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4. Die Amerikaner kommen

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Louis begrüßt mich in der Redaktion mit den in Frankreich üblichen Küsschen, der Klaps auf den Po bleibt mir erspart. Ich behalte mein Hintergrundwissen über seine missglückte Karriere als Künstler für mich und bleibe charmant, soweit es für ein lautes US-It-Girl von der West Coast möglich ist. Louis ist ungekünstelt charmant, sein Charme ist gekonnt und natürlich.

Louis lobt meine Artikel und gibt mir weitere Aufträge, aber ich muss ablehnen, die Amerikaner werden für Mittwochmittag erwartet.

„Was für Amerikaner?“, fragt er.

„Ich bin Executive Producer von West-Film in Paris und vertrete Duane“, antworte ich.

Louis sagt nichts, er sieht mich nur an. „Gut, ich hätte es mir denken können, aber du machst einen guten Job, es wäre schade, dich als Journalistin für die Cahiers zu verlieren. Melde dich, wenn du wieder Zeit hast“, sagt er.

Ich verspreche es.

Er gibt mir einige Ausgaben der Cahiers mit auf den Weg. „Zeig das den Amis. Die Amis stehen auf die Cahiers, so wie wir auf Variety oder den Hollywood Reporter.“

Ich bedanke mich.

„Wann hast du wieder Zeit?“, fragt er.

„Keine Ahnung. Die Amis drehen eine Woche in Paris“, antworte ich.

„Sie drehen wahrscheinlich die üblichen Szenen, die einfach in einem Film über Paris drinnen sein müssen. Den Montmartre. Den Eiffelturm. Die Champs-Élysées. Am Seine-Ufer“, sagt er.

„Oui. Ich habe eine Aufnahmeliste bekommen. Duane hat noch die Drehgenehmigungen eingeholt. Es wird ein simpler Job für mich werden. Hoffe ich zumindest“, antworte ich.

„Dreht ihr auch in den Ateliers?“, fragt er.

„Nein, nicht, dass ich wüsste. Nur Außenaufnahmen und ein paar Nachtszenen im Quartier Latin, dort, wo Sartre war“, antworte ich.

„Dann bist du falsch. Jean-Paul war in Saint-Germain-des-Prés“, sagt er, er nennt mir die Adresse von Sartres ehemaligem Wohnsitz und ein paar Stammlokale und Bars, in denen er oft mit Simone de Beauvoir und seinem ewigen Nebenbuhler Claude Lanzmann verkehrt hat.

Ich bedanke mich.

„Die Amis sind oberflächlich. Wahrscheinlich interessiert sie das gar nicht. Das Quartier interessiert sie mehr als die Realität. Kennst du das ,La Pagode‘?“

„Qué? Das Kino hat mir schon der Verrückte empfohlen“, antworte ich.

„Sehr gut. Dort sind alle wichtigen Klassiker des französischen Kinos erstaufgeführt worden. Das ,Pagode‘ wird den Amis gefallen“, sagt er und entlässt mich mit den üblichen französischen Küsschen.

Ich sehe mich noch einmal nach dem unverschämten Jungfilmer um, doch der ist Baguette einkaufen gegangen.

Mittwochvormittag.

Ich warte vor den West-Studios. Ein Kleinbus mit Fahrer, den Duane noch für mich organisiert hat, parkt vor den West-Studios und hupt, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Ich eile über die Straße zum Kleinbus hinüber und öffne die Beifahrertür.

„Salut!“

„Salut! Zum Flughafen Charles de Gaulle, nehme ich an.“

Mir bleibt fast, aber nur fast, das Herz stehen.

Eric, der unmögliche Flegel aus den Cahiers du Cinéma, sitzt am Steuer.

„Moment, Moment, Moment – das ist jetzt wirklich ein schlechter Witz“, sage ich.

„Nein. Ich fahre immer für Duane. Wenn du willst, kannst du ihn anrufen“, sagt Eric und parkt aus.

Ich schäume und rufe Duane an, der genervt ist, weil es irgendwelche Probleme zwischen Maskulin und Feminin in Paris gibt.

„Pass auf, Babe, der Verkehr in Paris ist für ein US-Greenhorn der reinste Horror. Eric kennt sich aus, er ist Filmemacher und bewahrt dich vor dem totalen Nervenzusammenbruch. Also sei lieb und vertrau einfach Eric, der boxt dich und die US-Crew durch Paris“, sagt Duane.

„Well, aber über die ‚Babe‘ sprechen wir noch, ich bin ja keine Göre aus der Junior High mehr“, tobe ich.

„Yes, yes, ganz cool bleiben, Babe, vertrau einfach Eric, der fährt“, sagt Duane so ganz unmöglich chauvinistisch, dass ich gleich einmal ordentlich schreie!

Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!

Eric verreißt das Steuer. Nur der Sicherheitsgurt rettet mich davor, auf seinem Schoß zu landen. Duane bricht einfach das Gespräch ab.

„Hé, quoi de neuf?“ (Hey, was ist los?), schimpft Eric.

Die kleine amerikanische Katze faucht und verteilt böse Blicke.

Eric versucht es mit einem Schokoriegel und Kaugummis, ich entscheide mich für den Schokoriegel.

Immerhin, wenn er sich zu benehmen weiß, ist Eric leicht sympathisch. Ich lächle. Er lächelt.

Eric stellt sich vor. Er ist geborener Pariser und natürlich selbst Filmemacher, oder zumindest versucht er, einer zu werden.

Er ist genauso alt wie ich, und auch was Filme betrifft, sind wir auf derselben Wellenlänge, also stimmt gleich die Chemie zwischen uns beiden, Duane hat das beruflich motivierte Date perfekt eingefädelt. Ich schicke Duane eine WhatsApp nach London, mit einem Daumen hoch.

Während der Fahrt zum Flughafen erzählt Eric, dass er ein perfektes Drehbuch und eine Schauspielerin hat, die der großen Brigitte Bardot zum Verwechseln ähnlich sieht. Ihr Problem ist, dass sie leider ziemlich doof ist und das Drehbuch nicht versteht, weil sie eher auf Actionfilme steht und weniger auf Autorenfilme, aber unter seiner Regie würde sich das schon ändern, außerdem wäre auch ich jetzt da, und wenn ich wollte, würde er mir das Drehbuch geben, ja, ich müsste es unbedingt lesen, denn so eine wie ich gehört unbedingt vor die Kamera, genau genommen vor seine Kamera.

Uff, wenn das so weiter geht, bin ich bald der neue Filmstar in Paris.

Wir erreichen den Flughafen, der unter Verkehrsinfarkt leidet. Ohne einen Fahrer wäre es hier unmöglich, etwas zu machen; man müsste das Auto irgendwo im Parkhaus stehen lassen, wenn man überhaupt einen Parkplatz fände.

Ich eile in die Ankunftshalle, um die Amis abzuholen, und halte die Tafel „West-Film“ gut sichtbar hoch. Auf der Ankunftstafel sehe ich, dass das Flugzeug aus New York City pünktlich gelandet ist und ich keine Sekunde zu früh am Flughafen aufgekreuzt bin.

Die Zeit vergeht, und endlich sehe ich fünf Amis, die zielbewusst auf mich zusteuern. Sie freuen sich, von einem US-It-Girl empfangen zu werden, und es gibt die üblichen Küsschen, auch wenn die Zuckerpuppe von der West Coast ist. Die Amis sind total down vom Jetlag und wollen so schnell wie möglich ins Hotel, um ihre Kopfschmerzen loszuwerden, bisher war noch keiner von ihnen in Europa.

Wir fahren in unserem Kleinbus auf die Route des Badauds hinaus und reihen uns auf dem Autobahnkreuz in Richtung Paris ein, auf dem der Verkehr zum Erliegen gekommen ist. Die feuchtkalte Pariser Novemberluft haut die Amis noch einmal nieder, weil in New York City jetzt noch angenehmer Spätherbst ist.

Sie meckern ziemlich herum, weil wir im Verkehrschaos stecken bleiben. Eric spricht kein Wort Englisch, und die Amis kein Wort Französisch, sie fluchen herum, wieso der Fahrer nicht Englisch spricht, was ihrer Meinung nach essenziell für die Aufnahmen wäre, und wir kommen uns gleich in die Haare, weil ich perfekt dolmetschen kann, was der amerikanische Regisseur nicht gelten lassen will, auch wenn er nur von der Second Unit ist, die nichts weiter zu tun hat, als die Außenaufnahmen abzuarbeiten.

Eric lotst uns geschickt durch das Verkehrschaos, und nach gut eineinhalb Stunden erreichen wir endlich das Hotel in der Rue Jenner im 13. Arrondissement.

Die Amis fluchen weiter, weil sie lieber in der City wohnen wollten und nicht am Arsch der Welt. Ich bin total beleidigt und stelle die Lumpenhunde an der Rezeption ab, was wieder Diskussionen mit den Franzosen auslöst, die kein Wort Englisch sprechen.

Zwangsläufig muss ich weiter dolmetschen, und es vergeht noch ein gutes halbes Stündchen, bis die Amis endlich in ihren Zimmern untergebracht sind. Ihr Equipment wird in den West-Studios sicher gelagert, was die Amis wissen müssten, aber natürlich ignorieren, denn sechs Stunden später rufen sie aufgebracht an, dass keine Dreharbeiten möglich sind, denn irgendein Arsch hätte das gesamte Equipment geklaut.

