Читать книгу 21 Shades of Shame - Monika Fischer - Страница 6
2 «Dom-Training»? … voll daneben
ОглавлениеVirtuelle Welten – Sex und Online-Dating im 21. Jahrhundert geht auch an mir nicht vorbei. Da ist noch immer die Frage, betreffend den angeblich «Geilen Hausfrauen», offen. Dieser werde ich nun nachgehen, denn als Frau scheint es mir eher unwahrscheinlich, dass sich so viele Frauen nur für Sex mit fremden Männern hergeben. Ohne Zwang, ohne Bezahlung, welcher Art auch immer, oder aus purer Naivität. Dies ist meiner Ansicht nach entgegen der natürlichen, weiblichen Natur. Während meiner aktiven Zeit als Single war ich auf verschiedenen Partnerbörsen registriert und pflegte neben den realen Dates auch Onlinekontakte. Meine Erfahrungen und Einsichten möchte ich hier mit dir teilen. Was ich im Laufe der Zeit beobachten und feststellen konnte, fasse ich hier kurz zusammen:
1.Es sind wesentlich weniger sogenannt «echte» Menschen auf den meisten Plattformen, als man dich glauben machen will. Vor allem bei den Sex- und Seitensprung-Seiten zweifle nicht nur ich an der Echtheit der weiblichen Mitgliederzahlen, sondern vor allem die zahlenden männlichen Mitglieder.
2.Die Mehrheit der Mitglieder scheint eher Probleme mit der schriftlichen Kommunikation zu haben und somit gewinnen die, welche sich in Wort und Schrift auszudrücken vermögen.
3.Für viele Menschen auf Partnersuche ist der zweite Punkt deprimierend und die Ernüchterung folgt früher oder später. Für die Plattformen jedoch sind bleibende Mitglieder gut, denn es sind meist zahlende Mitglieder. Sie werden mit Tipps und Versprechungen bei Laune gehalten.
Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass man seinen Partner, bzw. seine Partnerin nicht online treffen kann. Aber hinter jedem echten Mitglied steckt auch eine echte Geschichte und diese liest man nicht auf den jeweiligen Profilseiten. So auch nicht die Geschichte von Dani. In diesem Chat ging es zur Sache. Er erzählte mir, wie alles ganz harmlos anfing. Wir hatten zuvor schon einige Male kurz miteinander geschrieben und so war bereits klar, dass Dani 46 Jahre alt ist, drei Kinder hat, verheiratet ist, in einer grösseren Stadt in der Schweiz wohnt und eine Domina sucht ... «Schon wieder», dachte ich mir.
Dani: Hello again, schon wach oder immer noch wach?
Ich: Ja, schon wach – eigentlich schon länger, und du?
Dani: Bin gerade ins Büro gekommen und habe noch eine halbe Stunde bis zur nächsten Sitzung.
Ich: Schön, und weiter!
Dani: Sag mal, was suchst du eigentlich hier auf dieser Plattform?
Ich: Erst mal nur Kontakt zu interessanten Männern und du?
Dani: Ja, ich auch – natürlich Frauen!
Ich: Dachte ich mir.
Dani: Was hast du dir gedacht?
Ich: Na, dass du Frauen suchst. Aber was noch? Ich meine, ich chatte nicht zum ersten Mal, darum bin ich neugierig, wie deine Erfahrungen online mit Frauen so sind.
Dani: Mit dir ist es einfach zu plaudern, das mag ich. Das ist nicht immer so und viele geben schon gar keine Antwort auf Anfragen.
Ich: Ja, hab ich jetzt schon öfter gelesen ... was also hoffst du zu finden. Du bist verheiratet und hast Kinder! Einen Seitensprung?
Dani: Du bist gross und wortgewandt, ich suche eine Domina – interessiert?
Ich: Hmm … wie kommst du darauf, dass ich in diese Ecke passe?
Dani: Keine Ahnung, aber deine Grösse würde passen, in Leder und so, könnte ich mir gut vorstellen.
Ich: Nein, passt nicht eigentlich, aber ich bin neugierig … erzählst du mir, wie du dazu gekommen bist?
Dani: (Lacht.) Ja, aber das ist eine etwas längere Geschichte.
Ich: Kein Problem, ich sammle und liebe Geschichten und Zeit habe ich auch.
