Читать книгу Lambadu - Nadine Seidel - Страница 11
ОглавлениеKapitel 6
Der Raupenblitz
Schnell überquerten sie den Hof und verschwanden in der Sattelkammer. Frisches Stroh lag auf dem Boden. An schweren Metallhaken hing das Zaumzeug. Die Pferde wieherten.
Lambadu blieb vor einer Box stehen. Sie streichelte über die lange Mähne ihres Pferdes. Joe Braun wieherte vor Freude. Glücklich zeigte das braun-weiß gefleckte Pferd seine Zähne. Lambadu gab ihm eine Möhre und Joe kaute genüsslich.
»Wir fliegen nach Zoldaum! Pass mit deinen Freunden gut auf unser Zahnfeenland auf, Joe!«
Die Zahnfee streichelte über den Hals des Pferdes, dann stapfte sie weiter durchs Stroh.
Es raschelte im Heu. Eine Maus huschte an ihr vorbei. Cooper öffnete ein dickes Vorhängeschloss. Kräftig schob der Schmetterling das Tor zur Seite.
»Jetzt weiß ich, wo du immer warst, wenn ich dich nicht gefunden habe. Du hast an deinem Raupenblitz gearbeitet!«
Lambadu lief zu dem bunten Gefährt hinüber. Neugierig streckte sie ihre Hand aus. Sie strich über die lackierte Motorhaube.
»Warum ist hier eine 76?«
»Das ist Zufall. Die Zahl lag zerknittert hinter Simvastas Putzzeug. Es war eine Startnummer und ich habe sie gefragt, ob ich sie haben kann«, sagte der Schmetterling.
»Alle Teile habe ich mir mühsam zusammengesucht aus weggeworfenen Dingen oder ich habe sie von jemandem gebraucht bekommen. Es war schwer, den passenden Motor und das Getriebe zu bauen. Das hat mich am meisten Zeit gekostet. Für die Dosierung des Flugstaubs habe ich Tage gebraucht, bis der Raupenblitz endlich lief. Und ohne die Hilfe von Isar Xave, damals, als sie uns besucht hat, hätte ich die Gedankenkraft niemals einbauen können. Da war ich kurz vorm Aufgeben«, sprudelte Cooper wie ein Wasserfall.
»Du bist ein großer Erfinder. Was kann er alles?«, fragte Lambadu.
Der Schmetterling strahlte und zählte auf: »Guck hier, er ist extra lang, aber schmal. Ich wollte ihn so schmal wie möglich bauen, damit er schneller ist. Wir sitzen hintereinander. Du steigst hier einfach ein.«
Cooper öffnete eine kleine Tür. Lambadu betrachtete die drei weich gepolsterten, roten Sitze. Ein Lenkrad aus Holz und ein Pedal waren vorne eingebaut. Darunter befand sich ein kleiner Trichter. Viele Knöpfe waren neben dem Lenkrad zu sehen.
»Wofür sind die?«, fragte Lambadu.
»Der Raupenblitz kann fliegen und schweben, er hat Kufen, Räder und Licht. So kann ich alles einstellen. Unter meinem Sitz habe ich einige dicke Ersatzröhrchen mit Flugstaub verstaut. Ich habe sie mit einem Gurt unter meinem Sitz festgeschnallt, damit sie nicht wegfliegen!«, erzählte Cooper stolz.
Lambadu schaute unter den Sitz. Sie entdeckte die Reagenzgläser, die stramm nebeneinander befestigt waren. Der Flugstaub wirbelte in den Gläsern.
»Erzähl mir mehr!«, bat sie Cooper.
»Das einzige Problem, das ich noch nicht richtig lösen konnte, ist das Bremsen. Ich kann vorne langsam bremsen, aber wenn wir schnell anhalten müssen, brauche ich deine Hilfe. Hinten sind zwei Griffe, daran musst du dann ziehen. Es ist ganz einfach. Verstehst du?«
»Ja, ich verstehe. Aber eine Frage habe ich noch. Er ist oben offen. Der Wind weht stark. Wie können wir denn etwas sehen?«
»Tante Pampur hat mir drei Fliegermützen genäht und ich habe dazu noch drei Brillen gebaut. Isar Xave hat von den Zwergen dünnes Glas anfertigen lassen, so ist die Sicht immer glasklar.«
Cooper öffnete eine kleine Heckklappe. Er holte strahlend die Brillen und seine Pilotenmütze hervor und zeigte sie Lambadu. Dann steckte er sie zurück.
»Sieh dir vorne die gebogene Scheibe an. Sie dient als Schutz vor Wind und anderen Gefahren. Sie ist unzerstörbar, weil sie aus geschliffenen Bergkristallen ist. Hauchdünn, aber voller Magie. Die Zwerge haben das Glas tagelang bearbeitet.«
Lambadu schaute sich alles genau an.
»Muss ich noch etwas wissen, bevor es losgeht?«, fragte die Zahnfee.
»Nein, steck deine Tasche hier hinein. Hast du das fremde Ding eingepackt?«, fragte Cooper.
»Natürlich!«, antwortete Lambadu.
