Читать книгу Die Totenbändiger - Band 6: Unheilige Nacht - Nadine Erdmann - Страница 10

Kapitel 6

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20:03 Uhr

Thad drückte den Klingelknopf und warf warnende Blicke zu Gabriel und Sky. »Wie besprochen, klar?«

Sky schnaubte. Gabriel ignorierte ihn, doch seine Gesichtsmuskeln verrieten, wie fest er die Kiefer aufeinanderpressen musste, um sich zu beherrschen.

Thad sah kurz zu Connor. Der nickte knapp. Obwohl er selbst ebenfalls den kaum zu bändigenden Drang verspürte, diesen Topher in die Mangel zu nehmen, würde er trotzdem dafür sorgen, dass Gabriel und Sky nichts taten, was ihre Jobs gefährdete – oder ihre Leben.

Die Haustür öffnete sich einen Spalt und eine zierliche dunkelhaarige Frau mittleren Alters musterte sie argwöhnisch. Die Sperrstundenzeit hatte längst begonnen, da klingelte eigentlich niemand mehr an Haustüren.

»Ja bitte?« Ihr Blick glitt über die schwarzen Linien, die Sky und Gabriel an ihren Schläfen trugen, und ihre Miene wurde schlagartig abweisend. »Was wollen Sie hier?«

Thad zog seinen Dienstausweis und hielt ihn ihr unter die Nase. »Guten Abend. Chief Inspector Pearce von der London Metropolitan Police. Das sind meine Kollegen aus der Spuk Squad.« Mit einer Geste wies er auf Connor, Sky und Gabriel. »Sind Sie Clarice Morena, die Mutter von Topher Morena?«

»Ja, das bin ich.« Jetzt flackerte plötzlich Sorge in ihrem Blick. »Warum? Ist etwas mit Topher?«

»Dann ist er nicht hier?«, fragte Sky, was ihr einen missbilligenden Blick von Ms Morena einbrachte. Offensichtlich schätzte sie es nicht, von einer Totenbändigerin angesprochen zu werden.

»Nein. Warum wollen Sie das wissen?«

Gabriel trat einen Schritt vor, doch bevor er etwas sagen konnte, ging Connor dazwischen.

»Einer von Tophers Mitschülern ist heute am späten Nachmittag von drei Jugendlichen in einen Wagen gezerrt und verschleppt worden. Die Aufzeichnungen einer Überwachungskamera zeigen, dass Topher einer dieser Jugendlichen war.«

Der Gesichtsausdruck von Clarice Morena wurde verkniffen und noch deutlich abweisender als zuvor. »Handelt es sich bei dem verschleppten Mitschüler wieder um diesen Jungen, den Topher angeblich mobbt?«

»Allerdings.«

»Himmel, er ist ein Totenbändiger!«, begehrte Ms Morena auf und warf giftige Blicke in Richtung Gabriel und Sky. »Ich verstehe gar nicht, warum deshalb ständig so ein Theater gemacht wird. Topher hat das Recht, ihn in seine Schranken zu weisen, wenn er sich durch diese Missgeburt bedroht fühlt!«

Gabriels Hände ballten sich zu Fäusten und er hielt sich nur zurück, weil Connor ihm fast den Arm zerquetschte.

»Die Aufnahmen der Überwachungskamera zeigen deutlich, dass der Junge weder Topher noch einen der beiden anderen Beteiligten bedroht hat«, stellte Thad mit kühler Ruhe klar. »Trotzdem haben die drei ihn betäubt, in ihr Auto gezerrt und mitgenommen. Wissen Sie, wo sich Ihr Sohn gerade aufhält? Er macht sich strafbar, wenn er den Jungen grundlos gegen seinen Willen festhält. Und für Sie gilt das Gleiche, wenn Sie unsere Ermittlungen behindern und Informationen zurückhalten.«

Wut blitzte in Ms Morenas Augen auf. »Dieser Junge ist ein Totenbändiger, Himmel noch mal! Sie glauben doch nicht wirklich, dass irgendein Richter meinen Sohn dafür verurteilen würde, sollte er diesem Freak eine Lektion erteilen! Also sparen Sie sich Ihre erbärmlichen Einschüchterungsversuche. Mein Sohn ist fast achtzehn, ich vertraue ihm und er darf seiner eigenen Wege gehen. Ich weiß nicht, wo er heute Nacht ist, aber er hat mir versichert, dass er in Sicherheit sein wird. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Mehr will ich Ihnen auch nicht sagen. Sollten Sie weitere Fragen haben, werden Sie die mir oder meinem Sohn nur in Gegenwart unseres Anwalts stellen, haben Sie das verstanden? Und jetzt verschwinden Sie von meinem Grundstück. Guten Abend!«

Mit einem letzten giftigen Blick in die Runde, trat sie zurück ins Haus und warf geräuschvoll die Tür zu.

