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Ein alter Wunsch...

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Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem einzigen Schritt. Lao-tse (4. Jahrhundert v.Chr.)

Zu Beginn des Jahres ´96 beschäftigte mich zunehmend eine Frage: Wie und wo und in welcher Form feierst du deinen fünfzigsten Geburtstag? Es hatte sich nämlich unterdessen hier zu Lande der Brauch eingeschliffen, dass man die runden Jubiläen etwas größer, etwas würdiger und etwas aufwändiger beging. An sich hielt ich wenig von diesem Zahlenhokuspokus, wollte mich aber dennoch meinen gesellschaftlichen Pflichten nicht entziehen. Nicht zuletzt auch wegen der erfreulichen Begleiterscheinung, dass man auf diese Weise großfamiliär wieder einmal irgendwo zusammenkam.

Meine Bemühungen in diese Richtung wollten jedoch, anders als noch bei vorangegangen Feierlichkeiten, nicht recht vom Fleck kommen. Es war unter den zahlreichen potentiellen Gästen kaum Einigkeit zu erzielen: Jeder fand irgendwie, irgendwo einen Grund, sich ratgebend einzumischen oder kritisierend Vorbehalte ins Feld zu führen. Diesem passte jenes, einem anderen etwas anderes nicht – mal war´s der Ort, der nicht zusagte, dann der Zeitpunkt oder gleich das gesamte Vorhaben. Ich war genervt und nahe dran, das Ganze abzublasen ...

Just in dieser Spanne geriet ein vertrautes Familienmitglied, aus früheren Tagen wieder in mein Blickfeld, H.G., ein Neffe meines Vaters. H. lebte in Berlin, war verheiratet, hatte vier halbwüchsige Kinder, war seines Zeichens Bauingenieur und für einen großen Baukonzern weltweit tätig. Bis Ende der Achtziger Jahre stand ich im regen Kontakt mit ihm, schon wegen zahlreicher, großen und kleinen Bauprojekte im Umland von Köln. Später schlief die Verbindung, wohl auch wegen unterschiedlicher Interessen, schleichend ein. Seine Familie und er waren mir, das muss ich bedauerlicherweise so sagen, ziemlich aus dem Sinn, aus der unmittelbaren Wahrnehmung geraten.

Wie gesagt, um die Jahreswende 1995/96 schob sich H. erneut in mein Blickfeld. Um genau zu sein, es war sein mehrseitiger Brief, der die Verbindung neuerlich knüpfte. Es erstaunte mich nicht wenig, von ihm überhaupt Post zu bekommen, ungleich mehr verblüffte mich aber der Umstand, von wo das Lebenszeichen abgeschickt worden war – Mc Lean/ Virginia, Vereinigte Staaten stand da zu lesen.

Potztausend! - das haute um: H. war samt Familie für mehrere Jahre beruflich in die USA umgesiedelt und hatte uns kein Sterbenswörtchen davon gesagt. Klammheimlich hatte er sich davongemacht und meldete sich nun von jenseits des großen Teichs.

Ich nahm den Faden gern auf, antwortete ihm ausführlich schriftlich, normalisierte und aktualisierte so unsere Beziehung wieder. Gelegentlich eines Heimatbesuchs tauchte er bei uns auf, wir gingen gemeinsam Essen und verlebten einen gemütlichen Abend. Auf die Weise erfuhr er neben anderem auch vom Verdruss rund um mein güldenes Wiegenfest.

„Mach kurzen Prozess ... feier deinen Geburtstag bei uns“, sagte er so prompt und leicht dahin, als sei es das Selbstverständlichste von der Welt.

„Du meinst in den USA ...?“, fragte ich ungläubig.

„Ja, klar ... Ich lade euch ein ... Was soll´s? ... Platz ist genug vorhanden“, bekräftigte er noch einmal seine erste Aussage.

Mir verschlug´s die Sprache. Drinnen wurde eine Lawine der unterschiedlichsten und widersprüchlichsten Gedanken losgetreten, sodass ich wohl sekundenlang zu keiner Aussage, geschweige denn Entscheidung im Stande war. Als es in meinem Innersten wieder einigermaßen

übersichtlich zuging, äußerte ich verhalten: „Hm, ... eigentlich keine schlechte Idee ... Die Sache sollte man ernstlich in Betracht ziehen.“ Meine Frau stimmte mir zu.

„Ja, denkt drüber nach ... Es eilt ja nicht ... Und gebt mir dann Bescheid“, meinte H. verständnisvoll.