Ich bin schon total genervt von der blöden Bande, die sich dümmer anstellt als ein paar kleinkarierte Kärntner Filmstudenten, deren Kleinkariertheit noch von ihrer Provinzialität verschärft wird.

Ich überlege einen Moment, in der Redaktion der Cahiers du Cinéma anzurufen, um zu fragen, ob Louis für ein Schäferstündchen Zeit hätte; jetzt hilft nur noch eine saftige Vögelei, bevor ich völlig überschnappe.

Ich unterdrücke meine sexuellen Gelüste und überlege, ob ich mir nicht Eric für meine unbefriedigte Lust ins Visier nehmen sollte; er ist jünger, und wozu gibt es französische Männer?

Wieso sollte ich mit einem alten Esel vögeln, wenn ein junger, spritziger Filou schon im Haus ist?

Leider funken schon wieder die Amis dazwischen, sie hätten bereits mit Duane telefoniert, dass der Service von West-Film das absolut Letzte wäre, was ihnen zwischen New York City und LA je untergekommen ist.

Duane ruft aus London an, und wir streiten ein gutes Viertelstündchen via WhatsApp herum, dass ich nicht die Dumme für die Schrullen aller Vollidioten von New York City wäre und dass ich endlich mit einem jungen Franzosen vögeln will.

Duane ist mehr als schlecht gelaunt über meine Scherze, obwohl ich meine sexuelle Lust nicht als Scherz verstehe, sondern als einen wichtigen Teil meiner Libido. Duane meint, er würde jetzt jemanden in Paris anrufen, den ich noch nicht kenne, der sofort in die West-Studios kommt, um mir ganz gehörig den Kopf zu waschen, aber gründlich.

Selbstverständlich bin ich bei einem solchen Chauvinismus mehr als beleidigt und heule sicherheitshalber einmal ordentlich.

Duane bleibt nichts anderes übrig, als sich bei mir zu entschuldigen, und telefoniert noch einmal mit den Amis im Hotel, die bereits die Flics gerufen haben.

Ich spreche mit der französischen Polizei und bringe sie dazu, dass wir alle gemeinsam in die West-Studios gehen; dort befinden sich sämtliche technischen Ausrüstungsgegenstände der amerikanischen Crew, und die Flics empfehlen sich, nicht ohne ein begehrliches Auge auf mich geworfen zu haben.

Angenehm stellt die französische Polizei fest, dass ich perfekt Französisch spreche; beide Flics hinterlassen ihre Dienstnummern, falls ich einmal Probleme hätte.

Ich bedanke mich artig, und die Flics ziehen endlich ab.

Die Amis jammern noch immer wegen ihres Jetlags herum. Duane ruft aus London an, und erfreulicherweise können die Amis und ich ihm mitteilen, dass sich das Missverständnis in Luft aufgelöst hat. Ich zicke noch ein bisschen herum, weil Duane vorhin so gemein zu mir gewesen ist, doch Duane lässt sich nicht von meinen Launen zur Verzweiflung bringen – im Gegenteil, er gibt mir sofort Aufträge, was ich mit den Amis zu tun und zu lassen habe und dass ich selbstverständlich mit keinem von den Idioten aus New York City ins Bett springen, sondern sachlich cool die Locations abarbeiten soll.

„Das ist ja eine Gemeinheit! Das ist ja eine Frechheit! Wofür hältst du mich eigentlich?“, streite ich herum.

„Für ein 23-jähriges It-Girl aus LA ohne jede Paris-Erfahrung“, gibt Duane zurück.

Damit hat er leider recht.

„Sag mir zum Abschluss unseres Gesprächs etwas Nettes“, bettle ich.

„Du bist das begehrenswerteste It-Girl von ganz Paris“, antwortet Duane.

Ich schnappe nach Luft. Mehr Frechheiten an einem saukalten Novembertag fallen diesem Lümmel aus Texas nicht ein? Aber das wird Folgen haben, das wird ganz ernste Folgen haben! Bei nächster Gelegenheit vögle ich mit Eric, Louis und natürlich mit den Amis aus New York City, das kann ich diesem Redneck aus Houston schriftlich geben!

Die Amis nerven weiter, weil das Wetter ihrer Meinung nach zu schlecht ist, um die richtigen Bilder für ihren Spielfilm aufzunehmen, der in Paris spielt, aber in Wahrheit in New York City im Studio aufgenommen wird; es gibt nur ein paar Außenaufnahmen, die eben die Second Unit aufnimmt, die ich durch Paris führen soll.

