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VIER

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Wir alle suchen verzweifelt den Horizont ab, und schließlich sehen wir auf der rechten Seite einen schmalen Zufluss. Er führt in den rostigen Kanal eines alten Schiffbahnhofs.

„Da, auf der rechten Seite!“ sage ich zu Ben

„Was ist, wenn sie uns sehen?“ fragt er. „Von dort kommen wir nicht weg. Wir werden festsitzen. Sie werden uns töten.“

„Dieses Risiko müssen wir eingehen,“ sage ich.

Ben wird schneller und macht eine scharfe Kurve in die schmale Einfahrt. Wir rasen an verrosteten Toren vorbei, durch eine schmale Einfahrt, zu einem alten, verrosteten Lagerhaus.

Während wir hereinfahren, macht er den Motor aus, dann dreht er nach links und versteckt uns hinter dem Ufer, als wir auf dem Wasser entlang dümpeln.

Ich betrachte die Heckwelle, die wir im Mondlicht verursacht haben und bete, dass sie sich schnell genug beruhigt, damit die Sklaventreiber keine Spur von uns haben.

Wir alle sitzen ängstlich in der Stille, dümpeln auf dem Wasser, schauen, warten. Das Röhren des Motors der Sklaventreiber wird lauter, und ich halte den Atem an.

Bitte, lieber Gott. Lass sie vorbei fahren.

Die Sekunden fühlen sich wie Stunden an.

Schließlich zischt das Boot an uns vorbei, ohne auch nur für eine Sekunde langsamer zu werden. Ich halte den Atem für mehr als zehn Sekunden an, bis das Geräusch des Motors verhallt. Ich bete, dass sie nicht zu uns zurückkommen. Sie kommen nicht zurück. Es funktioniert.

*

Fast eine Stunde ist verstrichen, seit wir hier herein gefahren sind, wir sitzen alle dicht zusammengedrängt und verängstigt in unserem Boot. Wir bewegen uns kaum, aus Angst entdeckt zu werden. Aber seit sie an uns vorbeigefahren sind, habe ich weder einen Ton gehört noch irgendeine Bewegung festgestellt. Ich frage mich, wohin sie gefahren sind. Rasen sie immer noch den Hudson herauf, in die Dunkelheit, denken sie immer noch, dass wir uns gleich hinter der nächsten Biegung befinden?

Oder sind sie klüger geworden, haben umgedreht und suchen nun die Ufer nach uns ab? Ich habe einfach das Gefühl, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie uns finden.

Aber während ich mich auf dem Boot ausstrecke, denke ich, dass wir alle anfangen uns zu entspannen, ein bisschen weniger vorsichtig zu sein. Wir sind hier gut versteckt, in diesem rostigen Gebäude, und selbst wenn sie umdrehen wüsste ich nicht, wie die Sklaventreiber uns hier sehen könnten.

Meine Beine und Füße sind vom langen Sitzen eingeschlafen, es ist viel kälter geworden und ich friere. Ich sehe, dass Bree und Rose mit den Zähnen klappern, dass sie ebenfalls frieren. Ich wünschte, ich hätte Decken oder Kleider, die ich ihnen geben könnte, oder irgendeine andere Art von Wärme. Ich wünschte, wir könnten ein Feuer machen, nicht nur wegen der Wärme, sondern auch um uns gegenseitig sehen zu können, um Trost in unseren Gesichtern zu finden. Aber ich weiß, dass das nicht zur Diskussion steht, es wäre viel zu riskant.

Ich sehe Ben dort sitzen, zusammengekauert und zitternd, und erinnere mich an die Hose, die ich mitgenommen habe. Ich stehe auf, das Boot beginnt zu schwanken, mache ein paar Schritte zu meinem Sack, greife hinein und ziehe sie heraus. Dann werfe ich sie zu Ben.

Sie landet auf seiner Brut, und er schaut verwirrt zu mir herüber.

„Die müsste passen“ sage ich „probier sie an“.