Ich hatte mir wegen eines Augenblicks des Wankelmuts Bedenkzeit erbeten, wusste indes längst, dass ich aus vollem Herzen ja sagen würde. Hier kam sie nämlich unversehens angedackelt: Meine Chance, meine Riesenchance einmal in jenes „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ zu gelangen, von dem so unendlich viel in meinem Kopf steckte. Etwas anderes als sie beherzt zu ergreifen, wäre schlichtweg dämlich gewesen. Hier erfüllte mir so was wie ´ne gute Fee einen lang gehegten Wunsch! – Warum also zaudern? – Insofern gab ich H., der sich noch in der Stadt aufhielt, bereits anderntags liebend gern mein Okay.

Die Uhr begann somit unweigerlich zu ticken ... Der Countdown lief ... Mitte November, so wurde es verbindlich abgesprochen, würden meine Frau und ich für drei oder vier lange Wochen in Uncle Sams Reich einschweben ... Wow!

Obgleich der Tag X noch gut und gerne zehn Monate voraus lag, säumte ich keine Zeit und begann augenblicks mit den Vorbereitungen ...

Ein Blick in die Pässe verriet uns, dass neue zu beantragen waren. Also nichts wie hin und anleiern, so etwas Behördliches kann nämlich dauern. In gewisser Weise eilbedürftig war auch die Sache mit den Kreditkarten. Ein Mitarbeiter unserer Bank, hatte mir den Tipp gegeben, “Visa-Cards“ zu verwenden – mit denen könne man in Amerika fast unbeschränkt bezahlen, die seien äußerst praktisch.

Gesagt, getan – hin zum Kreditinstitut und um Bereitstellung gebeten, das war eins. Bei den Flugtickets vertraute ich zunächst auf die Erfahrung des Vielfliegers H.. Der kam damit aber irgendwie nicht zu Potte, weswegen wir die Sache selbst in die Hand nahmen, ein nahe gelegenes Reisebüro enterten und uns von den dienstbaren Damen ein passendes und günstiges Angebot machen ließen. Und das lief am Ende auf “British Airways“ hinaus. Was zwar einen Zwischenstopp in “London Heathrow“ bedeutete, doch für eine Ersparnis von etwa zweihundert Märkern pro Nase sorgte, wofür wir die kleine Unbequemlichkeit gern in Kauf nahmen.

Wir überließen in der Planungsphase nichts dem Zufall und schoben erst recht nichts auf die lange Bank; insoweit waren die Formalien, Dokumente und sonstigen Reisepapiere Mitte des Jahres okay – also in unseren Händen bzw. in trockenen Tüchern.

Allerdings fand ich keineswegs, dass es nunmehr an der Zeit sei, die Hände abwartend vor der Brust zu verschränken. Meine Sprachkenntnisse, meinte ich besorgt, könnten dringend eine kleine Auffrischung gebrauchen. Schließlich wollte ich ja nicht radebrechend oder mit Pidgin-English durch die Gegend stolpern, sondern mir selbstbewusst und sprachmächtig Land und Leute erschließen. In diesem Punkt ergriff mich schon der Ehrgeiz. Außerdem durfte ich mir in diesem Zusammenhang nun wirklich nichts vormachen, denn verbal würde alles einzig von meinen Fähigkeiten abhängen – meine Frau verstand und sprach nur unzureichend ein Wort Englisch. Ich würde also Scout und Dolmetscher in einem sein müssen.

Folglich büffelte ich in den Monaten vor der Reise in jeder freien Minute grammatische Feinheiten und spezielle Redewendungen, bis mir der Kopf rauchte. Ich tat dies nach eigener Systematik und war davon überzeugt, dass es auf die Weise und mit ´ner Prise Improvisation schon klappen würde. Zudem, meinte ich frohgemut, wenn alle Stricke reißen sollten, würden wir uns immer noch unter die Fittiche der ortskundigen Residenten H. und seiner Frau R. flüchten können.

Letzteres sollte sich allerdings als ein Trugschluss erweisen. So viel Hilfe, Unterstützung, aber auch Anleitung, wie ich sie mir insgeheim erhofft hatte, wurde uns dann doch nicht zuteil. Überhaupt gestaltete sich die Visite in etlichen zwischenmenschlichen Bereichen – ich sag mal vorsichtig – schwierig. Hiervon soll allerdings nur am Rande – oder wenn es dem besseren Verständnis dient – die Rede sein. Schließlich ist es ja im Rahmen dieses Kapitels zuvörderst meine Absicht, amerikanische Eindrücke zu beschreiben, nicht jedoch im familiären oder zwischenmenschlichen Mustopf zu rühren.

Amerikanische Impressionen

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