Читать книгу The Butterfly Tales: Imogen - Nadja Losbohm - Страница 7

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Ein Meuchelmörder zu sein, ist manchen in die Wiege gelegt. Sie sind regelrecht für dieses Dasein geboren, ob sie es wollen oder nicht. Andere wählen den Weg oftmals aus freien Stücken, manchmal aus Verzweiflung, um das Geld einzuheimsen, das lockt. Und wieder andere werden durch Erziehung oder Zwang dazu gemacht, als heimtückische Attentäter zu leben.

Blake und Arren, in der Reihenfolge, gehörten zu den ersten zwei Kategorien. Und so wie sie sich darin unterschieden, waren sie auch in ihrem Wesen ungleich. Das stellte Blake nun einmal mehr fest, als er mit Arren an dem Lagerfeuer lag, das sie zur Nacht in einer Erdkuhle im Wald entfacht hatten. Umgeben von hoch aufragenden Bäumen, dichtem Gebüsch, war dies ein idealer Platz, um zu übernachten. Wäre da nicht das stete Geplapper von Arren gewesen, das die Geräusche des Waldes beinahe zur Gänze übertönte. Nur wenn er Luft holte, um zum nächsten Satz anzuheben, konnte Blake den nächtlichen Ruf der Eulen hören oder das Kratzen von kleinen Pfoten, die einen Baumstamm hinaufkletterten.

Seufzend rollte sich Blake auf den Rücken, den er Arren absichtlich zugedreht hatte in der Hoffnung, ihm damit deutlich zu machen, dass er sein Gefasel satthatte und schlafen wollte. Doch manchmal konnte sein Partner wirklich schwer von Begriff sein, oder aber er blendete Dinge einfach wissentlich aus, die er ausblenden wollte.

Blake rieb sich über das Gesicht und legte die Hände auf seiner Brust ab. Der Blick seiner graublauen Augen wanderte hinauf zu dem Blätterdach über ihnen. Durch die winzigen Lücken darin und durch den seichten Wind, der das Laub sachte bewegte, konnte er das Mondlicht und die Sterne funkeln sehen. Es war eigentlich ganz hübsch anzusehen, stellte er fest, und fast stahl sich ein Lächeln in sein Gesicht. Aber dann erinnerte er sich, dass er kein Mann war, dem so etwas stand. Freundlich dreinschauen, zuvorkommend reden? Nicht mit ihm. Er hielt auch nicht viel davon, wenn andere es taten. Sie kamen ihm immer falsch vor, die höflichen Worte, die netten Gesten, und er hatte schon zu viel erlebt, sodass er wusste, dass solches Getue nur Schauspielerei war, mit der die Menschen einen einlullen wollten, damit man ihre wahren Absichten nicht erkannte. Es war zur Manipulation gedacht. Das war seine, Blakes, Meinung und da konnte kommen, wer wollte, er würde von ihr nicht abrücken. So fest verankert war sie in ihm.

„Blake!“

„Was?“, fragte er scharf.

„Hast du mir zugehört?“, fragte Arren von der anderen Seite des Lagerfeuers.

„Hm“, brummte Blake. Es war eine Lüge. Nicht einmal mit einem halben Ohr hatte er den Worten des anderen gelauscht.

„Ich hatte dich etwas gefragt.“

Verdammt! Blake sah seinen Partner an, emotionslos, wie er hoffte, und nicht preisgebend, dass er tatsächlich nicht auf das Gesagte geachtet hatte.

„Was ist nun? Hast du dich je geliebt gefühlt?“, wiederholte Arren seine Frage. Blakes Innereien verkrampften sich. Dieses Gerede über Emotionen – er kam sich vor wie in Gesellschaft eines gefühlsduseligen Weibes.

„Nein“, gab er auf seine schockierend ehrliche Art als Antwort, „immer nur beurteilt.“

Arren schnaubte. „Bist du dir sicher?“

„Ja.“

„Hm“, machte Arren und zupfte an seinem Bart, der lang genug war, dass er ihn hatte flechten können und der ein passendes Gegenstück zu seinem Haupthaar bildete, das ebenfalls dunkelblond war und an den Seiten zwei geflochtene Stränge hatte, die eng an seinem Kopf lagen und im Nacken mit einem schwarzen Lederband zusammengebunden waren. „Dann ist das sehr traurig, mein Freund.“

