Читать книгу Arena Zwei - Морган Райс, Morgan Rice - Страница 7
ZWEI
ОглавлениеWir gehen schnell durch den Schnee, ich schaue ängstlich zu, wie der Himmel dunkler wird und spüre den Zeitdruck. Ich werfe einen Blick über meine Schulter, sehe meine Fußspuren im Schnee. Hinter ihnen Ben und Rose, die in dem schaukelnden Boot stehen und uns mit großen Augen beobachten. Rose drückt Penelope, die genau so viel Angst hat. Penelope bellt. Ich fühle mich schlecht, weil wir die drei zurücklassen, aber ich weiß, dass es für unsere Mission notwendig ist. Ich weiß, dass wir Material und Lebensmittel finden können, die uns helfen werden, und ich fühle, dass wir einen ordentlichen Vorsprung zu den Sklaventreibern haben.
Ich eile zu dem verrosteten, schneebedeckten Schuppen, reiße seine schiefe Tür auf und bete, dass der Lieferwagen, den ich vor Jahren hier versteckt habe, noch da ist.
Es war ein alter, verrosteter Pickup, der in den letzten Zügen lag, mehr Schrott als Auto, mit nur etwa einem Achtel vollen Tank. Ich bin eines Tages über ihn gestolpert in einem Graben an der Route 23. Dann habe ich ihn hier versteckt, vorsichtig unten am Fluss, für den Fall, dass ich ihn einmal brauchen sollte. Ich erinnere mich wie erstaunt ich war, als er sich tatsächlich noch bewegen ließ.
Die Tür des Schuppens öffnet sich mit einem Knarren, und da steht er, so gut versteckt wie an dem Tag, als ich ihn beiseite geschafft habe, immer noch mit Heu bedeckt. Mein Herz springt vor Freude und Erleichterung. Ich mache einen Schritt nach vorne, fege das Heu herunter und bekomme kalte Hände, als ich das eiskalte Metall berühre. Ich gehe zur Rückseite der Scheune und öffne das Flügeltor, Licht flutet herein.
„Nettes Fahrgestell", sagt Logan, geht an mir vorbei und prüft es. „Bist du sicher, dass es fährt?“
„Nein", sage ich. „Aber mein Elternhaus ist gut zwanzig Meilen entfernt, und wir können wohl kaum wandern.“
Ich kann an seinem Ton hören, dass er wirklich nicht auf dieser Mission sein möchte, dass er zurück im Boot sein will und weiter flussaufwärts fahren will.
Ich setze mich auf den Fahrersitz und suche den Boden nach dem Schlüssel ab. Schließlich ertaste ich ihn, weit hinten versteckt. Ich stecke ihn in der Zündung, atme tief ein und schließe die Augen.
Bitte, Gott. Bitte!
Zunächst passiert nichts. Meine Zuversicht schwindet.
Aber ich den Schlüssel immer wieder umdrehe, immer weiter nach rechts, beginnt der Motor langsam zu zünden. Erst ist es nur ganz leiser Ton, wie eine sterbende Katze. Aber ich halte durch, drehe wieder und wieder, und schließlich wird das Geräusch stärker.
Komm schon, komm schon!
Schließlich springt der Motor knatternd und stöhnend an. Er keucht und pfeift aus dem letzten Loch, aber er läuft.
Ich muss einfach lächeln vor lauter Erleichterung. Er funktioniert. Er funktioniert wirklich. Wir werden es bis zu meinem Elternhaus schaffen, meinen Hund begraben, Essen bekommen.
Ich habe das Gefühl, als ob Sascha zu uns herunterschaut, uns hilft. Vielleicht auch mein Vater.
Die Beifahrertür öffnet sich und Bree springt in den Wagen, sehr gespannt, und rutscht rüber auf den Sitz direkt neben mir. Dann steigt Logan neben ihr ein und schlägt die Tür zu, den Blick geradeaus gerichtet.
„Worauf wartest du noch?“ fragt er. „Die Zeit läuft."
„Das musst du mir nicht zu mir zweimal sagen", sage ich, ebenso kurz angebunden, zu ihm.