Schäumend vor Wut starrte Gabriel ihr hinterher und riss seinen Arm aus Connors Griff. Den stechenden Schmerz, der dabei durch seine verletzte Schulter fuhr, ignorierte er. »Bei dieser Mutter wundert mich gar nichts mehr.« Er hatte die rechte Hand so fest zur Faust geballt, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. »Ich schwöre –«

»Spar es dir.« Thad packte ihn am Oberarm und zog ihn mit sich, bevor Gabriel eine Dummheit machen konnte. »Vielleicht haben wir bei den Nachbarn mehr Erfolg.«

Sie liefen durch den Vorgarten der schmucken kleinen Doppelhaushälfte zurück zur Straße. Sue und Phil stiegen aus dem Familienkombi, mit dem sie den anderen hinterhergefahren waren.

»Und?«, fragte Sue drängend, als die vier unverrichteter Dinge vom Haus zurückkehrten.

Sky schüttelte den Kopf. »Seine Mutter sagt, Topher ist nicht hier.«

»Und wenn sie lügt? Ich hab ihre Blicke gesehen. Sie mag Totenbändiger nicht. Was, wenn sie ihren Sohn deckt?«

Thad drückte ihr die Schulter. »Bleib ruhig, okay? Wir fragen jetzt bei den Nachbarn. Vielleicht sind die kooperativer und wissen mehr.«

»Und wenn nicht?«

»Das sehen wir dann.«

Phil legte seinen Arm um sie. »Lass die vier ihre Arbeit machen.« Er sah zu seinem besten Freund. »Thad weiß schon, was er tut.«

Aufgebracht fuhr Sue sich durch die Haare. »Ja, ich weiß«, sagte sie dann jedoch mit einem entschuldigenden Blick zu Thad und gab sich alle Mühe, Ruhe zu bewahren. »Tut mir leid.«

Thad schenkte ihr ein kleines Lächeln. »Alles gut. Wir finden Cam. Versprochen.« Dann wandte er sich an Gabriel und Sky. »Wartet hier und lasst Connor und mich alleine zu Emmetts Eltern gehen.«

Sofort öffnete Gabriel den Mund, um zu protestieren, aber Thad ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Ich weiß, das passt dir nicht, und glaub mir, mir geht es auch gegen den Strich. Aber wenn die Banks ähnlich drauf sind wie Ms Morena, haben Connor und ich bessere Chancen etwas Hilfreiches zu erfahren, wenn sie keine Totenbändiger sehen.«

Gabriels Gesichtsmuskeln zuckten mit nur mühsam unterdrücktem Zorn und er schlug seine Faust gegen die Autotür.

Auch Sky sah alles andere als glücklich aus, doch sie nickte und fasste ihren Bruder am Arm. »Komm. Thad hat recht. Es geht jetzt nicht darum, Streit mit engstirnigen Idioten anzufangen.«

Gabriels finsterer Blick sprach nicht dafür, dass er ihre Meinung teilte, doch Sky blieb hartnäckig und zog an seinem Arm.

»Komm schon. Es geht nur um Cam und darum, ihn schnell zu finden. Also lass Thad und Connor die Befragung übernehmen.«

Zähneknirschend gab Gabriel nach. Er hasste es, besonnen und vernünftig sein zu müssen. Aber wenn er mitging, bestand nicht nur die Gefahr, dass Emmetts Eltern beim Anblick von zwei Totenbändigern nichts sagen würden. Das Risiko, dass er sich nicht beherrschen konnte, wenn er noch mal ähnliche Worte wie die von Tophers Mutter zu hören bekam, war ebenfalls verdammt hoch. Und Sky hatte recht: Es ging hier jetzt nicht darum, Streit zu suchen, sondern darum, Cam zu finden.

»Ich warte im Wagen«, knurrte er, schüttelte seine Schwester ab und wandte sich zu ihrem Dienstwagen um.

Sky drückte kurz Connors Hand, dann folgte sie Gabriel.

»Los, gehen wir.« Grimmig stiefelte Connor zum Haus der Banks. Die Hunts waren für ihn zu einer zweiten Familie geworden, die ihm unendlich viel bedeutete, nachdem er seine eigene grausam verloren hatte. Und er hasste es jedes verdammte Mal, wenn er hautnah miterleben musste, wie die Ablehnung, die viele seiner Mitbürger Totenbändigern entgegenbrachten, die Menschen verletzte, die ihm wichtig waren. Emmetts Eltern sollten sich daher besser kooperativ zeigen.