Er trägt abgerissene Jeans, voller Löcher, viel zu dünn und außerdem feucht durch das Wasser. Langsam bückt er sich und zieht seine Stiefel aus, dann zieht er die Lederhose über seine Jeans. Es sieht seltsam aus, die Militärhose des Sklaventreibers – aber wie ich erwartet hatte, passt sie perfekt.

Wortlos macht Ben den Reisverschluss zu und lehnt sich zurück, ich sehe Dankbarkeit in seinen Augen. Ich spüre, dass mich Logan anschaut, es fühlt sich an als sei er neidisch auf meine Freundschaft mit Ben. Er war schon immer so, seit er gesehen hat, wie mich Ben an der Penn Station geküsst hat. Es ist seltsam, aber ich kann es nicht ändern. Ich mag sie beide, auf unterschiedliche Arten. Ich habe noch nie zwei gegensätzlichere Leute getroffen, aber irgendwie erinnern sie mich gegenseitig an sich.

Ich gehe rüber zu Bree, sie zittert immer noch, zusammengekauert mit Rose, Penelope auf ihrem Schoß. Ich setze mich neben sie, lege einen Arm um sie und küsse sie auf die Stirn. Sie legt ihren Kopf an meine Schulter

„Es ist in Ordnung, Bree“ sage ich.

„Ich habe Hunger“ sagt sie mit einer leisen Stimme.

„Ich auch“ sagt Rose.

Penelope wimmert still, und ich weiß, dass sie auch hungrig ist. Sie ist klüger als alle Hunde, die ich je gesehen habe. Und tapfer trotz ihrem Zittern.

Ich kann kaum glauben, wie sie Rupert gebissen hat. Vielleicht wären wir alle nicht mehr hier, wenn wir sie nicht hätten. Ich beuge mich vor, streichle ihren Kopf, und sie leckt meine Hand.

Jetzt, als die beiden Essen erwähnen, merke ich, dass es eine gute Idee wäre. Ich habe schon viel zu lange versucht meinen quälenden Hunger zu unterdrücken.

„Du hast Recht“ sage ich „Lasst uns was essen“.

Sie schauen mich beide mit hoffnungs- und erwartungsvollen großen Augen an. Ich laufe über das Boot und greife in einen der Säcke. Ich nehme zwei große Marmeladegläser mit Himbeermarmelade heraus, schraube eins davon auf und gebe es Bree.

„Ihr zwei teilt euch dieses Glas“ sage ich zu ihnen „wir drei teilen uns das andere Glas“. Ich öffne das andere Glas und reiche es Logan. Er nimmt seinen Finger, holt einen ziemlichen Batzen aus dem Glas und steckt ihn in den Mund. Er atmet tief aus vor Zufriedenheit – auch er muss am Verhungern gewesen sein.

Ich halte das Glas zu Ben, er nimmt ebenfalls einen Finger voll, und dann löffle ich einen Finger voll in meinen eigenen Mund. Der Zucker gibt mir Energie, und die Himbeeren erfüllen meine Sinne, es ist sehr wahrscheinlich das Beste, das ich je gegessen habe. Ich weiß, dass es keine richtige Mahlzeit ist, aber es fühlt sich wie eine an.

Anscheinend bin ich jetzt für die Verteilung des Essens verantwortlich, also eile ich zu den Taschen, nehme den Rest unserer Kekse und gebe jedem einen, auch mir selbst. Ich schaue herüber und sehe wie Bree und Rose glücklich die Marmelade essen; nach jedem zweiten Fingervoll bekommt Penelope eine Ration. Sie leckt die Finger der Mädchen wie verrückt und jault dabei. Das arme Ding muss genauso hungrig sein wie wir.

„Du weißt, dass sie zurückkommen werden,“ kommt eine bekannte Stimme von der Seite. Ich drehe mich um, Logan lehnt sich zurück, säubert seine Waffe und schaut mich an.

„Du weißt das, stimmt’s?“ presst er heraus „wir sind hier leichte Beute“.

„Was schlägst du vor?“ frage ich.