Ich legte einen Gang ein, trete aufs Gas, und wende aus dem Schuppen heraus in den Schnee und unter den Nachmittagshimmel. Zuerst bleiben die Räder im Schnee stecken, aber dann gebe ich mehr Gas, und wir stottern nach vorne.
Wir fahren und schleudern auf den abgefahrenen Reifen, über ein Feld. Es ist holprig, und wir werden immer wieder gut durchgeschüttelt. Aber wir kommen voran, und das ist alles, was für mich zählt.
Bald sind wir auf einer kleinen Landstraße. Ich bin so dankbar, dass der Schnee fast den ganzen Tag über geschmolzen ist, sonst würden wir es nie schaffen.
Wir nehmen Fahrt auf. Der Lieferwagen überrascht mich, er fährt ruhiger, nachdem er warm geworden ist. Wir fahren fast 60 Stundenkilometer, als wir die Route 23 in Richtung Westen nehmen. Ich gebe Gas bis wir über ein Schlagloch fahren, und ich es gleich bereue. Wir stöhnen alle, als wir unsere Köpfe anschlagen. Dann fahre ich langsamer. Es ist fast unmöglich die Schlaglöcher im Schnee zu sehen, und ich hatte vergessen, wie schlecht die Straßen geworden sind.
Es ist unheimlich, wieder auf dieser Straße zu sein, dorthin zurückzufahren, wo einst mein Zuhause war. Ich erinnere mich auch an die Straße, als wir die Sklaventreiber gejagt haben, die Erinnerungen kommen wieder hoch. Ich erinnere mich, wie ich sie mit dem Motorrad herunter gerast bin und dachte, ich müsste sterben. Und ich versuche diese Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen.
Als wir gehen, kommen wir an dem riesigen Baum vorbei, der umgefällt wurde und auf die Straße fiel. Jetzt ist er schneebedeckt. Ich erkenne ihn als den Baum, der gerade gefällt wurde, als ich weg musste. Jemand hatte ihn auf den Weg gekippt um die Sklaventreiber aufzuhalten, ein unbekannter Überlebenskünstler hier draußen, der auf uns aufpasst hat.
Ich frage mich, ob es jetzt noch andere Menschen hier draußen gibt, die überleben, vielleicht sogar uns beobachten. Ich schaue mich um, durchkämme den Wald mit meinen Augen, aber ich sehe keine Anzeichen.
Wir liegen gut in der Zeit, und zu meiner Erleichterung läuft nichts schief. Ich traue dem Frieden nicht. Es ist fast zu einfach. Ich schaue auf den Benzinstand und sehe, dass wir nicht viel verbraucht haben. Aber ich weiß nicht, wie genau die Anzeige ist und für einen Moment frage ich mich, ob wir auch genug Benzin haben, um wieder zurückzufahren. Ich frage mich, ob dieser Versuch nicht doch eine dumme Idee war.
Schließlich verlassen wir die Hauptstraße und bieten in eine enge, kurvige Landstraße, die uns nach oben in die Berge bringt, zu meinem Elternhaus.
Ich bin jetzt nervöser, als wir den Berg herauf kurven mit den steil abfallenden Klippen zu meiner Rechten. Ich schaue mich um und muss einfach feststellen, wie unglaublich schön der Blick ist, auf das komplette Gebirge von Catskill. Aber der Anstieg ist steil, und der Schnee ist höher, hier oben. Und ich weiß, dass der alte Rosthaufen mit einer falschen Drehung, einem ungünstigen Abrutschen, direkt über die Kante gehen kann.
Zu meiner Überraschung, liegt der Lieferwagen sicher auf der Straße, wie eine Bulldogge. Bald haben wir das Schlimmsten hinter uns, und als wir um eine Kurve fahren, sehe ich plötzlich unser ehemaliges Haus.
„Hey! Papas Haus!“ schreit Bree und setzt sich vor Aufregung auf.
Ich bin auch erleichtert, es zu sehen. Wir sind hier, und wir liegen gut in der Zeit.
„Siehst du,“ sage ich zu Logan, „das war doch nicht so schlimm."
Logan scheint allerdings nicht erleichtert zu sein, auf seinem Gesicht liegt ein nervöser Ausdruck.
