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3 Dana, 20 Jahre, trübe Aussichten auf weitere 60 Jahre Sex

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Sie ist knapp 20 Jahre alt, es kommt mir aber vor, als sässe eine Frau 40plus vor mir. Sie erzählt von ihrer Sexualität, davon wie alles anfing und wie sie sich heute mit ihrem Partner fühlt. Er ist top drauf, was körperliche Fitness anbelangt. Wenn es um die Technik beim Sex geht, wirkt er wie ein echter Profi in den Pornofilmen, und erfüllt die Erwartungen des eigenen Kopfkinos, so wie wir es aus diesen Filmen nicht anders kennen. Jetzt fragst du dich vielleicht, wo das Problem liegt? Da sind zwei junge Menschen, die Erfahrungen sammeln wollen. Dazu gehört natürlich auch Sex. Dem stimme ich zu, meine Frage dazu lautet: Ist Mainstream-Pornografie «natürlicher, normaler Sex»?. Doch schauen wir zuerst, was sie sonst noch zu berichten hat. Dana ist eine attraktive junge Frau, schlank, mit einem schönen Körper. Sie weiss, dass sie die Männer damit anzieht und hat auch schon einige Erfahrungen in dieser Richtung gesammelt. Zurückblickend auf ungefähr vier Jahre Sex, fasst sie zusammen:

Dana: Ich hatte Sex mit einigen Liebhabern und einen Seitensprung, mal befriedigend, doch öfter auch nicht. Alle meine Partner waren technisch gut drauf. Mein derzeitiger Partner jedoch toppt das Ganze. Es ist nicht so, dass ich keinen Orgasmus hätte, er ist gut, aber … ich schäme mich das zu sagen, ich komme nicht auf die übliche Weise …

Ich: Übliche Weise?

Dana: Ja, du weisst schon, klitoral oder vaginal.

Ich: Wie denn?

Dana: (Ist ihr peinlich.) ... Ok, als ich etwa 13 Jahre alt war, lud ich ein Musikvideo herunter. Ich dachte es wäre Musik und als ich es öffnete war es ein Pornostreifen mit DP (engl. double penetration), also mit zwei Männern und einer Frau, welche von vorne und von hinten gleichzeitig genommen wurde. Ich hab ihn natürlich angeschaut und seit dem scheint das mein «Standard» zu sein, wenn es darum geht zu kommen, aber irgendwie fühle ich mich nicht richtig dabei und vor allem, ich mag nicht mehr.

Ich: Was meinst du mit: «Ich mag nicht mehr?»

Dana: Es fühlt sich nicht richtig an und das letzte Mal, na ja, fing ich an zu weinen und ich wusste noch nicht einmal warum, aber ich fühle, dass etwas definitiv falsch läuft.

Ich: Hast du das Gefühl, dass es mit der Art des Sex zu tun hat, dass es für dich nicht mehr stimmt oder etwas fehlt?

Dana: Ich denke schon, dass es mit der Art zu tun hat. Es fühlt sich nach einigen Malen einfach so leer an, so wie wenn ich einen Porno schaue und danach bleibt zwar ein körperlich entspanntes, aber auch irgendwie ein trauriges, unerfülltes Gefühl zurück. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber es fühlt sich nicht richtig an und wenn ich daran denke, dass ich erst 20 bin und es jetzt schon nicht mehr geniessen kann ... was mache ich in ein paar Jahren?

Ich: Dasselbe wahrscheinlich wie viele der Frauen, mit denen ich gesprochen und die ihre 40 Jahre bereits überschritten haben. Sex wird für dich eine lästige Nebensache. Und wenns ganz schlimm kommt, dann hast du vielleicht Kopfschmerzen und dein Mann geht fremd, bis ihr euch getrennt oder arrangiert habt. Eine andere Möglichkeit wäre, dass du dir jetzt überlegst, was du ändern könntest.

Dana: Ich mache mir ja schon Gedanken, aber ich komm nicht drauf? Ich meine, welche anderen Möglichkeiten mit einem Mann zusammen zu sein haben wir denn? Es gibt sicherlich nicht viele Männer, die einfach mit einer Frau zusammen sein wollen ohne den gewohnten Sex. Zumindest habe ich das so erlebt und ich bin keine Ausnahme. Also, was tun?

