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2. Der Morgen
ОглавлениеIch hatte einen tierischen Kater. Was sollen Kater auch sonst sein, menschlich? Ich hängte mich über die Kloschüssel. Eine Verbeugung vor den höllischen Drinks und Vorbeugung – wenn ich denn endlich kotzen könnte – vor Schlimmerem. Doch irgendwie klappte das nicht. Ich setzte mich aufs Klo und leerte meinen Darm. Dem Darm tat das gut und den daran angeschlossenen Organen, die sonst mit dem in der Scheiße enthaltenen Giften fertig werden müßten, auch, doch meinem Magen schmeckte der Geruch gar nicht, so daß ich nun doch kotzen konnte. Danach bemerkte ich meine Kopfschmerzen. Naja, bemerken ist ein ziemlich harmloser Ausdruck dafür, was sie mir antaten. Ich legte mich wieder aufs Bett, konnte aber leider nicht schlafen.
Ich schleppte mich ins Büro, wollte auf diesen durchgeknallten Typen warten und ihm alles hinschmeißen. Seine blöde Geschichte konnte er einem anderen Deppen im Dorf erzählen.
Ich lag auf dem Sofa und wollte mich an den Abend erinnern, irgendwelche Hinweise suchen, was diese ganze Geschichte sollte. Mir fiel noch nicht einmal der Name von diesem blöden Arschloch ein. Ich konnte mich nur noch daran erinnere, daß ich das Barmädchen kannte, daß ich ihr das auch sagte. Sie grinste, so als wolle sie gleich sagen, daß sie schon originellere Anmachen erlebt hätte, aber es war keine blöde Anmache, ich kannte sie wirklich. Als ich mich daran erinnerte – ein paar Drinks später – woher, haute es mich um – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich fiel ins Koma und nahm mein wiedererlangtes Wissen gleich mit. Als ich vorhin so eine Art von Wachzustand erreichte, kam dieses Wissen leider nicht mit.
Es gibt eine ganze Reihe von Filmrißarten. Ein Schlag auf den Kopf ist eine mögliche Ursache, aber bei Schnüfflern wesentlich seltener als uns Hollywood glauben machen will. Das Schöne an dieser Art ist, daß man sich hinterher daran erinnert. Viel häufiger – und das verschweigt uns die Traumfabrik – ist Alkohol die Ursache. Diese Filmrißart kommt langsam, fügt man sich selbst bei, führt eher selten zur Bewußtlosigkeit, hinterläßt aber dauerhafte Gedächtnislücken und das größte Maß an Peinlichkeit. Vergiftungen anderer Art kommen auch gelegentlich vor, meist von Anderen verursacht. Sie treten oft auch recht schnell ein. Man erinnert sich an die Anfänge und auch an das Erwachen aus der Bewußtlosigkeit. Sie sind einer klassischen Ohnmacht am ähnlichsten, hinterlassen aber – im Gegensatz zum Besäufnis – kein peinliches Gefühl, nur eins der Hilflosigkeit. Einen Kater kann man davon aber auch bekommen. Ich konnte mir also einreden nicht der Alkohol sei schuld an meinem Zustand, sondern etwas, das das Arschloch mir in den Realitätskiller gemischt hatte.
Und dann gibt es natürlich noch den Filmriß im Kino, aber den hatte ich noch nie erlebt.
Das Barmädchen, lächelnd, und der Typ, der jetzt auch wieder eine Sonnenbrille auf hatte, kamen zur Tür rein.
„Hey Sunny, scheint die Sonne?“, fragte ich ihn.
„Oh, ich glaube für dich nicht.“
„Geht dir wohl ziemlich scheiße“, sagte das Mädchen.
„Sieht man das?“
„Oh ja.“
„Was waren das für Drinks?“
„Ein Gast beschrieb es mal so: Beim ersten will man sich den Namen merken, um den Fehler nicht ein zweites Mal zu begehen. Beim zweiten will man den Namen vergessen, um eine Ausrede zu haben, doch noch einen weiteren bestellt zu haben. Und beim dritten vergißt man, zu vergessen. Den vierten kann man nur noch durch einen Fingerzeig bestellen.“
„So ein Blödmann.“
„Das warst du.“
„Na, sag ich doch. So ein Blödmann. ‚Vor dem Verzehr wird gewarnt’ ist die einzig zulässige Beschreibung.“
„Darf ich das so in die Karte schreiben? Klingt irgendwie cool, könnte die Leute neugierig machen.“
„Mir doch egal. Hey Sunny, vergiß die Scheiße, ja? Ich mach da nicht mehr mit.“
„Ach, du bist mies drauf. Wir drehen jetzt ne kleine Runde und dann geht’s dir gleich viel besser.“
Er grinste, so als wolle er sagen „Wer nichts verträgt, sollte auch nicht soviel trinken“ oder „Wenn man soviel zum Ertränken braucht, dann müssen die Sorgen aber ganz schön groß sein“.