„Wir haben es bis hierhin geschafft", schimpft er. „Noch haben wir es nicht zurück geschafft."
Typisch. Er weigert sich zuzugeben, dass er falsch lag.
Ich halte vor unserem Haus und sehe die alten Spuren der Sklaventreiber. Es bringt alle Erinnerungen zurück, die verzweifelte Angst, die ich fühlte, als sie Bree genommen hatten.
Ich lege einen Arm um ihre Schultern, drücke sie fest und bin entschlossen, sie nie wieder aus den Augen zu lassen. Ich mache den Motor aus, und wir alle springen aus dem Wagen und eilen auf das Haus zu.
„Tut mir leid, wenn alles durcheinander ist", sage ich zu Logan, als ich an ihm vorbei zur Haustür gehe. „Ich habe nicht mit Gästen gerechnet."
Trotz seiner schlechten Laune unterdrückt er ein Lächeln.
„Ha, ha", sagt er tonlos. „Soll ich meine Schuhe ausziehen?"
Er hat Sinn für Humor. Das überrascht mich.
Während ich die Tür öffne und eintrete, verliere ich meinen Sinn für Humor. Mein Herz bleibt stehen, als ich um mich schaue. Dort liegt Sascha, in ihrem getrockneten Blut, ihr Körper steif und gefroren. Nur ein paar Meter neben ihr liegt die Leiche des Sklaventreibers, der Sascha getötet hatte. Sein Körper ist ebenfalls gefroren und liegt ausgesteckt auf den Boden.
Ich schaue auf die Jacke, die ich trage -seine Jacke- die Kleider, die ich anhabe – seine Kleider -meine Stiefel -seine Stiefel, und das gibt mir ein seltsames Gefühl. Fast so, als wäre ich sein lebendiger Doppelgänger. Logan sieht zu mir und denkt das gleiche.
„Du hast nicht etwa seine Hose genommen?“ fragt er.
Ich schaue nach unten und erinnere mich, dass hatte ich es nicht getan. Das war zu viel.
Ich schüttle den Kopf.
„Dumm,“ sagt er.
Jetzt, wo er das sagt, merke ich, dass er Recht hat. Meine alten Jeans sind nass und kalt, und sie kleben an mir. Selbst wenn ich die Kleider nicht will, könnte Ben sie wollen. Es ist eine Schande sie zu verschwenden, immerhin sind sie vollkommen in Ordnung.
Ich höre unterdrückte Schreie und sehe Bree dort stehen und Sascha anschauen. Es bricht mir das Herz, ihr Gesicht so zu sehen, so zerknittert, während sie auf ihren ehemaligen Hund starrt.
Ich gehe zu ihr und lege einen Arm um sie.
„Es ist schon in Ordnung, Bree,“ sage ich. „Schau einfach weg.“
Ich küsse sie auf die Stirn und versuche sie wegzudrehen, aber sie schüttelt mich ab mit überraschender Kraft.
„Nein,“ sagt sie.
Sie geht nach vorne, kniet sich hin und umarmt Sascha auf dem Boden. Sie schlingt ihre Hände um ihren Nacken und küsst sie auf den Kopf.
Logan und ich tauschen einen Blick aus. Keiner von uns würde das tun.
„Wir haben keine Zeit,” sagt Logan. “Du musst sie begraben und einfach weiter machen.“
Ich knie mich neben sie und streichle Saschas Kopf.
„Alles ist in Ordnung, Bree. Sascha ist jetzt an einem besseren Ort. Sie ist glücklich, jetzt. Hörst Du mich?“ Aus ihren Augen rinnen Tränen, und sie steht auf, holt tief Luft und wischt sie mit dem Handrücken ab.
„Wir können sie nicht einfach so hier lassen“ sagt sie „wir müssen sie begraben.“
„Das werden wir,“ sage ich.
„Das können wir nicht,“ sagt Logan „der Boden ist gefroren“.
Ich stehe da und schaue Logan an, mehr verärgert als je zuvor. Besonders, weil ich merke, dass er Recht hat. Daran hätte ich denken sollen.
„Was schlägst du dann vor?“ frage ich.
„Das ist nicht mein Problem. Ich halte draußen Wache.“
Logan dreht sich um und geht nach draußen, wobei er die Haustüre hinter sich zuschlägt.
