Читать книгу Businessplan Mord - Monika Mansour - Страница 10
Оглавление#3DER LANGE WEG VOM LEEREN PAPIER ZUM GEDRUCKTEN BUCH
Die Grundlage für das Schreiben ist das Schreiben. Ohne diese geht es nicht. Wer sich das Sitzleder zum Schreiben nicht anlegt, hat den ganzen langen Prozess des Plottings, des Handlungsaufbaus, vergeudet. Die Metapher vom Hausbau ist hier passend. Soviel Freude es macht, ein Haus zu planen und zu entwerfen, man kommt nicht darum herum, Backstein über Backstein in harter Arbeit aufeinanderzuschichten, bis die Mauern stehen. Zudem nagt die Hypothek am Bankkonto. Doch man hat erst einen nackten Rohbau und kann noch lange nicht einziehen und es sich vor dem Fernseher auf dem Sofa gemütlich machen. Der Rohbau will verputzt werden. Man muss sich um die Details kümmern: Fenster und Türen einsetzen, die Fassade streichen, Regenrinnen anbringen, den Blitzableiter montieren. Und sieht das Haus von außen schmuck und fertig aus, macht man sich ans Innere. Uff, da gibt es noch viel zu tun: Böden verlegen, Küche einbauen, Gardinen nähen, Möbel zusammenbauen und Bilder aufhängen.
Genauso verhält es sich, wenn man ein Buch schreibt. In die Aufregung, Spannung und Vorfreude mischt sich viel Arbeit und ein Bankkonto, das vorerst nicht gefüttert wird. Ständig hängt etwas schief oder passt nicht zusammen. Man entdeckt im Rohbau Konstruktionsfehler und muss ganze Mauern wieder einreißen. Ist man fertig und will das Haus nicht für sich alleine nutzen, sondern daraus Kapital schlagen, muss man sich von dem trennen können, was man in monatelanger Arbeit errichtet hat. Doch das erweist sich oft als fast unmöglich. Denn die Straße steht voller unverkaufter Häuser. Einen Käufer zu finden, ist noch schwerer, als das Haus zu bauen. Nur allzu oft begegnet man Traumhäusern, die einsam verfallen. Und noch häufiger sieht man unvollendete Rohbauten. So ist die Realität als Buchautor. Um auf die Metapher zurückzugreifen, selbst wenn man das Haus – oft unter seinem Wert – verkaufen kann, so ist die Chance, dass ein Holly-woodstar einzieht und das Haus mit Glamour füllt, sehr gering. Rauschende Partys, die sich weltweit herumsprechen, werden wahrscheinlich keine darin gefeiert. Auch die Zeit wird rasch an der Fassade nagen und bald schon ist es einfach ein unscheinbares Reihenhaus, das in der Masse untergeht.
Ich habe ganz unbeschwert und naiv angefangen zu schreiben. Meine Aufsätze in der Schule waren seitenlang und die Stunde immer zu früh um. Schon als Kind nahm ich an einem Schreibwettbewerb teil. Mit dreiundzwanzig wagte ich mich an ein Drehbuch. Es ist 157 Seiten dick geworden, sorgfältig auf der Schreibmaschine getippt. Und blieb unverfilmt …
Dann kam der Computer. Eine Revolution in Sachen Schreiben. Diesmal sollte es ein Buch werden, ein Thriller, ein Bestseller – Drehbücher ließen sich ja schlecht verkaufen. Ich hatte einen tollen Anfang im Kopf, tolle Figuren entworfen, ein tolles Thema aufgegriffen – und legte los. Es sprudelte nur so aus mir heraus. Ich schrieb fast täglich, schrieb und schrieb. Irgendwann war ich auf Seite 300 und hatte komplett die Übersicht über meine Story verloren. Die Figuren entfremdeten sich von mir und gingen ihre eigenen Wege. Frustriert warf ich das auf Minidiscs gespeicherte Projekt in eine Schublade und beschloss, das Schreiben aufzugeben. Ich kaufte mir eine Geige und nahm Unterricht.
Sechs Jahre sollten vergehen, bevor mich das Schreibfieber wieder erwischte. Mittlerweile war ich verheiratet und hatte gerade unseren Sohn geboren. Ein halbes Jahr Mutterschaftsurlaub lag vor mir. Und ein Baby, das brav trank und schlief. Ich hatte plötzlich unendlich viel Freizeit. Vielleicht war auch die Tatsache, dass ich zu Hause viel Zeit zum Nachdenken hatte, der Grund. Meine Fantasie erwachte aufs Neue. Während des Stillens konnte ich wunderbar tagträumen. So eine herrliche Ruhe hatte ich lange nicht erlebt. Die Jahre davor bestanden aus Arbeiten im Gastgewerbe oder am Flughafen, an Orten, wo Lärm, viele Menschen und Hektik einem keine innere Ruhe gönnen.