Er zuckt mit den Schultern und schaut enttäuscht weg.

„Wir hätten nicht anhalten sollen. Wir hätten einfach weiterfahren sollen, wie ich gesagt habe“.

„Dafür ist es jetzt zu spät“ schieße ich irritiert zurück. „Hör auf dich zu beschweren“.

Langsam habe ich genug von seiner Trübsal und seinem Pessimismus auf Schritt und Tritt, ich habe genug von dem Machtkampf.

Ich habe keine Lust mehr auf ihn, obwohl ich ihn gleichzeitig sehr schätze.

„Keine unserer Möglichkeiten ist gut,“ sagt er. „Wenn wir heute Nacht flussaufwärts fahren, könnten wir sie treffen. Wir könnten unser Boot ruinieren, vielleicht durch das schwimmende Eis, vielleicht durch etwas anderes. Noch schlimmer, sie würden uns wahrscheinlich kriegen. Wenn wir erst am Morgen losfahren, können sie uns im Tageslicht sehen. Wir können zwar steuern, aber es kann gut sein, dass sie auf uns warten.“

„Dann lass uns morgens aufbrechen,“ sage ich. „Wir fahren im Morgengrauen los, fahren nach Norden und hoffen, dass sie umgedreht haben und nach Süden fahren.“

„Und was, wenn nicht?“ fragt er.

„Hast du irgendeine bessere Idee? Wir fahren los, weg von der Stadt, nicht in die Stadt. Außerdem liegt Kanada im Norden, oder?“

Er dreht sich um, schaut weg und seufzt.

„Wir könnten auch bleiben wo wir sind,“ sagt er. „Ein paar Tage abwarten. Sicher gehen, dass sie zuerst an uns vorbeigefahren sind“:

„Bei dem Wetter? Wenn wir keine Unterkunft finden, erfrieren wir. Und bis dann haben wir nichts mehr zu essen. Wir können nicht hierbleiben, wir müssen weiter fahren.“

„Ach so, jetzt willst du weiterfahren,“ sagt er.

Ich starre ihn an, er beginnt mir wirklich auf die Nerven zu gehen.

“Gut,” sagt er. “Dann lasst uns in der Morgendämmerung losfahren. In der Zwischenzeit müssen wir Wache stehen, wenn wir die Nacht hier verbringen. Im Schichtbetrieb. Ich fange an, dann du, dann Ben. Ihr schlaft jetzt. Keiner von uns hat bis jetzt geschlafen, und wir brauchen alle Schlaf. Abgemacht?“ fragt er und schaut mich und Ben an.

„Abgemacht“ sage ich. Er hat Recht.

Ben sagt nichts, er schaut noch um sich, verloren in seiner eignen Welt.

“Hey,” sagt Logan hart, lehnt sich zurück und tritt an seinen Fuß. „Ich rede mit dir. Abgemacht?“

Ben dreht sich langsam um und schaut ihn an, er sieht immer noch weggetreten aus, dann nickt er. Ich kann wirklich nicht sagen, ob er ihn gehört hat. Es tut mir so leid für Ben. Es ist so, als wäre er nicht ganz da. Der Kummer und die Schuldgefühle wegen seines Bruders fressen ihn auf. Ich kann mir noch nicht mal vorstellen, was er durchmacht.

„Gut,“ sagt Logan. Er prüft seine Munition, sichert seine Pistole und dann springt er vom Boot, auf das Dock neben uns. Das Boot schaukelt, aber es treibt nicht weg. Logan steht auf dem trockenen Dock und inspiziert unsere Umgebung. Er setzt sich auf einen Holzpfahl und starrt in die Dunkelheit. Die Waffe liegt auf seinem Schoß. Ich lasse mich neben Bree nieder und lege meine Arme um sie. Auch Rose kommt zu uns, und ich lege meinen Arm um beide.

„Ihr zwei müsst euch ausruhen. Wir haben morgen einen langen Tag vor uns,“ sage ich und wundere mich im Stillen, ob das unserer letzte Nacht auf Erden sein wird. „Erst muss ich mich um Sascha kümmern“ sagt Bree.