Ich wende mich wieder zu Bree und versuche schnell nachzudenken.
„Er hat recht,“ sage ich „wir haben keine Zeit um sie zu begraben“.
„NEIN!” heult sie. „Du hast es versprochen. Versprochen!”
Sie hat Recht. Ich habe es versprochen, aber ich habe die Sache nicht gründlich durchdacht. Der Gedanke, Sascha hier einfach so liegen zu lassen, bringt mich auch um. Aber ich kann auch nicht unsere Leben hier riskieren. Sascha hätte das nicht gewollt.
Ich habe eine Idee.
„Wie wäre es mit dem Fluss, Bree?”
Sie dreht sich um und schaut mich an.
„Wie wäre es, wenn wir ihr eine Wasserbestattung geben? Du weißt schon, so wie sie das für Soldaten machen, die einen ehrenvollen Tod gestorben sind.
„Welche Soldaten?“ fragt sie.
„Wenn Soldaten auf See sterben, werden sie manchmal im Meer beerdigt. Das ist eine ehrenvolle Bestattung. Sascha hat den Fluss geliebt. Ich bin sicher, sie wäre dort glücklich. Wir können sie mit nach unten nehmen und dort begraben. Ist das in Ordnung?“
Ich habe Herzklopfen, während ich auf ihre Antwort warte. Wir haben nicht mehr viel Zeit und ich weiß wie kompromisslos Bree sein kann, wenn ihr etwas wichtig ist.
Zu meiner Erleichterung nickt sie.
„In Ordnung,“ sagt sie „aber ich darf sie tragen.“
„Ich glaube sie ist zu schwer für dich.“
„Ich komme nicht mit, wenn ich sie nicht tragen darf,“ sagt sie, ihre Augen leuchten vor Entschlossenheit als sie vor mir steht, die Hände auf den Hüften. Ich kann an ihren Augen sehen, dass sie niemals nachgeben wird.
“Gut,” sage ich “du kannst sie tragen.”
Wir beide heben Sascha vom Boden auf, dann suche ich schnell das Haus ab nach allem, das wir für uns retten können. Ich eile zur Leiche des Sklaventreibers, ziehe ihm die Hose aus, und als ich das mache, fühle ich etwas in seiner Hosentasche. Ich bin glücklich überrascht, etwas Sperriges aus Metall zu finden. Ich ziehe ein kleines Springmesser heraus. Davon bin ich begeistert, und verstaue es in meiner Tasche.
Ich mache eine schnelle Besichtigung des restlichen Hauses, eilte von Zimmer zu Zimmer, auf der Suche nach allem, das nützlich sein könnte. Ich finde ein paar alte, leere Jutesäcke und nehme sie alle mit. Ich öffne einen von ihnen und werfe Brees Lieblingsbuch hinein „Der Baum, der sich nicht lumpen lies“ und meine Ausgabe von „Herr der Fliegen“. Ich laufe zu einem Schrank und packe alle restlichen Kerzen und Streichhölzer ein. Ich gehe durch die Küche und in die Garage, alle Türen stehen noch auf nach dem Angriff der Sklaventreiber. Ich hoffe sehr, dass sie sich nicht die Zeit genommen haben um sich in der Garage umzuschauen, etwa nach einer Werkzeugkiste. Ich habe sie gut versteckt, in einer Nische in der Mauer, und ich eile nach hinten. Zu meiner Erleichterung ist sie noch da. Sie ist zu schwer um die ganze Kiste zu tragen, also wühle ich sie durch und suche mir die Werkzeuge heraus, die uns die besten Dienste leisten werden. Ich nehme einen kleinen Hammer, einen Schraubenzieher, eine Schachtel mit Nägeln. Ich finde eine Taschenlampe mit Batterien. Ich teste sie, und sie funktioniert. Ich nehme eine kleine Zange mit und einen Schraubenschlüssel, schließe die Kiste und bin aufbruchsbereit. Als ich gehen will, springt mir etwas ins Auge, oben an der Wand. Es ist ein großes Seil, ordentlich aufgerollt und gebündelt hängt es an einem Haken. Ich hatte es komplett vergessen. Vor Jahren hat unser Vater dieses Seil gekauft und zwischen zwei Bäumen aufgespannt. Er dachte wir könnten alle damit Spaß haben. Wir haben es einmal benutzt und danach nie wieder, und dann hängte er es in die Garage. Jetzt denke ich, während ich es anschaue, dass es vielleicht hilfreich für uns sein könnte. Ich springe auf die Werkzeugbank, strecke mich nach dem Seil aus, hole es herunter und lege es über meine eine Schulter, meinen Leinensack über die andere.
