Читать книгу Calisthenics X Mobility 2.0 - Monique König - Страница 29
2.1.1WAS DU NICHT BENUTZT, VERLIERST DU
ОглавлениеManche Menschen zahlen ihn früher, manche später. Unsere Degenerationsgesellschaft ist darauf getrimmt, mit so wenig Bewegung und so viel Komfort wie möglich zu leben. Aufzüge, die eigentlich für die Menschen gedacht sind, die durch körperliche Einschränkungen darauf angewiesen sind, verkommen zum einfachen Weg für die Faulen, der Menschen näher dahin bringt, irgendwann auch auf einen Aufzug angewiesen zu sein.
Wo wir noch als kleine Kinder im Sandkasten in der Hocke spielen, können manche Jugendliche schon keine Rolle vorwärts mehr. Die Kniebeuge ist ein perfektes Beispiel für das Verlieren von körperlichen Fähigkeiten, wenn wir diese nicht mehr benutzen.
Der Satz „use it, or lose it” („Benutze es oder verliere es”) ist zwar sehr populär geworden durch Bücher wie Sitzen ist das neue Rauchen. Dennoch sind wir uns meistens nicht bewusst, wie groß das Ausmaß unserer Einschränkung wirklich ist, bis wir diese Fähigkeit auf einmal wieder brauchen.
Nehmen wir die Kniebeuge als Beispiel. Die Hocke (quasi eine isometrische Kniebeuge) ist eine Bewegung, die jedes Kleinkind beherrscht. Im Kindergarten bekommen wir nette, kleine Stühlchen, damit wir am Tisch sitzen können. Dort beginnt unsere Karriere als hauptberufliche Sitzer.
Je größer wir werden, desto seltener benutzen wir die Knie und die Hüfte, um unter die 90° zu kommen, die uns unser Stuhl vorgibt. Wir kommen im nächsten Kapitel noch darauf zu sprechen, warum wir uns als Erwachsene nicht unbedingt an Kleinkindern orientieren können, wenn es um die Hüftbeweglichkeit geht.
Vorher schauen wir einmal kurz nach Asien oder Osteuropa. Dort ist es Usus, dass man in der Kniebeuge sitzt, wartet, auf dem Boden isst. Ido erzählte auf dem Seminar von seiner Reise nach Asien. Er saß in einem Café gegenüber von einer Bushaltestelle. Dort saß ein älterer Mann, schätzungsweise 70 Jahre alt, in einer tiefen Kniebeuge, eine Zigarette rauchend.
In dem Dorf kam der Bus alle 30 Minuten und der Mann wartete. Er erzählte, dass der Bus nach weiteren 20 Minuten kam und als Ido wieder zum Mann sah, saß der immer noch seelenruhig in der Hocke, stand gemütlich auf und stieg in den Bus.
Was klingt wie eine langweilige Beschreibung einer alltäglichen Situation in einem kleinen asiatischen Dorf, wird zu einer Tragikomödie, wenn man sich dieselbe Situation in Berlin vorstellt. Opa Bernd würde gar nicht erst in die Kniebeuge kommen, sondern mit seinem Rollator auf der Wartebank sitzen. Sein Enkel Tim kommt eventuell noch in die Hocke, jedoch würde er nicht mehr den Bus bekommen, wenn dieser vorfahren würde. Nachdem er 20 Minuten gewartet hat, wird Tim, im Versuch, aufzustehen, einfach der Länge nach hinten umfallen und erst mal nicht mehr hochkommen, weil seine Beine eingeschlafen sind.
Lange Rede, kurzer Sinn, mir und auch vielen meiner Klienten ergeht es lange Zeit so. Damit du deine Lernkurve verkürzen kannst, zeige ich dir auf den folgenden Seiten, wie ich, als stocksteifer Fußballer, eine tiefe Kniebeuge gelernt habe.