Ich: Brauchst du denn dein Kopfkino noch, sprich diese Pornosequenzen, die du irgendwann mal angeschaut hast, um dich heute auf Touren zu bringen oder zum Orgasmus zu kommen?

Dana: Ja, nicht immer und bei meinem derzeitigen Partner läuft es ja fast so ab wie in den Filmen, ausser, dass ich da die Hauptdarstellerin bin. Aber auch hier merke ich, dass mein Kopfkino, wie du es nennst, öfter mitspielt, manchmal auch nervt, aber ja, es ist da.

Ich: Kannst du dir vorstellen, ohne das Kopfkino und das Wissen um die Szenen der Pornos, Sex mit deinem Partner zu haben?

Dana: Im Moment schwierig, ich bin es so gewohnt und wie schon gesagt, die DP-Szenen sitzen ganz vorne in meiner Erinnerung.

Ich: Du bist 20, hattest einige Erfahrungen aber du stehst immer noch am Anfang mit Aussicht auf etwa 60 Jahre mehr Sex … ich denke du hast eine gute Chance, einen anderen Weg einzuschlagen. Frauen 40plus haben es da nicht so einfach, weil doch einiges an Jahren, mit meist unbefriedigendem Sex, abzubauen sind. Sie liessen es zu und bevor sie sich versahen, waren die Jahre ins Land gezogen und die Lust verging. Oft ohne es weiter zu beachten oder ohne böse Absicht ihrer Partner. Sie wissen es einfach nicht besser und finden sich damit ab, dass Sex ab 40zig sowieso nicht mehr so wichtig ist. Das war schon bei ihren Müttern und Grossmüttern so. Ein Teufelskreis.

Dana: Was soll ich also tun?

Ich: Als Erstes schlage ich vor, überlegst du dir, ob du mit deinem Partner darüber sprechen kannst. Kannst du ihm klar machen, dass du bei dem «normalen» Sex, wie er ihn gewohnt ist, keine wirkliche Befriedigung mehr findest?

Dana: Ich kann es versuchen, aber er ist sehr von sich überzeugt.

Ich: Gut, dann solltest du dein Kopfkino, Schritt für Schritt reduzieren, die Emotionen und die Geilheit, die du damit verbindest auf null bringen. Das heisst, du fühlst keinen Trieb mehr, wenn du daran denkst, und die Bilder verlieren ihre Kraft, sie machen dich nicht mehr an. Das können wir mit der ebf-Methode unterstützen und schneller erreichen. (Die ebf-Methode ist eine von mir entwickelte Methode um starke Emotionen von unangenehmen Erlebnissen abzukoppeln.)

Dana: Das können wir gerne machen. Ich überlege gerade, dass ich eigentlich gar nicht weiss, wie ich mich anfühle ohne Kopfkino. Du hast doch einmal davon gesprochen, dass es auch eine Variante gibt, mit viel Zeit und Gefühl für einander … klingt sehr romantisch, aber ich kann mir das gar nicht vorstellen. Mein Partner meinte dazu nur: «Das machen wir doch schon …» Machen wir meiner Meinung nach nicht, aber er hat den Eindruck, dass die Dauer und die Reizpunkte alleine massgebend sind.

Ich: Sex oder Sinnlichkeit und Erotik ist keine reine Kopfsache. Doch wurde sie durch die heute einfach verfügbaren Pornoangebote auf ein Minimum reduziert, nämlich den rein biologischen, körperlichen, visuellen und triebhaften Aspekt. Auch versuchen Wissenschaftler uns klar zu machen, dass Sex im Kopf beginnt. Ich bin der Meinung, ihre Gehirnscans zeigen nur, was bereits schon als Konditionierung vorhanden war, und die Pornoindustrie fördert das Kopfkino, welches dann den Körper auf unnatürliche Weise stimuliert und manipuliert. Da schliesst sich dann wieder der Kreis und die Wissenschaftler fühlen sich bestätigt. Der Mensch, ob Mann oder Frau, ist aber in erster Linie ein fühlendes Wesen. Das bedeutet, wir spüren zuerst, ob unser Körper bereit ist und ob unser Gegenüber dazu eine positive «Rückmeldung» in Form eines angenehmen Gefühls sendet. Wir sind nur trieb- oder kopfgesteuert, wenn dieser Teil beim Sex zu wenig Beachtung und Wertschätzung findet. Es «verhungert» ein Teil von dir, und Frauen spüren dieses Verhungern viel schneller als Männer. Da bleibt noch einiges unerwähnt, aber für dich schlage ich vor, die Veränderungen Schritt für Schritt vorzunehmen. Sie werden auch deine Beziehung verändern, in welche Richtung ist jetzt noch offen, aber dein Ziel sollte es sein, dich selbst besser oder vielleicht zum ersten Mal als sinnliches Wesen kennenzulernen.