Sascha. Das hätte ich fast vergessen.

Ich sehe zu ihr herüber und sehe den gefrorenen Körper des Hundes auf der anderen Seite des Bootes. Ich kann kaum glauben, dass wir sie hierhin gebracht haben. Aber Bree ist ein loyales Herrchen. Bree steht auf, geht leise quer über das Boot und steht vor Sascha. Sie kniet sich nieder und streichelt ihren Kopf. Ihre Augen sind deutlich im Mondlicht zu sehen. Ich gehe zu ihr und knie mich neben sie. Ich streichle Sascha auch, ich werde ihr immer dankbar dafür sein, dass sie uns beschützt hat.

„Kann ich dir helfen sie zu begraben?“ frage ich.

Bree nickt, schaut leise nach unten, eine Träne rinnt über ihr Gesicht.

Zusammen heben wir Sascha auf, und lehnen uns mit ihr weit über das Boot hinaus. Dort halten wir beide sie, und keiner von uns möchte loslassen. Ich schaue in das eiskalte, dunkle Wasser des Hudsons unter uns, in die dümpelnden Wellen.

„Willst du irgendetwas sagen, bevor wir loslassen?“ frage ich.

Bree schaut nach unten und blinzelt die Tränen weg. Ihr Gesicht leuchtet im Mondlicht. Sie sieht aus wie ein Engel. „Sie war ein guter Hund. Sie hat mir das Leben gerettet. Ich hoffe, dass sie jetzt in einer besseren Welt ist. Ich hoffe, dass ich sie wieder sehe,“ sagt sie mit brechender Stimme.

Wir strecken uns weit aus und legen Sascha vorsichtig auf das Wasser. Mit einem leichten Platschen taucht ihr Körper ein. Dann treibt er für eine Sekunde oder zwei, bis er beginnt zu sinken. Die Strömungen des Hudson sind stark, und sie reißen den Hund schnell mit sich, auf das offene Wasser hinaus. Wir schauen zu, wie sie, halb unter Wasser, durch das Mondlicht treibt, immer weiter und weiter weg. Es bricht mir das Herz. Es erinnert mich daran, dass ich Bree fast für immer verloren hätte, während ich den Hudson herunter gespült worden wäre, genau wie Sascha.

*

Ich weiß nicht, wie viele Stunden vergangen sind. Jetzt ist es mitten in der Nacht, und ich liege im Boot, zusammengerollt bei Bree und Rose, denke nach und kann nicht schlafen. Keiner von uns hat ein Wort gesagt, seit wir Sascha ins Wasser gelegt haben. Wir alle sitzen einfach da in düsterer Stille, das Boot schaukelt sanft. Ein paar Meter entfernt sitzt Ben, in seiner eigenen Welt. Er scheint mehr tot als lebendig. Manchmal, wenn ich ihn anschaue, fühle ich mich als würde ich ein wandelndes Gespenst sehen. Es ist komisch: Wir sitzen hier alle zusammen und sind Welten voneinander entfernt.

Logan ist etwa zehn Meter entfernt, und hält pflichtbewusst Wache auf dem Pier, er schaut umher, die Waffe in der Hand. Ich kann ihn mir gut als Soldat vorstellen. Ich bin froh, dass er uns beschützt, und dass er die erste Schicht übernommen hat. Ich bin müde, meine Knochen sind erschöpft, und ich freue mich nicht gerade darauf die nächste Schicht zu übernehmen. Ich weiß, dass ich schlafen sollte, aber ich kann einfach nicht. Während ich hier liege und Bree in den Armen halte, jagen mir die Gedanken nur so durch den Kopf.

