiefblaue Himmel bereitete ihr ein jähes Ende. Vier einzelne Pyramiden durchschnitten die bikolore Aussicht: die Città 3 im Vordergrund sowie ihre drei schemenhaften Schwestern in der Ferne.
Info Break
Die vier Cittàs bilden das kulturelle und öffentliche Zentrum von Terra Venezia. Jede von ihnen beherbergt rund zwei Millionen Menschen, unzählige Shoppingmalls, Wohn- und Bürokomplexe, Freizeitparks, Universitäten, Stadien und ein Palazzo Municipale, eine lokale Verwaltungsbehörde. Die Pyramiden sind durch Röhren aus Polymer, die bekanntermaßen als Tubes bezeichnet werden, sowie durch Air-Shuttles miteinander verbunden.
Quelle: Yahoogle Investigation Network YIN
Mit einem leisen Zischen setzte sich die unbemannte Expressbahn in Bewegung und Sciutto seufzte. Da die Tube nur wenige Meter über dem sandigen Boden verlief, gab sich die Frau der Illusion hin, über dem Wüstenmeer zu schweben. Je näher die Bahn der Millionencity kam, desto mehr füllte sie sich und bald war auch der letzte Stehplatz besetzt. Während sich die Menschen gegenseitig auf die Füße traten, blieb Sciuttos Privatabteil am Ende des Zuges leer. Eine dunkelrote Wall-Flax, eine harte bewegliche Luftkissenwand, sorgte dafür, dass die Kuratorin, vor den missbilligenden Blicken der anderen Passagiere geschützt, die Fahrt weiterhin unbeschwert genießen konnte.
Währenddessen nahm die Città 3 immer gewaltigere Ausmaße an. Die rotgoldene, schuppige Fassade wirkte seltsam unbeständig. Gewissermaßen war sie das auch, denn die horizontalen und vertikalen Außen-Expresslifte befanden sich in ständiger Bewegung. Das Sonnenlicht, das sich in der vergoldeten Stahl- und Glaskonstruktion der Pyramide brach, traf unvermittelt Sciuttos Pupillen. Sie hatte noch nicht einmal Luft geholt, um ihren Unmut lautstark kund zu tun, als sich die Thermotrop-Haube der Tube ein Stück weit verdunkelte. Wie bei einem Fisch, den man ins Wasser zurückgeworfen hatte, klappte ihr Mund wieder zu. Ihr Doppelkinn zitterte, während sich die Falten auf ihrer Stirn synchron glätteten.
Nur eine halbe Stunde später zerfurchte sich ihre Stirn abermals. „Das ist nicht Ihr Ernst?“ Widerwillig löste sie ihren Blick von dem grandiosen Panorama, das sich unter ihr ausbreitete, und drehte sich zu dem Mann um, der hinter ihr stand. Sie befand sich im 99. Level der Pyramide und hatte die Ansicht der sandigen Leere draußen gierig in sich aufgesogen.
„Leider ja. Der mutmaßliche Mörder ist uns entwischt. Soweit wir wissen, ist er in Hanseapolis untergetaucht.“ Der Sicherheitsberater von Glob4Kic! schaute sie unverwandt an. Er war schlank, gutaussehend und mit hohen Wangenknochen ausgestattet. Lässig lehnte er in der Mitte des kahlen Konferenzraums an einem einzeln stehenden Board aus Bronze, das eine stilisierte Löwentatze darstellte. Der Löwe war Venedigs Wappentier und CupolaV das größte Prestigeprojekt des Glob4Kic!-Konzerns. Die Firmenzentrale strotzte daher vor Löwensymbolik.
„Wer war das Opfer?“
„Ein Hehler namens Gino Petri, der die Maske des Pantalone trug.“
„Pantalone, der Kaufmann? Was für eine Ironie“, erwiderte Sciutto. Sie warf einen letzten Blick nach draußen, dann ging sie zu der stilisierten Löwentatze hinüber, um sich ebenfalls dort anzulehnen. Zum Glück hatte der Sicherheitsberater nicht auf einem der schmalen, s-förmigen Löwenschwänze Platz genommen, die überall im Raum verstreut standen. „Was, glauben Sie, ist passiert?“, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf.