Dani: Ok. Ich habe hier auf dieser Plattform mit einer Frau einen Chat angefangen. Sie war interessiert und damals hatte ich eigentlich nur im Sinn, mit einer Frau zwischendurch etwas Zeit zu verbringen, du verstehst? Wir haben hin und her geschrieben und ich wusste bereits, dass sie auf einem Hügel wohnt, den wir den «Goldhügel» nennen. Wo also Menschen mit genug Geld leben. Wir trafen uns das erste Mal in einem kleinen Kaffee und beide fanden, dass der andere passt. Sie lud mich zu sich nach Hause ein. Eine Woche später war es so weit. Abends fuhr ich zu der besagten Adresse. Das Anwesen sah wirklich beeindruckend aus. Ich klingelte und sie öffnete mir die Türe. Da stand sie, erwartungsvoll, gut aussehend, gepflegt und mit einem charmanten Lächeln im Gesicht. Zuerst ging es ins Wohnzimmer, wo wir einen Aperitif nahmen. Ich bemerkte, wie sie immer nervöser wurde. Als ich sie darauf ansprach erhielt ich die Antwort, dass sie mir eigentlich lieber ihren Weinkeller und noch etwas viel Interessanteres im Keller zeigen wolle. Ich war neugierig, was da im Keller auf mich wartete. Ich ahnte, dass dies kein übliches Date war, doch was mich erwartete, war jenseits meines damaligen Vorstellungsvermögens. Im Untergeschoss zeigte sie mir kurz den besagten Weinkeller, gut sortiert natürlich. Was dann aber kam, war der Hammer ... Weiter?
Ich: Natürlich!
Dani: Ok. Sie öffnete eine Türe, gleich neben dem Weinkeller. Es war stockdunkel und sie bat mich einzutreten. Ich tat einen Schritt ins Dunkle und ein sanftes Licht ging an, als sie einen der Schalter gleich neben der Türe betätigte.
Da stand ich, mit offenem Mund. Was ich hier sah, war ein voll eingerichteter, sehr schöner und teuer ausgestatteter Darkroom. (Darkroom: Speziell eingerichteter Raum unter anderem für Sado-Masospiele) Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch nie selbst einen Solchen besucht, aber dieser Darkroom ist etwas vom Besten, was ich je gesehen habe. Sie lehnte an der Wand gleich neben der Türe und sah mich an, beobachtete meine Reaktionen und sagte dann: «Ich habe meinen Dom (Kurzform für «dominanter Mann» im sexuellen Bereich) vor einigen Monaten verloren. Er ist gestorben und ich suche einen neuen Dom. Du hast dieselbe Grösse und das Auftreten, darum bitte ich dich, mein neuer Dom zu sein.»
Dani: Weiter?
Ich: Ja, bitte.
Dani: Ok. Ich war platt ... sprachlos im ersten Moment, was sie natürlich bemerkte. Plötzlich ging oben eine Türe auf. Ich hörte Schritte. Jemand kam die Treppe herunter und ich schaute mein Gegenüber fragend an … «Wer ist das?» Es war eine Frau, ca. 170 cm gross, in Latex, mit High Heels. Die Haare zu einem Schwanz zusammengebunden und an der Leine, führte sie einen grossen Schäferhund. Die Dame des Hauses stellte sie mir als «Cherry» vor, und jetzt kommts. Cherry ist eine Domina und sie sollte mich in dieser Nacht, in diesem Darkroom zum «Dom» ausbilden. Mit allen Tipps und Tricks bekannt machen, und ab morgen würde ich der zukünftige Dom der Dame des Hauses sein. Ich hatte Muffensausen, stand da im Darkroom mit den beiden Frauen und dem Schäferhund und gab einfach nach. Die Türe schloss sich hinter der zukünftigen «Sub» (Jargon für Sklavin), der Dame des Hauses, und ich war mit der Domina alleine.
Dani: Hast du noch Zeit?
Ich: Jede Menge, das ist eine spannende Geschichte
Dani: Nun, der Schuss ging nach hinten los. Die Domina hatte mich eine ganze Nacht lang «trainiert», mir gezeigt, was ein Dom tun kann und was er auf keinen Fall tun sollte, wie er die Sub behandeln sollte und so weiter. Ich leckte ihre Schuhe und hörte ihren Anweisungen zu. Ich verbrachte Zeit in einer Zwischenwelt und mein Verstand war auf dem Rücksitz. Es war dunkel im Raum und als am anderen Morgen die Dame des Hauses die Türe wieder öffnete, und sich auf ihren «neuen» Dom freute, erwartete sie eine herbe Überraschung. Ich, der neue Dom, war über Nacht zu einem folgsamen Sklaven geworden. Ich konnte mir nicht mehr vorstellen, ein Dom zu sein, wenn es für mich so viel «schöner» war, von einer Domina «geführt und angewiesen» zu werden.
