Читать книгу Die Körpersprache der Lügner - Monika Matschnig - Страница 32
Warum Männer und Frauen lügen
ОглавлениеWas das Lügen angeht, gibt es tatsächlich Geschlechterunterschiede. Frauen lügen mehr für andere, Männer mehr für sich selbst. Weibliche Flunkereien sorgen für eine größere Sozialverträglichkeit, sie gleichen aus und sorgen für Harmonie. Diese sozial verträglichen Lügen verhindern Konflikte, Aggressionen und sorgen für den Zusammenhalt einer Gruppe. Frauen möchten tendenziell ihren Partner, Freund, Kollegen oder auch Fremde nicht verletzen, weil die Wahrheit manchmal schließlich ganz schön wehtun kann.
Männer hingegen lügen, wenn es um Macht, Ruhm, Sex und Geld geht. Sie nutzen Lügen als Ego-Booster. Warum? Liegt es an ihrer Unsicherheit, die sie ungern zeigen wollen? Die Sorge, nicht gut genug zu sein? An beidem.
80 Prozent der alleinstehenden Männer und Frauen sehen Ehrlichkeit als die wichtigste Eigenschaft ihres Wunschpartners an. 10
Übrigens: Wenn Frauen verliebt sind, dann lügen sie auch häufig, um sich selbst zu beweihräuchern. Ihr Ziel ist es dann, dem Partner ein tolles Bild von sich zu vermitteln.
Besonders in der Verliebtheitsphase wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Auch wenn für viele Ehrlichkeit eine hohe Tugend ist, freuen wir uns doch über verliebte Schummeleien. »Du bist die schönste Frau der Welt« lässt uns strahlen, obwohl wir wissen, dass es so etwas wie Topmodels gibt. »Nein, deine Haare auf dem Rücken stören mich gar nicht« – dabei ist klar, dass das für die meisten Frauen der pure Abtörner ist. Solche charmanten Flunkereien gehören zu einer romantischen Beziehung dazu und tun allen Beteiligten gut – bis zu einem gewissen Punkt. In der Anfangsphase einer Partnerschaft sind beide bereitwillige Opfer und zugleich Täter des Betrugs. Irgendwann können uns diese Lügen jedoch einholen, wenn eine bestimmte Grenze überschritten wird. Sind die Täuschungen zu gravierend, wird man schnell als Hochstapler wahrgenommen. Wie etwa jemand, der sich als Weinkenner ausgibt und dann nicht mal zwischen Merlot und Chianti unterscheiden kann. Oder jemand, der vorgibt, Veganer zu sein, sich aber hinter dem Rücken des anderen gerne mal ein saftiges Steak gönnt. Solche Mogelpackungen fliegen irgendwann unweigerlich auf und sind gerade zu Beginn einer Beziehung ein grober Vertrauensbruch.
In einer langlebigen Partnerschaft sind kleine Lügen die Würze der Beziehung. Zur Liebe gehört die kluge Unaufrichtigkeit dazu.
Wird aus dem Verliebtsein Liebe, dann verstärkt sich ohnehin der Drang nach Ehrlichkeit. Mitte des letzten Jahrhunderts, 1957, empfahl der Ratgeberautor Ernst Aranus Ehefrauen: »Teilen Sie Ihrem Mann auch nie Ihre Gedanken und Empfindungen mit; reden Sie nie zu viel und formen Sie das, was Sie sagen, mit kluger Voraussicht.«11 Dazu gab es die explizite Aufforderung: »Verwende in der Ehe die 4 Vs: Verberge, Vertusche, Verleugne und Verdrehe.« Heute wären solche Ratschläge undenkbar. Doch die Folge der modernen Ehrlichkeit ist, dass wir an Lebenspartnerschaften völlig überzogene, unrealistische Ansprüche stellen. Ein wenig an den 4 Vs festzuhalten ist also durchaus sinnvoll und oftmals weniger verletzend.
In einer längeren Partnerschaft achten beide Partner meist automatisch darauf, Vorwürfen zu entgehen. »Schatz, ich stecke im Verkehr«, obwohl die Wahrheit lautet: »Ich hab ganz spontan noch mit meinem Kumpel ein Feierabendbierchen getrunken.« Eine beliebte Frauenlüge: »Der Kaschmir-Pulli war ganz günstig«, um den Vorwurf zu vermeiden: »Du hast doch schon sechs ganz ähnliche Pullis.«
Keine Frage, es gehört viel Mut dazu, dem Partner zu gestehen, warum man ihn belogen hat. Notwendig sind solche Aussprachen aber definitiv vor allem bei schwerwiegenden und verletzenden Unaufrichtigkeiten, denn sonst können diese seelische Narben beim anderen hinterlassen und sogar der körperlichen Gesundheit schaden.
Der Psychologe Hans-Werner-Bischoff sieht Ehrlichkeit als ein zweischneidiges Schwert an: »Einerseits wird Ehrlichkeit, Offenheit und Verlässlichkeit von den Partnern als tragende Säule einer Beziehung angesehen. Auf der anderen Seite wäre es für alle Beteiligten unerträglich, wenn jeder Gedanke ausgesprochen werden würde.«12 Im Zweifel aber plädiert auch er für die Ehrlichkeit.