„Keine Ahnung. Hauptsache, wir haben den Mörder identifiziert.“
„Wie heißt er?“
„Sein Name ist Aldo Farouche“, lautete die sehr bestimmte Antwort.
Nella Sciutto schaute ihr Gegenüber irritiert an. „Sie scheinen sich da sehr sicher zu sein.“
„Wir haben den Beweis auf NanoCam.“ Der Sicherheitsberater besaß nicht einmal den Anstand, verlegen auszusehen.
„Wie meinen Sie das?“, entrüstete sich Sciutto. „Ich dachte, Audio- und Videoaufzeichnungen sind in CupolaV verboten.“
„Für wie naiv halten Sie uns, Signora? Natürlich ist die gesamte Kuppel verwanzt. Alles andere wäre ein unkalkulierbares Risiko.“
„Wieso weiß ich nichts davon?“ Das Doppelkinn zitterte empört.
„Je weniger davon wissen, desto besser.“
„Ich bin doch nicht irgendwer, sondern die Kuratorin dieser Stadt.“
Der Sicherheitsberater schaute sie mit hochgezogener Augenbraue an. „Sie wollen doch nicht schon wieder damit anfangen, Signora Sciutto? Sie wussten von Anfang an, dass sich Ihre Befugnisse lediglich auf repräsentative Aufgaben beschränken.“
„Wenn das so ist, frage ich mich, was ich hier soll!“
„Sie vergreifen sich im Ton, Signora.“
Sciutto schluckte die bissige Antwort, die ihr auf der Zunge lag, widerwillig herunter – noch neun Monate – und kam zum ursprünglichen Thema zurück.
„Warum konnte dieser Farouche nicht gleich nach der Tat verhaftet werden?“
„Irgendwie ist es ihm gelungen, unser Überwachungssystem zu überlisten.“
„Ach wirklich?“
Jetzt war es der Sicherheitsberater, der ihr die Antwort schuldig blieb.
„Woher wissen Sie dann, dass er nach Hanseapolis geflohen ist?“, setzte Sciutto nach.
„Die DNA-Erkennung am Airport.“
„Ich verstehe.“ Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. „Wenn Sie ganz lieb bitten, borgen die Ihnen vielleicht ihr Hightech-Überwachungssystem.“
„Sehr witzig.“
„Warum haben Sie mich wirklich hierher beordert?“ Nella Sciutto blickte ihr Gegenüber scharf an. Sie war vielleicht etwas behäbig, aber nicht dumm.
„Ein Cousin zweiten Grades von Ihnen lebt in Hanseapolis.“
„Fox Sternheim?“
„Genau der. Soweit wir wissen, ist er Leiter der Sektion 3. Mit seiner Hilfe könnten wir Aldo Farouche dingfest machen und hier vor Gericht stellen. Wir müssen ein Exempel statuieren und der Öffentlichkeit beweisen, dass wir in solchen Fällen hart durchgreifen. Morde sind nicht gut fürs Geschäft.“
Sciutto stöhnte innerlich auf. Fox Sternheim. Mit ihm hatte sie schon seit Jahren keinen Kontakt mehr. Abgesehen davon konnte sie diesen geschniegelten Perfektionisten nicht ausstehen. Der läuft immer rum, als hätte er einen Stock im Hintern, dachte sie finster.
„Sehen Sie zu, dass Sternheim mitspielt, und wir sorgen dafür, dass Sie schon in den nächsten Wochen als Kuratorin abgelöst werden. Ihr Gehalt bekommen Sie selbstverständlich bis zum Ende der vertraglich festgesetzten Frist.“ Eine lange Pause entstand. „Wie klingt das für Sie?“ Die Siegesgewissheit ließ das Lächeln des Sicherheitsberaters noch weißer erscheinen.
Wie Musik in meinen Ohren, jubelte Nella Sciutto im Stillen und aktivierte ihren Neurokommunikator. Der Stockträger schuldete ihr noch einen Gefallen.