Ich eile aus der Garage und wieder zurück ins Haus, und dort steht Bree, hält Sascha in beiden Armen und sieht nach unten.
„Ich bin soweit,“ sagt sie.
Wir eilen aus der Haustür, Logan dreht sich um und sieht Sascha. Er schüttelt den Kopf.
„Wohin bringet ihr sie?“ fragt er.
„Der Fluss,“ sage ich.
Er schüttelt missbilligend den Kopf.
„Die Uhr läuft,“ sagt er. „Ihr habt noch 15 Minuten, bevor wir zurückfahren. Wo sind die Lebensmittel?“
„Hier nicht“ sage ich. „Dazu müssen wir höher gehen, zu einer Hütte, die ich gefunden habe. Das schaffen wir in 15 Minuten.“
Bree und ich gehen zum Lieferwagen und schmeißen das Seil und den Sack auf die Ladefläche. Ich behalte die leeren Säcke, denn ich weiß, dass ich sie brauchen werde um die Lebensmittel zu transportieren.
„Wofür ist die Leine?“ fragt Logan und stellt sich hinter uns. „Wir brauchen sie nicht“.
„Man kann nie wissen,“ sage ich.
Ich lege einen Arm um Bree, die immer noch Sascha anstarrt, drehe sie zur Seite und schaue den Berg entlang.
„Auf geht’s!“ sage ich zu Logan.
Widerstrebend dreht er sich um und geht mit uns los.
Wir drei wandern stetig nach oben, der Wind wird stärker, es ist kälter hier oben. Ich schaue besorgt zum Himmel: Es wird viel schneller dunkel als ich gedacht habe. Ich weiß, dass Logan recht hat: wir müssen zurück auf dem Wasser sein, bevor Einbruch der Nacht. Jetzt ist schon so ziemlich Sonnenuntergang, und ich werde immer besorgter. Aber ich weiß ganz genau, dass wir Essen brauchen.
Wir drei stapfen den Berghang herauf, und schließlich erreichen wir die obere Lichtung, als mir ein starker Windstoß ins Gesicht bläst. Es wird von Minute zu Minute kälter und dunkler.
Ich verfolge meine Schritte zu der Hütte zurück, der Schnee ist tief hier oben; ich fühle ihn durch meine Stiefel, während ich gehe. Ich sehe es, noch versteckt, mit Schnee bedeckt. So gut versteckt und anonym wie immer. Ich eile auf die Hütte zu und breche die kleine Tür auf. Logan und Bree stehen hinter mir.
„Guter Fund,“ sagt er, und zum ersten Mal höre ich Bewunderung in seiner Stimme. „Gut versteckt, es gefällt mir. Es ist so gut, dass ich fast gerne bleiben würde – wenn die Sklaventreiber nicht hinter uns her während und wir mit Lebensmitteln versorgt wären.“
„Ich weiß,“ sage ich und gehe in das kleine Haus.
„Es ist schön,“ sagt Bree „Ist das das Haus, in das wir einziehen werden?“
Ich drehe mich um und schaue sie an, dabei fühle ich mich schlecht und nicke.
„Ein anderes Mal, okay?“
Sie versteht das. Sie ist auch nicht scharf darauf, den Sklaventreibern zu begegnen.
Ich eile nach innen, öffne die Falltür und steige eine steile Leiter hinab. Es ist dunkel hier unten, und ich taste nach meinem Weg. Ich strecke einen Arm aus und fühle eine Reihe Gläser, es klirrt, als ich sie berühre. Die Einmachgläser. Ich verschwende keine Zeit, ziehe meine Säcke heraus und fülle sie so schnell ich kann mit Einmachgläsern. Ich kann sie kaum entziffern, während meine Tasche schwer wird, aber ich erinnere mich, dass es Himbeermarmelade war, Brombeermarmelade, Gemüse, Gurken…ich mache den Sack so voll wie möglich, dann gebe ich ihn die Leiter hoch, zu Logan. Er nimmt ihn, und ich fülle drei weitere.