»Vielleicht sollten wir mitgehen.« Sue sah Connor und Thad hinterher, als sie durch den Vorgarten zum Haus liefen. »Wenn wir als Eltern an die Banks appellieren, bringt das vielleicht mehr. Wäre ihr Sohn von seinen Mitschülern verschleppt worden, würden sie ihn doch sicher auch wiederfinden wollen.«

Schwer seufzend schüttelte Phil den Kopf und zog sie an sich. »Ich fürchte, das bringt nichts. Du hast gesehen, wie Tophers Mutter auf Totenbändiger reagiert hat. Wenn Emmetts Eltern genauso denken, ist Thads Vorschlag die bessere Idee.«

»Aber du könntest mit ihnen reden. Du bist kein Totenbändiger.«

Wieder seufzte Phil. »Aber Cam ist einer. Und wenn wir Pech haben, fühlen die Banks sich bedrängt, wenn ich als sein Vater vor ihnen stehe, und sie machen dicht.«

Sue schnaubte entnervt, lehnte sich dann aber an ihn und zog seinen Arm fester um sich. Die Sorge um Cam machte sie ganz krank.

Phil ging es nicht besser, doch er hielt sie fest und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Er hatte keine Ahnung, wen er mit dieser vertrauten Geste mehr beruhigen wollte, Sue oder sich selbst. Der Ruhepol der Familie zu sein, war manchmal wirklich anstrengend, und er war froh, dass Granny daheim geblieben war und Jules, Ella und Jaz im Zaum hielt. Die drei auch noch in Schach halten zu müssen, hätten ihn jetzt gerade mehr Geduldsreserven gekostet, als er hätte aufbringen können.

»Komm.« Sanft schob er Sue zum Auto zurück. »Setzen wir uns in den Wagen. Das ist unauffälliger.«

Sie nickte knapp.

An der Haustür der Banks drückte Connor den Klingelknopf. Ein vielstimmiges Glockenspiel ertönte im Inneren des Hauses, dann dauerte es einen Moment bis die Tür geöffnet wurde und ein stämmiger Mann Ende vierzig erschien. Ähnlich wie zuvor Tophers Mutter musterte auch er die Fremden vor seiner Haustür mit einer deutlichen Portion Misstrauen.

»Ja bitte?«

Wieder zog Thad seinen Dienstausweis. »Guten Abend, Sir. Chief Inspector Pearce und Sergeant Fry von der London Metropolitan Police. Sind Sie Fergus Banks, der Vater von Emmett Banks?«

»Schatz, wer ist da?« Aus den Tiefen des Hauses erschien eine beängstigend dünne Frau im ähnlichen Alter wie ihr Ehemann. Sie trat neben ihn und warf als Erstes einen furchtsamen Blick auf die Umgebung, wobei sie peinlich genau darauf achtete, bloß nicht über die eiserne Türschwelle zu treten. Als sie in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nichts Beunruhigendes entdeckte, wandte sie sich den beiden Fremden vor ihrer Haustür zu und musterte sie argwöhnisch.

»London Metropolitan Police, Ma’am. Chief Inspector Pearce und Sergeant Fry«, stellte Thad sich und Connor erneut vor. »Sind Sie Angela Banks?«

»In der Tat. Worum geht es?« Nervös griff sie nach einer kunstvoll gearbeiteten kleinen Silberkugel, die vor ihrer Brust an einer Silberkette baumelte, und begann daran herumzuspielen, während ihr Blick unstet zwischen Thad, Connor und der Umgebung hin und her zuckte.

»Wir suchen Ihren Sohn Emmett. Die Überwachungskamera einer Bushaltestelle hat ihn und seinen Wagen aufgezeichnet, als er vor drei Stunden gemeinsam mit zwei weiteren Jugendlichen einen Mitschüler gegen seinen Willen in sein Auto gezerrt hat. Wir gehen von einem dummen Streich aus, doch bisher ist der Junge noch nicht wiederaufgetaucht.«

»Ist der Junge einer dieser Totenbändiger, die seit den Sommerferien mit unserem Sohn zur Schule gehen?«, wollte Mr Banks prompt wissen und sein ungehaltener Tonfall machte unmissverständlich deutlich, was er von diesem Pilotprojekt hielt. »Der, mit dem es immer wieder Ärger gibt? Wir waren von Anfang an dagegen, dass dieses Gesocks auf die Ravencourt gehen darf. Die sind gemeingefährlich und es war abzusehen, dass es mit denen nur Probleme geben wird. Wenn Emmett und seine Freunde da ein bisschen für Ordnung sorgen, ist das ihr gutes Recht!«

Connor zwang sich, professionell und ruhig zu bleiben. Emmetts Auto stand nicht vor dem Haus, also lag die Vermutung nahe, dass weder er noch Topher oder Cam hier waren. Sie mussten daher geschickt vorgehen, wenn die Befragung der Banks in keiner Sackgasse enden sollte.