Es war also Herbst 2006, als ich mich wieder an den Computer setzte. Diesmal las ich aber vorher englische Fachliteratur übers Schreiben und baute meine Story sorgfältig auf. Ich kannte das Ende und plante jede Szene voraus. Dann begann ich zu schreiben. Fast täglich. Nach fünf Jahren war ich mit meinem Manuskript zufrieden. 800 Seiten waren es geworden. Ich gab ihm den Arbeitstitel Drachenkinder und schickte Exposé sowie eine Textprobe zuerst an verschiedene Agenturen. Denn ohne Agentur hat man heute bei den mittleren bis großen Verlagen kaum eine Chance. Darauf werde ich später aber noch eingehen.
Ich war zuversichtlich, von meinem Thriller begeistert. Meine Schwester, die sonst eher keine Bücher liest, hatte ihn verschlungen und gesagt, es sei das beste Buch, das sie seit Langem gelesen habe. Soll doch was heißen, dachte ich, und wartete auf den ersten positiven Bescheid einer Agentur.
Die Tage und Wochen zogen sich hin. Dann trudelten die ersten Antworten ein. Absage um Absage. Eine einzige Agentur forderte das gesamte Manuskript ein. Meine letzte Hoffnung. Aber auch hier eine Absage. Meist war die Begründung, wenn es denn überhaupt eine gab, dass der Schreibstil ganz gut sei, die Story aber noch unausgereift, die Figuren stereotyp und 800 Seiten zu lang für einen Erstling. Außerdem sei es schwierig, den Verlagen ein Manuskript vorzustellen, das eine Schweizer Autorin geschrieben hat, die Handlung aber in London spielt. Auch würden Thriller von den Verlagen oft lieber aus Amerika eingekauft als von deutschsprachigen Autoren herausgegeben. Und als Frau hätte ich im Thrillergenre sowieso das Nachsehen.
Das war der Weltuntergang!
Ich hatte alles, aber auch alles falsch gemacht.
Ich war total entmutigt, sodass ich das Manuskript nicht einmal mehr an Verlage einschickte, wenn ich es schon bei den Agenturen nicht schaffte …
Aber ich bin auch ein Trotzkopf, so im Stil «Euch werde ich es schon zeigen!». Und ich kann aus Fehlern lernen, eine wertvolle Eigenschaft, wenn man Autor werden will. «Ihr wollt nur 300 Seiten? Ihr wollt lieber einen Krimi, weil der sich besser als ein Thriller verkaufen lässt? Ihr wollt eine Geschichte, die an Orten spielt, die ich als Autorin gut kenne? Ihr wollt keine stereotypen Figuren? Bitte schön. Ich bringe euch den Luzerner Ermittler Cem Cengiz!»
Ich verschlang weitere Schreibratgeber, baute meinen ersten Kriminalfall sorgfältig, Szene um Szene, auf und setzte mich voller Enthusiasmus vor den Computer. Ein Jahr später war ich mit meiner Fassung von Liebe, Sünde, Tod zufrieden und sandte sie an einen Schweizer Schreibwettbewerb ein. Der Sieger durfte sein Manuskript als Buch veröffentlichen. Ich war zuversichtlich. Sehr zuversichtlich.
Und wurde enttäuscht.
Zum Glück gab ich nicht gleich auf. Ich schickte das Manuskript an einen kleinen Schweizer Verlag und an die drei Agenturen, denen Drachenkinder ganz gut gefallen hatte.
Drei Absagen kamen.
Und ein «Vielleicht», wenn ich bereit wäre, noch an dem Manuskript zu arbeiten.
Ich überarbeitete meinen Text noch gefühlte hundert Mal, bevor die Agentur zufrieden war und mir einen Agenturvertrag anbot. Endlich war ich auf dem richtigen Weg! Achtzehn Jahre waren vergangen, seit ich das Drehbuch geschrieben hatte.
Ich dachte, mit dem Erscheinen meines ersten Krimis Liebe, Sünde, Tod sei ich am Ziel angelangt. Tatsächlich war das aber nur eine kleine Wanderung zum Fuß des Berges gewesen. Denn bald wurde mir bewusst, dass mir der eigentliche Aufstieg noch bevorstand. Und das würde ein sehr langer und sehr steiniger Weg werden. Ein Weg, auf dem ich auch heute noch fast täglich Fuß vor Fuß setze und hoch zum Gipfel blicke, den nur die wenigsten Autoren je erreichen. Doch wenn ich von meinem Weg hinunter ins Tal schaue, atme ich oft kurz durch und genieße die Aussicht. Dann sage ich mir, wow, so weit bin ich schon gekommen.