Ich: Wow, dieser Schuss ging wirklich nach hinten los. Dann hat die Frau also eine Domina bezahlt, nur um aus dir einen Sub zu machen, richtig?
Dani: Ja, aber das wusste keiner von uns am Abend zuvor und darum bin ich jetzt auf den Geschmack gekommen und immer noch auf der Suche nach einer passenden Freizeitdomina – Na? Interessiert?
Ich: (Lache.) Nein, ich bin keine Domina – vielleicht sehe ich so aus oder komme so rüber, aber das ist nicht mein Stil. Deine Geschichte ist aber wirklich spannend und ich hoffe, du findest eine passende Frau.
Dani: Schade ... aber macht nichts, wir können ja einfach so mal wieder chatten, es war eine spannende Zeit mit dir.
Ich: Sicher, machen wir und jetzt machs gut bei deiner Sitzung – sollte so langsam Zeit dafür sein, richtig?
Dani: Ja, have a nice day und bis zum nächsten Mal.
Ich: Same to you und tschüss.
Die Geschichte von Dani ist spannend, hat aber auch seine Schattenseite. Dani lebt wie viele Männer ein Doppelleben. In seinem Fall vielleicht etwas komplizierter, da es nicht so viele Dominas gibt, wie Mann sich anscheinend wünscht. Die andere Belastung ist, dass er nach eigenen Angaben, das Spiel der Gesellschaft vorerst weiterspielt. Er ist also der «normale» Manager und Familienvater für die einen und für die anderen ist er ein Sklave, der ab und zu in einen Club geht und etwas Zeit mit einer Domina verbringt. Er ist bereit, dafür zu bezahlen, doch am liebsten hätte er natürlich eine feste Dominabekanntschaft. Echte Profis, wie Dani sagte, sind gut, aber ihm fehlt doch noch das gewisse Etwas. Er fand für kurze Zeit Frauen, die sich auf sein Spiel einliessen, einfach weil sie neugierig waren. Das hat aber nicht lange vorgehalten und so ist Dani immer noch oder immer wieder, auf der Suche. Seiner Aussage nach befriedigt es ihn, einer Frau auf diese Weise zu dienen.
Auf meine Frage hin, ob er sich als «Büsser» verstehe, welcher auf diese Weise seine Busse tue, sagte er einmal: «Ich lebe zwei Leben. Im einen spiele ich den tollen, erfolgreichen Mann und Vater. Im anderen krieche ich, manchmal auch wimmernd, vor einer Frau in Latex. Ich glaube, das eine geht nicht ohne das andere und vielleicht büsse ich. Büsse dafür, dass ich nicht klar komme mit all meinen Verpflichtungen, dass ich nicht der sein kann, den ich den Menschen vorspiele, oder vielleicht der, den ich tief in mir vergraben habe. Vielleicht brauche ich jemanden, der mir dies auf diese ungewöhnliche Weise klar macht und vielleicht endet das gut oder auch nicht. Im Moment stimmt es für mich so – aber ich weiss, ich werde älter und die Kinder auch. Was dann sein wird, das steht in den Sternen. Sich dazu öffentlich zu bekennen ist ein absolutes «No-Go» (engl. ugs. kommt nicht in Frage, geht nicht). Die Gesellschaft und vor allem mein Umfeld würde das nicht akzeptieren. Es wäre mein «Aus» als Mensch, und mein Job wäre weg. Ich weiss, dass ich nicht der einzige bin, der das in unserer Firma so lebt. Obwohl es nicht ausgesprochen wird wissen wir, wo wir stehen und was wir «sonst» noch sind.». Es ist nicht einfach.
Wenn ich Geschichten wie die von Dani erzähle, scheint bei einigen Zuhörern so etwas wie «Schadenfreude» aufzukommen. Wenn ich im Weiteren auf den Gesellschaftsteil zu sprechen komme und zum Beispiel frage: «Wer ist eigentlich die Gesellschaft?», folgt erst einmal betretenes Schweigen.
In Danis Geschichte ging einiges schief, könnte man sagen, und wo die vermeintliche «Schande» liegt …, das lass ich hier jetzt mal so stehen. Es gibt ja noch die Hausfrauen und noch einige andere Geschichten zu erzählen in «21 Shades of Shame», Geschichten, die das Leben schrieb.
… Was mich aber im besonderen schockiert ist die Tatsache, dass die jungen Menschen bereits so abgestumpft und abgebrüht zu sein scheinen, wie die Darsteller der Pornos, die es ihnen vorleben …