Ich denke wie vollkommen verrückt die Welt geworden ist. Ich kann kaum glauben, dass das alles echt ist. Es ist wie ein langer Alptraum, der einfach nicht enden will. Jedes Mal wenn ich denke, dass ich in Sicherheit bin, passiert wieder etwas. Wenn ich zurückdenke kann ich kaum glauben, dass ich fast von Rupert getötet worden wäre. Es war dumm von mir, Mitleid mit ihm zu haben, dumm, ihn mit uns fahren zu lassen. Ich kann immer noch nicht ganz verstehen, warum er ausgeflippt ist. Was war der Vorteil für ihn? Wollte er uns alle töten, unser Boot nehmen und verschwinden, nur um mehr Lebensmittel für sich selbst zu haben? Und wohin wäre er gegangen? War er einfach böse? Psychotisch? Oder war er ursprünglich ein guter Mann, der nach all den Jahren allein, hungrig und frierend durch geknallt ist? Ich möchte glauben, dass Letzteres der Fall ist, dass er tief innen drin ein guter Mann war, der nur durch die Umstände verrückt geworden ist. Ich hoffe es, aber man kann nie wissen.

Ich schließe die Augen und denke daran, wie knapp ich dem Tod von der Schippe gesprungen bin, fühle das Metall des Messers an meiner Kehle. Nächstes Mal werde ich keinem vertrauen, für niemanden anhalten, keinem glauben.  Ich will alles tun, was ich kann, damit Bree, Rose, ich und die anderen überleben. Keine weiteren Zufälle, keine Risiken. Und wenn das heißt, hartherzig zu werden, dann ist es eben so.

Während ich zurückdenke, habe ich das Gefühl, dass jede Stunde auf dem Hudson ein Kampf um Leben und Tod war. Ich sehe nicht, wie wir es jemals bis Kanada schaffen können. Ich wäre erstaunt, wenn wir die nächsten paar Tage überleben, sogar die nächste paar Meilen auf dem Wasser. Ich weiß, dass unsere Chancen nicht gut stehen. Ich halte Bree fest im Arm, es könnte unsere letzte gemeinsame Nacht sein. Wenigstens werden wir kämpfend zu Grunde gehen, auf eigenen Füßen stehend, nicht als Sklaven oder Gefangene.

“Es war so unheimlich,” sagt Bree.

Ihre Stimme in der Dunkelheit schreckt mich auf. Sie ist so zart, am Anfang frage ich mich, ob sie überhaupt etwas gesagt hat. Sie hat stundenlang kein Wort gesagt, und ich dachte sie würde schlafen.

Ich drehe mich um und sehe, dass ihre Augen offen sind, angsterfüllt.

“Was war so unheimlich Bree?”

Sie schüttelt den Kopf und wartet einige Sekunden bevor sie spricht. Ich merke, dass sie sich gerade erinnert „Sie haben mich genommen. Ich war allein. Sie haben mich in einen Bus getan, dann auf ein Boot. Wir waren alle aneinander gekettet. Es war so kalt, und wir hatten alle solche Angst. Sie nahmen mich mit in das Haus, und du würdest nicht glauben, was ich gesehen habe. Was sie mit den anderen Mädchen gemacht haben. Ich kann immer noch ihre Schreie hören. Ich kriege sie einfach nicht aus meinem Kopf.“

Ihr Gesicht verzieht sich, und sie beginnt zu weinen.

Mein Herz zerbricht in tausend Stücke. Ich kann mir noch nicht einmal vorstellen, was sie durchgemacht hat. Ich möchte nicht, dass sie darüber nachdenkt. Ich habe das Gefühl, sie sei jetzt für immer durch Narben entstellt, und es ist meine Schuld.

Ich nehme sie fest in den Arm und küsse sie auf die Stirn.

„Shhh,” flüstere ich „Es ist alles in Ordnung. Das alles liegt jetzt hinter uns. Denk nicht mehr daran.“

Trotzdem weint sie weiter.

Bree vergräbt ihr Gesicht an meiner Brust. Ich wiege sie als sie weint und weint.

„Es tut mir so leid, meine Süße“ sage ich „es tut mir so leid.“

Ich wünschte, ich könnte das alles von ihr nehmen. Aber das kann ich nicht, es ist jetzt ein Teil von ihr. Ich wollte sie schon immer beschützen, vor allem. Und jetzt ist ihr Herz von Schrecken erfüllt.

