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Die Oberpfalz ist ein heißes Pflaster

Die großen Schlagzeilen Ostbayerns: Im Tropensommer 1983 schwitzte ganz Deutschland. In Gärmersdorf wurde damals ein Temperaturrekord gemessen.


Am 27. Juli 1983 überschritt die Temperatur erstmals die 40-Grad-Grenze in Deutschland, gemessen im oberpfälzischen Gärmersdorf. Foto: dpa

Von Christine Strasser, MZ

Regensburg. 40,2 Grad auf der nach oben offenen Celsius-Skala, gemessen am 27. Juli 1983 vom geophysikalischen Messzug der Bundeswehr im oberpfälzischen Gärmersdorf – damit konnte, so befand die „FAZ“, der Sommer 1983 endgültig und würdevoll „in die Geschichte der Meteorologie eingehen“. Zum ersten Mal, seit es Wetteraufzeichnungen gibt, hatte in Deutschland die Temperatur die 40-Grad-Grenze überschritten. Bis heute hält Gärmersdorf, ein Ortsteil von Kümmersbruck im Landkreis Amberg-Sulzbach, den deutschen Hitzerekord.

Die Hitze im Juni, Juli und August 1983 machte Schlagzeilen. Die extreme Wärme lag im Bereich der Sommertemperaturen von Saudi-Arabien, ganz Europa blieb wochenlang unter Hochdruckeinfluss. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ beschrieb den Sommer 1983 so: „Es war, als habe jemand die Republik, die komplette Landmasse zwischen Alpen und Nordsee, um ein gutes Dutzend Breitengrade in Richtung Äquator transportiert.“

Angestellte der mittleren Führungsebene trugen kurze Hosen am Arbeitsplatz. Wochenlang fuhren die Cabrios offen. Die „Fliegen Sie in die Sonne“-Slogans in den Schaufenstern der Reisebüros erschienen wie Hohn. Im Radio lief Sunshine Reggae von Laid Back, der Sommerhit des Jahres. Die Mineralwasserabfüller verzeichneten im Juli 1983 ein Umsatzplus von 23 Prozent. Die Freibäder waren (verbotenerweise) auch nachts noch gut besucht.

Die Oberpfälzer Kartoffelbauern sahen das Kraut ihrer Pflanzen allerdings schon im Juli ganz gelb werden. Die Knollen blieben klein. Der Hafer ging mancherorts in eine Notreife. Auch die Sorge um den Mais war groß In einem Artikel der MZ hieß es: „Ausgetrocknete wie die Kehlen der meisten Regensburger zeigten sich weite Teile des Flussbetts der Donau.“

Donaupegel sank rasant

Ende Juli sank der Pegelstand während der Tropentage an der Messstelle Schwabelweis mit nur noch 86 Zentimetern erheblich unter den sogenannten „regulierten Niederwasserstand“ ab. Der Minus-Rekord aus dem Jahr 1954 mit 47 Zentimetern wurde damit zwar nicht erreicht, aber das Bemerkenswerte an dem Jahr 1983 sind die gewaltigen Schwankungen. Beim Hochwasser im Frühjahr zeigte der Pegel in Schwabelweis am 12. April noch 510 Zentimeter an.


Der Wasserstand der Donau sank im Tropensommer 1983 innerhalb kürzester Zeit sehr stark ab. Foto: ct

Den sensationellen Sommer verdankten die Deutschen einem machtvollen Azoren-Hoch. Mehr als zwei Monate erschien es in den Wetterberichten jeden Tag immer noch unverrückbarer. Allabendlich gab es auf den Wetterkarten beständige „H’s“ zu bestaunen. Das Azoren-Hoch kennen die Deutschen als Boten milder Luft. Normalerweise liegt ein keilförmiger Ausläufer über Südeuropa. Dieser lässt in Italien, Spanien und Portugal das typische Urlaubswetter aufziehen.

Schützende Hand über Mitteleuropa

„Der Ausdruck Azoren-Hoch hat sich verfestigt“, sagt Gerhard Hofmann, Meteorologe und Leiter der Klimaabteilung beim Deutschen Wetterdienst in München. „Er wird bei uns mit schönem Wetter in Verbindung gebracht.“ Eigent zu Unrecht. „Wenn ein stark ausgeprägtes Hochdruckgebiet über Südeuropa liegt, ist das Wetter bei uns eher schlechter“, erläutert Hofmann. Im Sommer 1983 jedoch dehnte sich der wetterbestimmende Hochdruckgürtelbis weit in den Nordosten aus. Wie eine schützende Hand wehrte dieser mitteleuropäische Hochdruckgürtel die über dem Atlantik kreisenden Tiefdruckgebiete ab. Sommerklima wie im nördlichen Mittelmeer stellte sich ein.

Fast überall in Bayern wurden im Juli 1983 Temperaturrekorde gemessen, so schnell, dass die Meteorologen kaum mitkamen: Regensburg meldete 39 Grad. Die Nürnberger schleppten sich am 27. Juli mit 38,6 Grad durch die Stadt. Selbst auf dem Großen Arber gab es keine Abkühlung. 30,3 Grad wurden dort am gleichen Tag gemessen. Aber an den Spitzenwert aus Gärmersdorf (40,3 Grad) kam keiner ran.

Strenge Regeln für Messstationen

Rekorde, die von anderen Wetterdiensten gemessen werden, erkennt der Deutsche Wetterdienst nur sehr selten an. „Das ist auch schwierig“, erläutert der Meteorologe Gerhard Hofmann. Denn die Aufstellungsbedingungen für die Wetterstationen seien sehr strikt geregelt. Der Grund für die strengen Vorschriften: Die Ergebnisse müssen möglichst unter denselben Bedingungen ermittelt werden, um eine Vergleichbarkeit untereinander herzustellen. „Wenn Sie auf beispielsweise auf der Fensterbank messen, dann ist das Ergebnis nur mit Werten vergleichbar, die auch auf der Fensterbank gemessen wurden“, erläutert Hofmann grob das Prinzip. Die Stationen des Deutschen Wetterdienstes müssen die Temperatur beispielsweise zwei Meter über dem Boden messen. Die Stationen müssen auf einer mit Gras bewachsenen Fläche stehen und in einem ausreichenden Abstand zu Gebäuden, anderen Hindernissen oder Straßen, denn die Wände oder der Asphalt könnten abstrahlen.

Die Zeitungen überschlugen sich im 1983 mit Wetter-Schlagzeilen. Allenfalls blieb umstritten, ob es nun Affen-, Treibhaus- oder Tropenhitze (MZ) heißen sollte, ob es lediglich ein Rekord- oder doch ein Jahrhundertsommer war („Berliner Tagesspiegel“: Diesmal wirklich ein Jahrhundertsommer) oder gar ein Todessommer, wie die BamS titelte (weil „die Sonne die Mordlust weckt“ und Sittlichkeitsverbrechen fördere).

Im Mai 2010 musste die Oberpfalz um ihren Hitzerekord bangen. Das Hoch „Michaela“ heizte das saarländische Örtchen Perl-Nennig ein. 40,8Grad hatte der Wetterdienst Meteomedia gemessen. Aber bei einer Überprüfung konnte der Messwert nicht bestätigt werden. Die Oberpfalz behielt den Rekord.

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