„Ist es nicht. Es ist nur eine Tatsache“, erwiderte Blake. In Ordnung, vielleicht flunkerte er ein bisschen. Ein kleinwenig traurig und schmerzvoll war es schon, so zu empfinden und so etwas zu sagen. Doch anscheinend, so dachte er, war er nie genug für jemand anderes gewesen, um geliebt zu werden. Im Gegensatz zu Arren, der zwar einen halben Kopf kleiner und etwas stämmiger, aber nichtsdestotrotz muskulös war, einen sanftmütigen Blick und ein einnehmendes Lausbuben-Lächeln hatte, war Blake groß gewachsen wie eine Bohnenstange, hatte muskulöse lange Arme, scharf geschnittene Gesichtszüge, dunkle halblange Haare, einen dunklen Vollbart, der hier und da von Grau durchzogen war, und eine viel zu große schmale Nase. Nichts an seinem Aussehen wies Romantik oder Zartheit auf, ja nicht einmal Liebenswertes.

„Du denkst an dich immer noch als den Jungen, der du einst warst. Aber du hast dich verändert“, sagte Arren.

Blake starrte ihn überrascht an. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass er all das laut ausgesprochen hatte. Er richtete den Blick wieder hinauf zu den im Wind tanzenden Blättern. „Schon möglich, dass ich in der Vergangenheit lebe“, meinte er.

„Du wirst es schon noch schaffen, sie hinter dir zu lassen“, entgegnete Arren und winkte ab. „Und dann wirst du eine Frau treffen, die dir das Gefühl gibt, geliebt zu werden, so wie es bei meiner Frau und mir ist. Das haben wir alle verdient.“

An Blakes Augenwinkel zuckte ein Muskel. Hatte Arren Recht? Hatten es alle Menschen verdient, geliebt zu werden? Zumindest was ihn selbst anging, war er sich nicht sicher. Er hatte viel Schlimmes, Unverzeihliches getan. Er hatte sich verstellt, sich für jemand ausgegeben, der er nicht war, hatte gelogen, betrogen, getäuscht, gestohlen, gemordet – und das alles für Geld. Damit er leben konnte, mussten andere sterben. Er hatte nicht einmal in Erfahrung gebracht, ob die Anschuldigungen stimmten oder nicht, wenn ihm ein nächster Name genannt wurde. Nur der Auftraggeber war ihm wichtig gewesen. Ob dieser sein Opfer denunzierte, war belanglos. Immerhin wurde Blake für das bezahlt, was er mit seinen Händen tat, und nicht für das Stellen von Fragen. Dies alles zu vergessen, schien unmöglich. Wie sollte er da glauben, dass es besser werden würde? Wie sollte er glauben, dass er eines Tages liebenswert sein würde, wenn er es bis jetzt zu seinem Alter von zweiundvierzig Jahren nie gewesen war?

„Ich bin nicht dazu gemacht, jemand zu lieben und zu umsorgen“, sagte er schließlich, der Unterarm über seinem Gesicht liegend. „Ich bin auch nicht dazu gemacht, von jemand geliebt zu werden. Ich habe auch kein Interesse an zwischenmenschlichen Beziehungen.“

Arren lachte. „Und wie bezeichnest du das, was wir haben?“

Blake kam hinter seiner Deckung hervor und rollte sich auf die Seite, um sich seinem Partner zuzudrehen. Er legte ein schiefes Grinsen auf und stierte über die Flammen hinweg zu ihm. „Ein notwendiges Übel“, konterte er.

Mit dieser Antwort hatte Arren nicht gerechnet. Er verschluckte sich an seiner eigenen Lache und hustete. „Sehr freundlich. Danke“, sagte dieser und rang nach Luft.

„Habe ich dich beleidigt?“, fragte Blake zuckersüß und fasste sich theatralisch an die Brust. Arren winkte ab. „Es ist nun einmal eine Tatsache, dass es besser ist, zu zweit unterwegs zu sein. Der Zufall wollte es, dass du einer der besten Krieger bist, die es gibt“, erklärte er weiter. „Gleich nach mir natürlich.“

Arren schnaubte. „Selbstverständlich. Aber im Ernst, fehlt es dir nicht, eine liebevolle Beziehung zu einer Frau zu haben?“

„Nein.“ Die Antwort kam viel zu schnell, als dass sie ehrlich gemeint sein konnte. Dieses kleine Wörtchen wirkte vielmehr wie ein Kanonenschuss, der zum Selbstschutz abgefeuert wurde, damit nicht die Wahrheit ans Licht gelangen konnte. Arren verstand es und lächelte nachsichtig. Blake schloss seufzend die Augen.