»Ja, natürlich, Sir. Aber die Eltern des Jungen sind in großer Sorge. Besonders, weil die Unheilige Nacht bald anbricht. Sicher können Sie als Vater das nachvollziehen. Wissen Sie, wo Ihr Sohn sich gerade aufhält und ob er in Sicherheit ist? Falls der Totenbändiger sich bedrängt gefühlt hat, besteht schließlich Grund zur Sorge, dass er mit seinen Kräften um sich geschlagen und Ihren Sohn dabei verletzt haben könnte. Und sollten sie irgendwo sein, wo sie nicht ausreichend gut geschützt sind, könnte das in dieser Nacht fatale Folgen haben, falls sie nicht mehr in der Lage sein sollten, sich eigenständig in Sicherheit zu bringen.«

Connor war froh, dass Gabriel und Sky seine Worte nicht hören konnten. Doch um hilfreiche Informationen zu bekommen, war ihm gerade so gut wie jedes Mittel recht. Die Dämmerung war schon weit fortgeschritten und wenn Topher und Emmett Cam irgendwo im Freien gelassen hatten, wurde es langsam wirklich gefährlich.

Die beiden Banks tauschten einen Blick und Emmetts Mutter nestelte wieder an ihrer Kette herum.

»Unser Sohn ist nicht dumm«, entgegnete Mr Banks schroff. »Wenn er diesem Totenbändiger eine Lektion erteilt hat, dann hat er sich dabei ganz sicher nicht selbst in Gefahr gebracht.«

»Nein, ganz bestimmt nicht«, stimmte Emmetts Mutter ihrem Mann sofort zu. »Sie haben diesem Jungen sicher nur einen Denkzettel für den Ärger verpasst, den er ständig macht. Emmett ist ein guter Junge und immer sehr verantwortungsbewusst, deshalb ist er ganz bestimmt in Sicherheit. Einer seiner Freunde gibt heute eine Übernachtungsparty.« Sie lächelte verkrampft und warf erneut einen ängstlichen Blick in ihre Nachbarschaft. »Wie Jugendliche halt so sind. Sie gehen mit den Gefahren der Unheiligen Nächte auf ihre ganz eigene Art um. Und das ist auch gut so.«

»Natürlich«, nickte Thad. »Können Sie uns den Namen und die Adresse des Freundes nennen, bei dem diese Party stattfindet? Auch wenn die Jugendlichen dort gewiss alle genauso verantwortungsbewusst sind wie Ihr Sohn, würden wir gerne einmal nachsehen, ob die Kinder dort wirklich sicher angekommen und nicht noch draußen unterwegs sind.«

»Ich glaube, er heißt Stephen«, sagte Mrs Banks nach kurzem Überlegen. »Aber seinen Nachnamen oder die Adresse kenne ich leider nicht.« Sie lächelte entschuldigend. »Emmett ist schon fast erwachsen und er mag es nicht, wenn man ihm zu viele Fragen stellt. Persönlicher Freiraum ist den jungen Leuten heute sehr wichtig und wir als fortschrittlich denkende Eltern respektieren das natürlich.«

Fortschrittlich denkend – ja klar! Connor schnaubte innerlich.

»Das ist sehr löblich«, heuchelte Thad. »Danke für die Auskunft.«

Mrs Banks nickte knapp und wich ins Haus zurück, offensichtlich erleichtert, dass sich das Gespräch dem Ende zuneigte und sie sich nicht länger den Gefahren der offenen Haustür ausliefern musste.

»Emmett ist ein guter Junge«, stellte Mr Banks noch einmal klar. »Sollte dieser Totenbändiger oder seine Eltern ihm Ärger machen, kümmert sich unser Anwalt darum.«

»Natürlich.« Connor riss sich zusammen und legte den gebührenden Ernst in seine Stimme. Sie hatten bekommen, was sie wollten. Das war es, was zählte. »Wir wünschen Ihnen eine sichere Unheilige Nacht.«

»Danke. Die wünschen wir Ihnen auch.« Mit einem letzten nervösen Lächeln schloss Mrs Banks hastig die Tür.

Thad und Connor wandten sich um und eilten über den Weg zurück zu den Wagen.

»Kannst du mit dem Namen Stephen etwas anfangen?«, fragte Thad. »Sonst fordere ich eine Namensliste der Schüler der Ravencourt an.«

»Ich glaube, Jules kennt ihn. Fragen wir ihn zuerst.«

Thad stöhnte. »Sicher, dass das die beste Idee ist?«

»Nein. Aber es ist mit Sicherheit die schnellste.«

Die Totenbändiger - Band 6: Unheilige Nacht

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