»Bist du bereit?«
»Ja! Auf geht’s!«
Der Schmetterling nahm seine braune Pilotenkappe, gab Lambadu eine rote Fliegerkappe. Lambadu stopfte ihre Tasche in den kleinen Raum hinter den Sitzen. Cooper stieg vorn in seinen Raupenblitz ein. Lambadu setzte sich hinter ihn in den plüschigen Sitz und machte die Tür zu. Sie rückte die Brille zurecht und wartete gespannt. Cooper drückte ein paar Knöpfe. Flugstaub wirbelte in die Luft. Der Raupenblitz hob vom Boden ab und setzte sich in Bewegung. Langsam flogen sie an den Pferden vorbei.
Cooper zog sein Lenkrad zu sich heran. Der Raupenblitz beschleunigte vor den großen Augen der Tiere. Joe Brauns dichte Mähne wehte im Wind, das Stroh wirbelte umher.
»Auf nach Norden!«, schrie Lambadu gegen den Wind.
»Durch den Wald und die Sümpfe von Mabelhuk! In den Wäldern wird es immer nasser. Wenn der Boden unter Wasser steht, dann haben wir den Moorsee erreicht«, erklärte Cooper.
Lambadu schaute sich um. Der Wind rauschte kräftig in ihren Ohren und das Feenland zog an ihr vorbei. Einige Zahnfeen plumpsten gerade magisch vom Himmel. Der Raupenblitz düste an ihnen vorbei.
Lambadu und Cooper flogen durch den Wald. Die Strahlen der Sonne bahnten sich einen Weg durch die Bäume. Moos und wilde Kräuter wuchsen an vielen Stellen auf dem Boden. Lambadu entdeckte im Vorbeifliegen weiße Pilze, die in Gruppen in den schattigen Hohlräumen von Wurzeln wuchsen.
Sie folgten dem Lauf eines Baches nach Norden. Der Raupenblitz raste über den mit Tannennadeln bedeckten Boden. Manchmal streiften sie niedrige Sträucher. Sie hinterließen im Wald eine Spur aus magischem Flugstaub.
»Hörst du mich?«, brüllte Cooper.
»Ja, ich kann dich verstehen!«
»Was weißt du über die Sümpfe von Mabelhuk?«
»Nicht viel! Warum fragst du?«
»Ich habe gehört, dass sie gefährlich, unheimlich und düster sind. Tante Pampur hat erzählt, es gäbe bei Nacht Irrlichter und tagsüber fleischfressende Pflanzen!«, rief Cooper, während er den Raupenblitz lenkte.
»Man hinterlässt keine Spuren. Das Moor ist voller Geheimnisse. Ich kenne die Geschichten über Fabelwesen, die im Moor verschwunden sind. Wir dürfen nicht den Mut verlieren, aber wir müssen vorsichtig sein!«
Der Raupenblitz wackelte ein bisschen.
Cooper trat das Pedal des Raupenblitzes durch. Die Reagenzgläser mit magischem Flugstaub unter seinem Sitz klimperten. Sie düsten zwischen Fichten, Kiefern und Tannen hindurch. Langsam lichtete sich der Wald. Eine seltsame Stille breitete sich aus. Am Himmel zogen zahlreiche Wolken, als Cooper den Raupenblitz zum Waldrand steuerte.
Er drosselte das Tempo und rief: »Lambadu, brems!«
Sie zog kräftig an beiden Griffen. Der Raupenblitz hielt an und schwebte auf einer Stelle. Verbrauchter Flugstaub rieselte wie Schnee herab und versank im dunklen Morast. Einige Krähen flatterten auf.
»Es funktioniert! Ich habe ihn noch nie bei so einem Tempo zum Stehen gebracht!«
Cooper nahm lachend die Fliegerbrille ab.
Lambadu grinste.
»Man weiß gar nicht, wo Land aufhört und Wasser anfängt. Hier sind kleine schwarze Tümpel, sie wachsen vom Rand mit Pflanzen zu. Es sieht aus, als würden die Pflanzen auf dem Wasser schwimmen. Der Boden scheint schlammig zu sein. Und diese Stille ist unheimlich!«
»Ein falscher Schritt und wir könnten versinken. Die Sümpfe sind groß. Wir müssen uns einen Platz suchen, wo wir heute übernachten können. Ohne Pause schaffen wir es nicht bis nach Zoldaum. Aber dem Boden traue ich nicht. Er ist weich und tückisch. Ich habe gehört, es gibt Löcher im Morast!«
Die beiden sahen sich um. Vor ihnen lag die schaurige Weite des gefährlichen Moorsees. Hier konnten sie nicht bleiben. Sie setzten sich ihre Fliegerbrillen wieder auf. Der Raupenblitz flog los.
Sie starrten auf die fast kahlen, mickrigen Bäume, die vereinzelt im Moor wuchsen. Ihre krumm gewachsenen Zweige knarrten und ächzten im Flugwind. Die trockenen Blätter flatterten gespenstisch in der Luft.
Nebelschwaden waberten über die Sümpfe. Bald konnten sie kaum noch etwas erkennen. Cooper lenkte den Raupenblitz durch den Nebel, bemerkte jedoch viel zu spät die vielen Äste, auf die sie pfeilschnell zusteuerten.
»Brems!«, schrie Cooper und Lambadu zog die Hebel. Doch die Büsche kratzten bereits über das Metall. Der Raupenblitz krachte mit Wucht in einen Haufen Äste und blieb stecken. Coopers Holzpedal zerbrach.