Ich argumentiere hingegen, dass Paris im November einfach anders ist als Paris im Mai.

„Why?“, wagt dieser Vollidiot von selbsternanntem US-Regisseur zu fragen.

„Weil das Klima in Europa anders ist als das in den USA und besonders in New York City“, antworte ich.

Ich gehe online und zeige dem guten Mann, dass es in seinem geliebten New York City aktuell 2 Grad über Null hat, bei uns in Paris misst es immerhin 8 Grad.

Der unwissende Ami gibt sich mit diesem Argument zufrieden, weil er noch nie etwas von Zeitzonen gehört und vergessen hat, dass es bei ihm zu Hause mitten in der Nacht ist.

Well, beim Film wird mit allen Tricks gearbeitet.

Wir ziehen mit Eric als Fahrer los, der auch sofort ohne Englischkenntnisse das Kommando über den Drehplan übernimmt. Ich stehe da wie eine Idiotin und bin zum letzten Skriptgirl degradiert, das die Sets abhakt.

Ich koche innerlich vor Wut, aber was bleibt mir übrig, als die Amis so schnell wie möglich durch Paris zu lotsen, und dabei kennt sich der Pariser Eric perfekt aus.

Eigentlich müsste ich Duane dankbar sein, dass er mir Eric zur Seite gestellt hat, denn ich wäre total überfordert gewesen, aber mein Ego lässt so ein Eingeständnis natürlich nicht zu.

Eric ist der perfekte Fremdenführer; nach Einbruch der Dunkelheit führt er die Amis in ein amerikanisches Lokal mit typischem amerikanischem Futter, Burgers, French fries, jede Menge Sauce, ist gleich Ketchup, Mayonnaise (allerdings echte französische und kein US-Importprodukt), Senf und so weiter, dazu schwemmen die amerikanischen Filmemacher jede Menge Bier, und Eric und ich lassen uns natürlich auch nicht lumpen.

Selbstverständlich kennt unser französischer Fahrer auch die wichtigsten Clubs im Quartier Latin, es ist klar, dass er nicht zum ersten Mal lästige amerikanische Second-Unit-Filmemacher durch Paris führt.

Mein Ego ist am absoluten Nullpunkt angelangt, aber natürlich bin auch ich keine Spielverderberin und gehe sehr gerne feiern; die Musik ist live und ohrenbetäubend, eine französische Punkrockband dreht die Lautsprecher auf, dass einem die Ohren sausen.

Eric ist ein fantastischer Tänzer, der in den Clubs jede Menge French Girls kennt, die er mit den amerikanischen Gästen bekannt macht, was den Vorteil hat, dass ich exklusiv für ihn übrigbleibe. Ich habe mir den besten Mann im Club geangelt.

Wir tanzen die Nacht durch. Der Champagner fließt, hochprozentige Drinks werden wie Wasser getrunken. Oh my God, ich darf gar nicht an morgen denken, wenn ich den schlimmsten Kater von ganz Paris spazieren führen werde.

Eric scheint ein geeichter Trinker zu sein, der die Amis spielend unter den Tisch trinkt, und die French Girls saufen auch, nur weil es gratis ist. Die New York City Gang, die eigentlich geeicht sein sollte, wird von den Franzosen unter den Tisch gesoffen.

Zum Glück behalte ich noch etwas die Fassung und bestelle gegen 4 Uhr morgens die Taxis, die uns alle nach Hause bringen. Die Amis checken in ihr Hotel ein und lassen durchblicken, dass sie nicht vor Mittag zu sprechen sind.

Eric begleitet mich nach Hause und nützt mich auf unglaublichste Weise aus. In den West-Studios lande ich mit ihm im Bett und vögle noch eine gute Stunde mit meinem ersten jungen Franzosen, was leider, leider, leider nur eine sehr kurze Nummer ist; dann bin ich streichfähig, total streichfähig, um es genau zu nehmen, voll von allem, was flüssig und alkoholhältig ist.

Zum Glück hat mich Eric vor einem Drogentrip bewahrt. Nicht auszudenken, wenn ich in meiner ersten Nacht als Skriptgirl für die amerikanischen Gäste gleich mit einem Herointrip ausfallen würde.

Wann habe ich zum letzten Mal Drogen konsumiert? Das war drüben in LA. Im beschaulichen Kärnten habe ich nicht einen Joint geraucht, was ja gar nicht möglich gewesen wäre, neben meinem Großvater, der Kommissar bei der Kriminalpolizei ist.

Kaum zu glauben, dass ich total clean bin, sieht man von der Sauferei mit den Amis und den French Guys ab.

Stille Tage in Paris

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