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Freitag, 24. August

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Es ist jetzt halb acht Uhr am Morgen. Ich liege noch verschlafen in meinem Bett und döse vor mich hin. Weil unsere Hündin mich in der Nacht ein paar Mal wach gemacht hat, bin ich noch nicht bereit aufzustehen.

Mit einem Mal schießt es mir durch den Kopf: Heute geht es ja los, heute ist es endlich so weit, heute geht es auf den Jakobsweg von Porto nach Santiago de Compostela und weiter zum Cap Finisterre – „ans Ende der Welt“! – Worauf lasse ich mich da ein?

Ich habe mit einem Mal Bedenken, ob ich das alles auch bewältigen werde und bekomme Bauchschmerzen. Werde ich die körperlichen und psychischen Anstrengungen aushalten?

Wie reagiere ich, wenn ich die nur wenigen Sachen vielleicht mal nicht waschen kann und mehrere Tage müffelnd vor mich hin laufen muss? Und wie sieht es aus mit dem Verzicht auf Bequemlichkeit und gewissen Luxus? (Das „Monchen“ ist nämlich etwas verwöhnt!)

All das will ich herausfinden, das ist der eigentliche Grund! Ich will mich testen!

Einmal wirklich raus aus der Betriebsamkeit und der Hektik des Alltags, sich die Dinge bewusster machen, und sich dabei auch mal ein bisschen treiben lassen.

In Gedanken gehe ich noch einmal meine Reiseliste durch. Habe ich auch alles eingepackt und nichts vergessen? Ich wusele dabei etwas geistesabwesend durch die Wohnung. Die Blumen werden noch einmal gegossen. Das Essen, das ich vorgekocht habe, ist portioniert eingefroren und reicht bestimmt für sechs Wochen.

Hundefutter ist auch da. Es wird schon keiner verhungern und mein lieber Mann Herwig wird auch einmal ein paar Tage ohne mich klarkommen.

Ungeduldig und zunehmend nervöser warte ich darauf, dass wir um dreizehn Uhr die Wohnung verlassen und Jürgen und Rosi abholen. Unser zuverlässiger Sohn Mario ist auch pünktlich zum „Tschüss“ sagen gekommen. Herwig fährt uns alle zum Flughafen Schönefeld.

Um nicht sentimental zu werden, sagen wir uns dort ziemlich schnell Lebewohl und gehen rasch durch die Sicherheitskontrollen.


Beim Einchecken haben wir Glück und dürfen unsere Rucksäcke als Handgepäck mit in die Maschine nehmen. Das ist uns lieber, weil wir ja in Lissabon noch zwischenlanden werden. So haben wir gleich alles bei uns. Natürlich müssen wir dann doch noch unsere Rucksäcke öffnen. Der nette Zollbeamte will nachsehen, wo wir irgendwelche Plastikflaschen haben, und in welcher Größe wir sie mitführen.

Ein Blick in den jetzt etwas durchwühlten Rucksack und alles ist okay. Jürgen wird allerdings sein Taschenmesser los, weil die zugelassene maximale Klingengröße von neun Zentimetern überschritten wird.

Er kann sein Messer nach seiner Rückkehr wieder abholen.

Dann begeben wir uns in den Flieger, der auch planmäßig startet.

Herrlich ist es, in 11.000 Metern über den Wolken zu schweben! Vieles verliert doch hier oben an Bedeutung, alles wird – frei nach Reinhard Mey –: „… wirklich nichtig und klein.“ –

Bis auf ein wenig Ohrenschmerzen im linken Ohr war der Flug hierher nach Lissabon ganz gut. Auf einem Monitor haben wir verfolgen können, wo wir uns bereits befinden.

Die Ohrstöpsel, zu denen mir mein Sohn geraten hat, haben wirklich geholfen. Auch die Nasentropfen zum Abschwellen, die mir der Apotheker empfohlen hat, haben ihre Wirkung nicht verfehlt, und ich hatte nicht – wie sonst – so einen fürchterlichen Druck auf den Ohren.