Dana: Ok, daran möchte ich arbeiten und ich fühle mich jetzt auch etwas erleichtert, denn ich habe zumindest darüber gesprochen. Natürlich habe ich auch mit meinem Partner geredet, aber er weiss nicht mehr, als er selbst in diesen Filmchen gesehen hat und spricht mit niemandem darüber. Es scheint kein Gesprächsthema unter den Jungen zu sein. Man hat einfach geilen Sex und fertig. Wie sollen wir da weiterkommen und eine Alternative finden?

Ich: Gut, dann lassen wir die Zeit arbeiten und sehen, was sie uns bringt. Viele Frauen ahnen nur, dass es schöner sein könnte als nur ein kurzes Abreagieren. Durch mangelnde Zuwendung kommen sie nicht richtig (ehrlich) in Fahrt und können sich selbst dadurch nie wirklich erfahren. Da die meisten Männer sich keine Gedanken darüber machen, werden beide irgendwann gefrustet und desillusioniert sein. Frauen meistens früher, Männer sicherlich in späteren Jahren.

Die Geschichte von Dana ist keine Einzelgeschichte. Viele Frauen reagieren auf diese Weise. Was mich aber im besonderen schockiert ist die Tatsache, dass die jungen Menschen bereits so abgestumpft und abgebrüht zu sein scheinen, wie die Darsteller der Pornos, die es ihnen vorleben. Das Gefühl für eine Frau, einfach nur körperlich gebraucht zu werden, führt früher oder später zu Frust oder Depression. Die Männer wissen oft nicht warum dies so ist und lenken sich selbst ab, mit Fremdgehen oder Selbermachen. Es ist erniedrigend, nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer, sich eingestehen zu müssen, dass alles was man darüber wusste oder gelernt hatte, weder einem selbst noch dem Partner bzw. der Partnerin auf Dauer Freude macht.

Offen darüber sprechen kann Mann und Frau oft auch nicht, und darum bleiben die «Sexleichen» im Keller begraben. Die Partner arrangieren sich noch eine Weile, und wenn sie kein Glück haben oder keinen Ausweg sehen, dann erreichen sie das 50. Lebensjahr und haben genug vom Sex.

Dabei wäre Sex richtig erlebt und gelebt ein Jungbrunnen für beide. Aber, und das müssen wir uns klar machen, weder die kirchlichen noch die pornomässigen Vorlagen und Vorgaben einer gelebten Sexualität werden dem gesunden Menschen gerecht. Wie sonst sollte man erklären, dass man in den Generationen 40plus so viele unzufriedene und unbefriedigte Männer und Frauen findet? Ich habe da einige Antworten und werde dir diese nach und nach vorstellen. Sicher ist aber eines, dass die sogenannte «sexuelle Freiheit», welche die 68er propagiert hatten, für die Zustände heute mitverantwortlich sind. Es sind unsere Kinder, oder auch schon Enkelkinder, die einer Pornoversion von Sex nachhängen und noch viel schneller als wir auf den Frustgraben zusteuern.

Wollen wir das wirklich mitansehen ohne unseren Anteil an diesen Zuständen je zu hinterfragen?

Shame oder Schande ist ein hartes Wort und was wir damit verbinden, lässt uns öfter schweigen als sprechen. Es ist vielleicht an der Zeit, das Wort Schande genauer unter die Lupe zu nehmen und den Inhalt von einer anderen Warte aus zu betrachten.


... Ich empfehle dir, dich selber zu beobachten, während du diese Geschichten liest. Wenn du dich ertappst, dass du dich schämst, dann wird es vielleicht Zeit, dass du dir Gedanken über dein Leben und deine Einstellungen machst. Nichts ist falsch oder eine Schande. Verhalten wir uns jedoch entgegen unser besseres Wissen und Fühlen, sind es diese Emotionen, die uns wieder auf den richtigen Weg bringen wollen. Weg vom Pannenstreifen und zurück zur normalen Fahrbahn in unserem Leben.

21 Shades of Shame

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