Ich räume die komplette Wand ab.
„Das reicht,“ sagt Logan „mehr können wir nicht schleppen, und es wird dunkel. Wir müssen gehen“.
Jetzt liegt etwas mehr Respekt in seiner Stimme. Klar, jetzt ist er beeindruckt wegen des Essenverstecks, und jetzt versteht er endlich, warum wir hierhin kommen mussten.
Er greift nach unten und bietet mir seine Hand, aber ich klettere die Leiter allein hoch, denn ich brauche seine Hilfe nicht und bin noch verstimmt während seiner Haltung vorhin.
Als ich wieder in der Hütte stehe, schnappe ich mir zwei der schweren Säcke, Logan nimmt die anderen. Wir drei eilen aus der Hütte und folgen unseren Schritten zurück nach unten über den steilen Pfad. Ein paar Minuten später sind wir zurück am Lieferwagen. Ich bin erleichtert, dass er noch alles da ist. Ich prüfe den Horizont und sehe keinerlei Leben auf dem Berg oder unten im entfernten Tal.
Wir steigen wieder in den Lieferwagen, ich drehe die Zündung und bin froh, als er anspringt und wir losfahren, die Straße herunter. Wir haben Essen, Vorräte, unseren Hund, und ich konnte mich von meinem Elternhaus verabschieden. Ich bin zufrieden, und ich fühle, dass Bree neben mir auch froh ist. Logan schaut aus dem Fenster und ist in seiner eigenen Welt. Aber ich kann nicht anders als zu glauben, dass auch er findet, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben.
*
Die Fahrt nach unten verläuft ohne Zwischenfälle, und zu meiner Überraschung sind die Bremsen des alten Lieferwagens ziemlich gut. An manchen Stellen, wo es wirklich steil ist, ist es mehr ein kontrolliertes Rutschen als ein Bremsen, aber nach ein paar Minuten haben wir das Schlimmste hinter uns, sind zurück auf der befestigten Route 23 und fahren nach Osten. Wir werden schneller, und zum ersten Mal in einer ganzen Weile bin ich optimistisch gestimmt. Wir haben ein paar wertvolle Werkzeuge und genug Essen für die nächsten Tage. Ich fühle mich gut, bestätigt, als wir die 23 herunterfahren, und es nur noch ein paar Minuten dauert, bis wir zurück auf dem Boot sein werden.
Und dann ändert sich alles.
Ich mache eine Vollbremsung als jemand aus dem Nirgendwo in die Mitte der Straße springt, hysterisch mit den Armen winkt und dabei unserem Weg blockiert. Er ist gerade mal fünfzig Meter von uns entfernt und ich muss hart bremsen, so dass unser Lieferwagen ins Rutschen kommt. „NICHT ANHALTEN!“ befiehlt Logan „fahr weiter!“ Er verwendet seine härteste Militärstimme.
Aber ich kann nicht auf ihn hören. Da ist ein Mann vor mir auf der Straße, hilflos, mit nur einer abgerissenen Jeans und einer ärmellosen Weste bekleidet in der eisigen Kälte. Er hat einen langen schwarzen Bart, wildes Haar und große, wirre, schwarze Augen. Er ist sehr dünn, es sieht aus als habe er seit Tagen nichts gegessen. Er trägt Pfeil und Bogen um seine Brust. Er ist ein Mensch, ein Überlebender, genau wie wir. So viel ist klar.
Er winkt verzweifelt mit den Armen, und ich kann ihn nicht überfahren. Ich kann es auch nicht ertragen einfach weiter zu fahren. Wir halten abrupt an, nur ein paar Meter von dem Mann entfernt. Er steht da mit wilden Augen, als hätte er nicht erwartet, dass wir wirklich anhalten.
Logan verschwendet keine Zeit, springt aus dem Wagen, beide Hände an seiner Pistole, die auf den Kopf des Mannes gerichtet ist.