Wir sitzen jetzt auf dem Flughafen von Lissabon und warten auf den Anschlussflug nach Porto. Dort soll es regnen.

Na toll!

Ich bin schon ziemlich müde, denn der Tag war lang.

Micki, unsere Jack-Russell-Hündin, hatte mich nämlich schon um halb fünf aus dem Bett geholt. Sie musste dringend Gassi gehen und wollte unbedingt in Ruhe schnüffeln. Richtig schlafen war da hinterher nicht mehr so wirklich drin.

Ich frage mich jetzt die ganze Zeit, was ich von meinen Sachen aus dem viel zu schweren Rucksack eventuell wegwerfen könnte. Zirka siebeneinhalb Kilogramm schleppe ich mit mir mit. Für meine Größe und mein Gewicht ist das ziemlich viel.

Aber zu Anfang brauche ich doch alles, wegwerfen kommt erst später dran, zum Ende der Reise. Ich habe schon extra eher ältere Kleidung mitgenommen, von der ich mich später eventuell trennen kann.

Jürgen bietet mir an, dass er noch etwas bei sich verstauen würde. Ich gebe ihm dankbar etliche Müsliriegel, und meine alten weißen Turnschuhe kann er auch noch bei sich im Rucksack unterbringen. So habe ich schon bestimmt ein halbes Kilo weniger Last zu tragen. Das macht doch ganz schön was aus, man sollte es nicht glauben! –

Der Flug nach Porto verzögert sich. Zuerst saßen wir ewig lange im Flughafenbus, der uns zur Maschine bringen sollte, und dann dauerte es nochmals gut eine Dreiviertel Stunde ehe wir abfliegen konnten.

In Portugal angekommen gilt es, erst einmal unsere Uhren wegen der Zeitverschiebung um eine Stunde zurückzustellen. Vom Flughafen in Porto müssen wir noch in die Bahn umsteigen, um in die Innenstadt in unser Hotel zu gelangen.

Wir stellen uns ziemlich blöd bei den Fahrkartenautomaten an und müssen jemanden fragen. Ein Bahnangestellter ist sehr nett und geduldig. Er erklärt uns alles mehrmals in Ruhe. Solches Personal würde man sich für unsere Berliner Verkehrsbetriebe wünschen, das verliert doch mit wenigen Ausnahmen schnell die Geduld und wird schnippisch. Der Bedienstete hier muss auch denken: Was für dumme Berliner, kommen aus einer Großstadt und stellen sich so an!

Wir bewundern den schönen, ziemlich neuen und sehr gepflegten Bahnhof und die Sauberkeit überall.

Der Zug kommt bald, wir fahren die zirka zwölf Stationen und müssen noch ein paar hundert Meter laufen. Die Straßen sind zwar nass, aber es regnet nicht. Die Luft ist angenehm lau und riecht sommerfrisch.

Unser Hotel befindet sich in einer kleinen Nebenstraße. Als ich mir so die Fassade ansehe, bezweifele ich, dass sich dahinter ein seriöses Etablissement befindet. Jürgen geht mutig vor. Aber es ist alles okay, für meine Begriffe etwas zu plüschig und mit sehr vielen künstlichen Blumen, aber tipptopp.


Freundlich werden wir um ein Uhr nachts begrüßt, bekommen mitten in der Nacht von der Besitzerin noch ein Glas Portwein zur Begrüßung, und dann schleichen wir aufs Zimmer im zweiten Stock. Der Raum hat etwa die Größe einer Gefängniszelle, vielleicht so neun Quadratmeter, ist aber sauber und ordentlich und mit Dusche/WC.

Ich dusche noch den „Reiseschmutz“ ab und falle dann, zu keinen weiteren Gesprächen mehr bereit, halb tot ins Bett.

Gute Nacht!

Langsam kommt man auch ans Ziel

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