Читать книгу Hindurch ins Licht - Mirijam Schaeidt - Страница 8
ОглавлениеLeben – ein Tanz? Nein, ist Leben nicht eher ein Marathon, ein Rennen um den ersten Platz? Ein Kampf ums Überleben? Andersherum: ein ständiges Sich-Ducken, damit man nicht allzu viele Wunden abbekommt? Oder aber ein kurzes Genießen in vollen Zügen, bis Krankheit und Tod uns einholen? Ist Leben ein nie zu stillender Durst? Eine Enttäuschung ohne Ende, weil es seine Versprechen nie einhält? Ein endloses Hintergangenwerden, bis wir nichts mehr haben, was hintergangen werden könnte, weil wir nichts mehr sind?
Oder doch – ein Tanz? Warum eigentlich nicht? Tänze sind auch nicht immer leicht. Zumindest die Materie, die einen guten Teil von uns ausmacht und ohne die wir nicht leben könnten, tanzt uns ständig etwas vor, von den Elementarteilchen in den Atomen bis zu den Sternen und Galaxien. Woher hat sie nur den Schwung?
Mit Fragen beginnt dieses Buch. Fragen zum Frag-würdigsten, was es gibt: dem Leben selbst. Aus Fragen entstanden die folgenden Gedichte. Aber nicht nur aus Fragen, sondern ebenso aus der Meditation von überlieferten Antworten und eigenen Erfahrungen. Die Antworten stammen ebenfalls von Fragern und Fragerinnen. Hier ist es vor allem Benedikt von Nursia, der große Frager und Hörer, geprägt von vielen anderen, die wie er fragten und hörten. Er hat seine Antworten nicht in klugen Abhandlungen überliefert, sondern in einer kleinen schlichten Regel für Menschen, die in einer monastischen Gemeinschaft leben wollen.
Aber sind es wirklich Antworten? Er verweist auf die eine Antwort: auf Jesus Christus, auf die Führung des Evangeliums. Er scheint nicht im Geringsten daran zu zweifeln, dass uns diese Führung zur Antwort, zur Erfüllung bringt. Und er lädt ein zu hören. Alle Weisungen in den einzelnen Kapiteln seiner Regel dienen nur diesem »Hören«, dieser Offenheit für Gottes Geist, für das Wort der Liebe, das Gott uns zuwendet und in Jesus Christus Fleisch wird. Das Hören soll so gut wie möglich gelingen können, bei Schwachen und Starken, Intellektuellen und Schlichten, Praktikern und Philosophen. So beginnt also Benedikts Regel: »Höre!«5 Was daraus wird, überlässt er dem Heiligen Geist und der Bereitschaft der Adressaten seiner Regel, dabei zu sein und mitzumachen.
Wer fragt, will eine Antwort. Wer fragt, spitzt die Ohren, um die Antwort zu hören. Wer fragt, lernt hören. Und wer hört, steht bereits in Beziehung zu dem, der spricht. Er muss sich einstellen auf die Person, die spricht, genauso wie die Tänzerin auf ihren Partner und umgekehrt. Für Benedikt ist es klar, wer der Partner ist, der uns die Hand reicht: der einladende Gott, der die Welt erschaffen hat, dem jeder Mensch am Herzen liegt und nach dem der Mensch sich zutiefst sehnt, ob er es weiß oder nicht.