Als ich sie wiege wünsche ich mir, wir wären irgendwo anders als hier. Ich wünschte, wir wären, wo wir früher einmal gewesen sind. Die Zeit zurückdrehen. Damals, als die Welt gut war. Zurück zu unseren Eltern. Aber das geht nicht. Wir sind hier. Und ich habe das Gefühl, dass alles nur noch schlimmer wird.

*

Ich wache auf und merke, dass bereits Tag ist. Ich weiß nicht, warum es schon so spät ist, oder wie es kommt, dass ich so lange geschlafen habe. Ich schaue mich auf dem Boot um und habe komplett die Orientierung verloren. Ich weiß nicht was los ist.

Unser Boot treibt jetzt in der Mitte des großen Flusses. Bree und ich sind die einzigen auf dem Boot. Ich weiß nicht wo die anderen sind und auch nicht, wie wir hierhin gekommen sind.

Wir stehen beide vorne im Boot und schauen auf den Horizont, und ich sehe drei Boote der Sklaventreiber direkt auf uns zu rasen.

Ich versuche etwas zu tun, aber meine Arme sind hinter dem Rücken zusammengebunden. Ich drehe mich um und sehe einige Sklaventreiber auf dem Boot, sehe dass sie mir Handschellen angelegt haben, mich festhalten. Ich kämpfe so gut ich kann, aber ich bin hilflos.

Eines der Sklaventreiber-Boote hält an, einer von ihnen kommt heraus, seine Maske bedeckt sein Gesicht, er betritt unser Boot und greift nach Bree. Sie versucht sich heraus zu winden, aber sie ist ihm nicht gewachsen. Er hebt sie mit einem Arm und trägt sie weg.

“BREE! NEIN!” schreie ich.

Ich ringe mit der ganzen Welt, aber es hilft nicht. Ich muss hier stehen und zuschauen, wie sie Bree, die tritt und schreit, in ihr Boot schleppen. Ihr Boot treibt mit der Strömung weg, Richtung Manhattan. Bald ist es kaum noch zu sehen.

Während ich zusehe, wie sich meine kleine Schwester weiter und weiter von mir entfernt weiß ich, dass es dieses Mal für immer ist.

Ich kreische, ein gespenstisches Kreischen, ich bettle und weine, damit meine Schwester zurück zu mir kommt.

Ich wache schweißgebadet auf, ich sitze kerzengerade, atme schwer, schaue mich um und versuche herauszufinden, was passiert ist.

Es war ein Traum. Ich schaue rüber und sehe Bree neben mir liegen, alle anderen im Boot schlafen. Es war alles nur ein Traum. Niemand ist gekommen, niemand hat Bree genommen.

Ich versuche meinen Atem zu beruhigen, mein Herz klopft immer noch. Ich setze mich hin und schaue in die Ferne. Die Morgendämmerung setzt ein, ein schwacher Silberstreifen am Horizont.

Ich schaue rüber zum Dock und sehe Ben Wache halten. Ich erinnere mich, wie Logan mich aufgeweckt hat, wie ich Wache gehalten habe, und wie ich anschließend Ben aufgeweckt und ihm die Waffe gegeben habe. Dann hat er meine Position eingenommen. Danach muss ich eingeschlafen sein.

Als ich zu Ben schaue sehe ich, dass er in sich zusammengesunken ist. Ich kann von hier im matten Licht der Morgendämmerung sehen, dass er auch schläft. Dabei sollte er Wache halten. Wir sind wehrlos. Plötzlich sehe ich Bewegung, Schatten in der Dunkelheit. Es sieht aus wie eine Gruppe von Menschen oder Tieren, die auf uns zukommen. Ich frage mich, ob ich meinen Augen trauen kann.

Aber dann beginnt mein Herz wie wild in meiner Brust zu schlagen und mein Mund wird trocken, denn es handelt sich nicht um einen Streich des Morgenlichts.

Wir sind nicht vorbereitet. Und jemand überfällt uns.

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