Читать книгу 30. Januar 1933 - Monika Dreykorn - Страница 14

Ein symbolischer Wendepunkt

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Doch genau genommen ist der 30. Januar nur ein, wenn auch markanter, Meilenstein einer langen unheilvollen Entwicklung. Es mussten im Vorlauf eine Vielzahl von Faktoren zusammenkommen, damit es so weit kommen konnte: Grundvoraussetzung des Aufstiegs der Nationalsozialisten war der extreme wirtschaftliche Zusammenbruch der Weltwirtschaftskrise, der das gerade aufkeimende Einverständnis der Menschen mit der Weimarer Republik wieder grundlegend in Frage stellte. Bedeutend war aber auch der Legitimationsverlust der Weimarer Republik durch das kontinuierliche Schwinden der demokratischen Mitte und die Stärkung der extremen Linken und Rechten, die die Republik zerstören wollten. Es fanden sich nur noch wenige, die engagiert für das Fortbestehen der Weimarer Republik eintraten. Wichtig war darüber hinaus noch der Entschluss der alten Eliten, die parlamentarisch-demokratischen Strukturen mit einer autoritären Wende willentlich zu zerstören. Die Einsetzung von Präsidialkabinetten seit 1930 war nur der erste Schritt zu einem neuen konservativ-autoritären Staat. Und Voraussetzung für den 30. Januar 1933 war schließlich das Aufkommen der nationalsozialistischen Massenbewegung Hitlers, die die Ängste und Wünsche rund eines Drittels der Bevölkerung artikulierte. Sie hatte Ende 1932 ihr Potential bereits weitgehend ausgeschöpft – der Stern der Protestbewegung war bereits am Sinken. Allein das Bündnis mit den konservativ-autoritären Eliten brachte sie schließlich am 30. Januar doch noch an die Macht.

Und auch in der Folge dieses Tages mussten viele Faktoren zusammenkommen, damit er in der Rückschau von einem Tag der Machtübertragung an Hitler zu einem „Tag der Machtergreifung“ überhöht werden konnte. Nötig waren dafür die tatsächliche „Machtergreifung“ der folgenden Wochen und Monate mit Terror und Gleichschaltung; der Terror und die Ausschaltung der politischen Gegner – Sozialdemokraten, Kommunisten, Juden und widerständige Demokraten – durch Verhaftungen, Folter, Ermordung und Vertreibung; die einsetzende Verfolgung der Juden; die Zerschlagung der demokratischen Strukturen; Gleichschaltungen und Selbstgleichschaltungen von Organisationen und Einrichtungen der demokratischen Gesellschaft. Und es bedurfte der Etablierung eines neuen Grundkonsenses in der Gesellschaft, der Etablierung einer nationalen Aufbruchseuphorie, einer vermeintlichen „Volksgemeinschaft“, die dem bisherigen Krisengefühl etwas Neues, gefühlt „Positives“ entgegensetzte. Das half großen Teilen der Bevölkerung, den wachsenden Terror im Land in erstaunlichem Maße zu übersehen und zu verdrängen.

Nur sechs Jahre dauerte es, bis die neuen Herren ihr wahres Gesicht endgültig zeigten. Nur sechs Jahre, bis Hitler Deutschland in den verheerenden Zweiten Weltkrieg führte, der über 50 Millionen Menschen das Leben kostete und in dessen Schatten der Holocaust stattfand, ein bisher singuläres industrielles Morden, dem über sechs Millionen Juden zum Opfer fielen. Der 30. Januar 1933 ist der symbolische Wendepunkt, an dem diese Entwicklung ihren Anfang nahm.

30. Januar 1933

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