“GEHEN SIE ZURÜCK!” schreit er.
Ich steige ebenfalls aus.
Der Mann hebt langsam seine Arme und schaut benommen, während er einige Schritte zurückgeht.
„Nicht schießen,“ fleht der Mann „Bitte! Ich bin genau wie ihr! Ich brauche Hilfe. Ihr könnt mich hier nicht einfach sterben lassen. Ich verhungere, ich habe seit Tagen nichts gegessen. Bitte nehmt mich mit. Bitte!“
Seine Stimme bricht und ich sehe die Verzweiflung in seinem Gesicht. Ich weiß wie er sich fühlt. Es ist noch nicht lange her, und ich war genau wie er, ich musste mir jede Mahlzeit hier in den Bergen erbetteln. Viel besser ist es jetzt auch nicht.
„Hier, nimm das!“ sagt der Mann und gibt uns seinen Bogen und Köcher mit Pfeilen „Das gehört euch, ich will euch nichts antun!“
„Bewege dich langsam,“ warnt Logan, immer noch misstrauisch.
Der Mann reicht vorsichtig nach vorne und gibt uns seine Waffe.
“Brooke, das nimmst du,” sagt Logan.
Ich mache einen Schritt nach vorne, nehme Pfeil und Bogen und werfe sie nach hinten auf den Lieferwagen.
„Seht ihr,“ sagt der Mann und beginnt zu lächeln „Ich bin keine Bedrohung. Ich möchte einfach mit euch kommen. Ihr könnte mich nicht einfach zurück- und sterben lassen.“
Langsam entspannt Logan seine Schutzhaltung und nimmt die Waffe ein bisschen tiefer, aber er hat immer noch ein waches Auge auf den Mann.
„Tut uns leid,” sagt Logan. „Wir können nicht noch jemanden durchfüttern.”
„Warte!” rufe ich Logan zu. „Du bist nicht allein hier. Du triffst nicht alle Entscheidungen“. Ich wende mich an den Mann „Wie heißt du?“ frage ich „wo kommst du her?“
Er schaut mich verzweifelt an.
“Ich heiße Rupert,” sagte er “Ich habe hier oben zwei Jahre lang überlebt. Ich habe dich und deine Schwester schon vorher gesehen. Ich habe versucht zu helfen, als die Sklaventreiber deine Schwester genommen haben, ich bin derjenige, der den Baum gefällt hat!“
Als er das sagt, bricht mein Herz. Er ist derjenige, der versucht hat uns zu helfen! Ich kann ihn einfach nicht hier lassen. Es wäre nicht richtig.
„Wir müssen ihn mitnehmen,“ sage ich zu Logan. „Wir finden schon noch Platz für einen mehr“
„Ich kenne ihn nicht,“ antwortet Logan „Außerdem haben wir nicht genug Lebensmittel.“
„Ich kann jagen,“ sagt der Mann „Ich habe Pfeil und Bogen“.
„Das hat dir hier oben ja sehr geholfen“ sagt Logan.
„Bitte,“ sagt Rupert „ich kann euch helfen. Bitte. Ich will nichts von eurem Essen.“
„Wir nehmen ihn mit,“ sage ich zu Logan.
„Nein, das machen wir nicht,“ entgegnet er. „Du kennst diesen Mann nicht. Du weißt überhaupt nichts über diesen Mann.“
„Ich weiß auch nicht viel über dich,“ sage ich zu Logan. Mein Ärger wird stärker. Ich hasse, dass er so zynisch sein kann, so vorsichtig. „Du bist nicht der einzige, der das Recht hat zu leben.“
„Wenn du ihn mitnimmst, gefährdest du uns alle” sagt er. „Nicht nur dich. Auch deine Schwester.“
„Als ich es das letzte Mal geprüft habe, waren wir zu dritt“ kommt Brees Stimme von hinten. Ich drehe mich um uns sehe, dass auch sie aus dem Lieferwagen gesprungen ist und hinter uns steht.
