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Ilia

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Die Wärme umfing ihren Körper, als sie langsam in die frisch gefüllte Wanne aus grauem Marmor glitt. Ihre Dienerin hatte das Wasser ordentlich aufgeheizt, wie sie es befohlen hatte. Die Hitze würde den Kreislauf in Schwung bringen und ihr Vorhaben beschleunigen. Nachdem das Bad gerichtet worden war, hatte Ilia all ihre Bediensteten nach Hause geschickt, sodass sie nun mit sich, ihren Gedanken und ihrem Leid völlig allein sein konnte. In dem riesigen Gebäude auf dem Hügel, das zum größten Teil aus feinstem Marmor bestand, war kein Geräusch mehr zu vernehmen. Nur das leise Plätschern des Wassers, das Ilias Körper umhüllte, tönte überlaut durch ihre Gemächer. Und auch das würde bald verklungen sein. Von dem Aufruhr, der in den Straßen herrschte, war hier oben, weit über den Dächern der Stadt, nichts zu hören. Heute war ein aufregender Tag für das ganze Volk. Der Kaiser war tot. Ermordet von seinen langjährigen Gegenspielern. Und durch diese Freveltat war das Volk in zwei Teile gespalten worden. Die einen beweinten den toten Kaiser, die anderen jubelten und ließen den Mörder hochleben.

Ilia war erleichtert, nicht mehr dabei sein zu müssen. Sie hatte sich so schnell es ihr möglich war in ihr Haus zurückgezogen, wo sie im wahrsten Sinne des Wortes über den Dingen thronte und sich auf ihre ganz eigene Weise mit dem Ereignis beschäftigte, das auf so tragische Weise mit ihr verbunden war.

Der Kaiser war tot, ihr Geliebter war tot … ermordet, erdolcht. Ilia hatte in der Taverne während eines Treffens mit ihren Freundinnen davon erfahren. Die Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer in der Stadt verbreitet. Kaum war das Lebenslicht des Kaisers vollständig erloschen, da wusste es bereits das ganze Volk … auch Ilia. Es war schwer gewesen, sehr schwer, den Schmerz vor ihren Freundinnen geheim zu halten. Niemand hatte je von ihrer Liebschaft erfahren dürfen. Er hatte es nicht gewollt und sie hatte es zu seinen Lebzeiten respektiert und würde es auch jetzt tun. Er hatte ihr diese Villa abseits der Stadt geschenkt, damit sie sich ungestört treffen konnten. Natürlich war jedem klar, dass selbst die beste Waffenschmiedin der Stadt, und sie war die Beste, sich nicht aus eigenem Verdienst ein solches Haus leisten konnte, aber es wurden nie mehr als flüchtige Gerüchte daraus.

Die Nachricht über den Tod des Kaisers war nicht nur finanziell vernichtend für sie. Sie hatte ihn wirklich geliebt. Er war ihr Leben gewesen.

Während sie noch wie betäubt bei ihren Freundinnen am süßen Wein nippte, wurden immer mehr Einzelheiten über die Freveltat auf der Welle des Tratsches zu ihnen herangetragen. Erdolcht worden sein soll der Kaiser, ein schönes Stück soll es gewesen sein. Fein gearbeitet, mit Löwen verziert und grünen Steinen bestückt. Während Ilia schweigend und beherrscht die Neuigkeiten zur Kenntnis nahm, hatte sie das Gefühl, dass man ihr nach und nach die Luft zum Atmen raubte. Sie kannte diesen Dolch. Es war eines ihrer Werkstücke, das sie für einen der Senatoren gefertigt hatte. Es war eine Arbeit aus ihrer Hand, die ihrem Geliebten das Leben genommen hatte. Er war durch ihre Hand getötet worden! Dieser Gedanke ging ihr nicht aus dem Kopf, als sie sich fluchtartig in ihr Haus zurückzog, vom Schmerz betäubt und von der Verzweiflung gelähmt.

Es dauerte nicht lange, bis sie wusste, dass sie mit dieser Last nicht weiterleben wollte, dass sie nicht alleine auf dieser Welt verweilen wollte. Das warme Wasser umschmeichelte ihren nackten Körper, der Dolch lag bereit. So wie er durch ihre eigene Arbeit gestorben war, wollte auch sie durch eines ihrer Werke sterben. Langsam griff sie nach dem glänzenden Metall, das beruhigend und kühl in der Hand lag. Die scharf geschliffene Klinge glitt sanft durch die Haut, ohne dass sie viel Druck ausüben musste. Sie verstand eben etwas von ihrem Handwerk. Es schmerzte kaum, aber das Blut schoss bald aus den geöffneten Pulsadern und färbte das Wasser tiefrot. Jetzt brauchte sie nur noch die Augen zu schließen und zu warten. Sie dachte an ihren Geliebten, dem sie nun in das Reich der Toten folgen würde. Und mit dem Blut, das aus ihren Adern floss, floss auch das Leben aus ihrem Körper.


Weibsstücke

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