„Ich bin ein geborener Blender und Meuchelmörder“, begann er zu sagen und sah seinem Gegenüber in die Augen. „Was ich nicht bin, ist ein Ehemann. Ich bin fähig zu töten, aber nicht zu lieben. Glaube mir, ich habe es versucht. Ich habe versucht, ein anderes Leben zu führen, aber ohne Erfolg. Das, was ich nun tue, ist das, was ich am besten kann.“ Er konnte es Arren vom Gesicht ablesen, dass dieser schockiert war von den Worten. Doch Blake sah es ganz pragmatisch. Die Dinge waren nun einmal so. Was soll’s?

„Du vergisst dabei, dass du in deinem Tun auch Gutes bewirkst. Du befreist die Welt von Tunichtguten und den übelsten Verbrechern“, erwiderte Arren. Und schaffe Platz für neue Schurken, dachte Blake bitter. „Egal wie du über dich selbst denken magst, ich werde für dich beten, mein Freund, dass du lernst, dich anders zu sehen, Seiten an dir entdeckst, die du nicht kennst, und dass du die Erfahrung einer gesunden, gegenseitigen und aufrichtigen Liebe machst“, sagte Arren und nickte bedächtig.

Nun war es an Blake zu lachen. „Spar dir das. Gebete funktionieren nicht. Es gibt nicht den einen Gott oder irgendwelche anderen Gottheiten oder höheren Mächte! Und wenn doch, dann nur solche der finsteren Sorte, die dafür sorgen, dass sich Schlechtes erfüllt, aber nicht Gutes und die darüber auch noch lachen. Und jetzt Schluss mit dem verweichlichten Gerede oder hast du noch irgendwelche Sorgen, was mich und mein Gefühlsleben angeht?“

Arren schüttelte den Kopf. „Nein, im Moment nicht. Du hast mir vorerst genug zum Nachdenken gegeben. Vielleicht fällt mir später noch etwas dazu ein.“

Blake nickte. „Viel Glück beim Grübeln. Du kannst dafür die erste Nachtwache verwenden. Ich versuche jetzt, etwas Schlaf zu bekommen.“ Und damit rollte er sich auf die andere Seite, den Rücken zu seinem notwendigen Übel gewandt, und schloss die Augen. Das Letzte, was er hörte, waren diese Arrens Worte: „Dein Name passt perfekt zu dir, mein Freund. Blake – dunkelhaarig und dunkles Gemüt.“

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„Oh, er ist unausstehlich, dieser Blake“, seufzte Prinzessin Laoghaire. Sie mochte die Figur, die ihr Bruder erschaffen hatte, so wenig, dass sie ein Schaudern durchfuhr.

„Ich mag ihn“, sagte Prinz Anrai und betrachtete sich die Zeichnung des verbitterten Mannes auf der Tapete, der hinauf zu dem gottgleichen Wesen über sich schaute.

Der Prinz war regelrecht stolz auf das, was er sich zu ihm ausgedacht hatte. Nun gut, vielleicht war er etwas über das Ziel hinausgeschossen für den Geschmack seiner Schwester. Aber was hatten sie abgesprochen? Jeder erzählte die Geschichte auf seine Weise, und er war sich sicher, dass sich alles gut zusammenfügen würde.

„Jetzt bist du an der Reihe, Schwesterchen“, sagte er und setzte sich auf den Boden direkt vor der Wand. „Jetzt können deine Träumereien die Welt unserer Erzählung betreten. Wie geht es weiter?“ Grinsend zwinkerte er Prinzessin Laoghaire zu.

Diese raffte ihr Kleid und setzte sich im Schneidersitz hin. Grüblerisch ließ sie ihre Blicke über die Tapete wandern, während ihre Finger über die hellen rosa, grünen und blauen Stickereien ihres Rocksaums strichen. Es dauerte eine Weile, bis sie die passende Idee hatte, um die Geschichte weiterzuerzählen, und Prinz Anrai fing schon an, ungeduldig zu fragen: „Wird das heute noch was? Oder soll ich weitermachen?“

Die Prinzessin hob gebieterisch die Hand. „Still! Ich bin so weit.“

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The Butterfly Tales: Imogen

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