„Und das heißt, dass wir eine Demokratie sind. Meine Stimme zählt. Und ich stimme dafür, dass wir ihn mitnehmen. Wir können ihn nicht einfach zurück- und sterben lassen.“
Logan schüttelt den Kopf und sieht angewidert aus. Ohne ein weiteres Wort spannt er den Kiefer an, dreht sich um und steigt in den Lieferwagen.
Der Mann sieht mich mit einem großen Lächeln an, sein Gesicht wird von tausend Falten zerfurcht.
„Danke,“ flüstert er. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll.“
„Beweg dich einfach, bevor er seine Meinung ändert,“ sage ich, während wir zurück zum Wagen gehen.
Als Rupert die Tür erreicht sagt Logan „du sitzt nicht bei uns vorne. Geh auf die Ladefläche.“
Bevor ich etwas einwenden kann, springt Rupert glücklich hinten auf, Bree und ich steigen ein, und wir fahren los.
Die Fahrt zurück zum Fluss ist nervenaufreibend. Während wir fahren, wird der Himmel dunkel. Ich schaue fortwährend der untergehenden Sonne zu, wie sie rot durch die Wolken blutet. Jede Sekunde wird es kälter, und der Schnee wird sogar härter, während wir fahren. An manchen Stellen wird er zu Eis und macht die Fahrt noch unsicherer. Die Benzinanzeige sinkt und blinkt rot, und obwohl wir nur noch eine Meile oder so vor uns haben, habe ich das Gefühl wir müssten um jeden Zentimeter kämpfen.
Ich spüre auch wie nervös Logan wegen unseres neuen Passagiers ist. Dabei ist es nur ein Unbekannter mehr, ein weiterer Mund, der gefüttert werden muss.
Während ich auf das Gas gehe, sporne ich den Lieferwagen im Stillen an weiterzufahren, den Himmel hell zu bleiben, den Schnee, nicht hart zu werden. Als ich beginne zu glauben, dass wir niemals ankommen, nehmen wir eine Kurve und ich sehe die Abzweigung. Ich biege in die enge Landstraße ein, die zum Fluss abfällt und versuche den Wagen davon zu überzeugen, dass er durchhält. Ich weiß, dass das Boot nur noch ein paar hundert Meter entfernt ist. Wir nehmen eine weitere Biegung, und während wir das tun, springt mein Herz vor Erleichterung als ich das Boot sehe. Es ist noch da, bewegt sich im Wasser auf und ab, und ich sehe Ben dort stehen. Er sieht nervös aus und sucht den Horizont nach uns ab.
„Unser Boot!“ ruft Bree aufgeregt.
Die Straße wird noch holpriger, als wir abwärts beschleunigen. Aber wir werden es schaffen. Ich bin durch und durch erleichtert.
Aber als ich zum Horizont schaue sehe ich in der Entfernung etwas, das meinen Mut sinken lässt. Ich kann es nicht glauben. Logan muss es zur selben Zeit gesehen haben.
„Verdammt noch mal,“ flüstert er.
In einiger Entfernung auf dem Hudson kommt ein Boot der Sklaventreiber – ein großes, schnittiges schwarzes Motorboot – auf uns zu gerast. Es ist doppelt so groß wie unser Boot, und ich bin sicher, dass es viel besser ausgestattet ist. Was die Sache noch schlimmer macht ist ein weiteres Boot, das ich sehe, noch etwas weiter entfernt.
Logan hatte Recht. Sie waren viel näher als ich dachte.
Ich trete auf die Bremse und wir rutschen, bis wir etwa zehn Meter vom Ufer entfernt zum Stehen kommen. Ich schalte auf parken, öffne die Tür, springe heraus und will zum Boot rennen. Plötzlich stimmt etwas überhaupt nicht. Mir wird die Luft abgeschnitten und ich fühle einen Arm eng um meinen Hals. Ich fühle, dass ich nach hinten gezogen werde. Ich bekomme keine Luft mehr, sehe Sterne und habe keine Ahnung was los ist. Ist das ein Hinterhalt der Sklaventreiber?
„Nicht bewegen“ zischt eine Stimme an meinem Ohr. Ich fühle etwas scharfes, Kaltes an meiner Kehle, ein Messer. Erst dann merke ich, was passiert ist: Rupert, der Fremde. Er hat mich überfallen.