Читать книгу The Butterfly Tales: Imogen - Nadja Losbohm - Страница 9

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Sie liefen und liefen, geführt von Blake, der trotz der um sie herrschenden Finsternis zu wissen schien, wo es für sie entlangging. Stunden mochten vorübergegangen sein, so dachte Arren. Zumindest fühlten sich seine Beine danach an und Imogen, die weit mehr Strapazen in dieser Nacht durchlebt hatte, zeigte noch viel größere Erschöpfung. Doch egal wie oft sie stöhnte, strauchelte und fiel, Blake gönnte ihr keine Rast. Im Gegenteil, er zerrte sie wieder auf die Beine und zog sie mit sich. Manchmal hob er sie auf und trug sie ein Stück des Weges, aber nie für sehr lange, und wenn sie dachte, sie könnte auf seinen Armen ruhen, belehrte er sie eines Besseren. Mit unzähligen Fragen überhäufte er sie, wollte alles in Erfahrung bringen, das es für ihn und Arren zu wissen gab über Imogens Verfolger.

„Du hast unsere Hilfe gewollt. Wenn du sie weiterhin willst, wirst du uns Informationen geben müssen, damit wir uns vorbereiten können auf das, was uns im schlimmsten Fall erwartet“, hatte er ihr bereits am Anfang ihrer nächtlichen Wanderung erklärt. Somit hatten die beiden Männer von Imogens Volk, den Dealan-Dè, erfahren. Arren und mehr noch Blake konnten kaum begreifen, dass es die Welt gab, von der sie erzählte. Doch sie brachte die Worte so glaubhaft hervor, beschrieb so detailreich, dass dieses unbekannte, verborgene Land namens Beathan existieren musste.

„Beathan und das Reich Rohat, meine Heimat, sind unsichtbar für eure Augen. Nur ein Zauberspruch vermag den Schleier, der über ihnen liegt, zu lüften. Dort leben wir, beschützen wir, heilen wir je nach dem, welche Fähigkeiten und Talente ein jeder von uns hat. Angeführt werden die Kriegerinnen, Magierinnen, Wächterinnen, Handwerkerinnen, Heilerinnen und alle übrigen von unserer Königin Enid, die die Dealan-Dè aus ihren Tränen gebiert. Sie ist eine strenge Herrscherin, die von ihren Untertanen viel erwartet, aber sie ist auch gütig, wenn dies angebracht ist. Bei aller Strenge ist sie gerecht. Sie wird sehr verehrt von ihrem Volk, so auch von mir. Ich könnte mir keine Bessere vorstellen, die die Aufgabe übernimmt. Obgleich es uns allen sehr gut geht und es niemand an etwas mangelt, kam vor einiger Zeit Unmut in einigen aus unseren Reihen auf. Erst war es nur eine, die ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllte und Befehle verweigerte. Bald darauf schlossen sich ihr weitere an. Aus einer wurden fünf und aus fünf wurden zehn. Mittlerweile sind es etwas mehr als fünfzig Dealan-Dè, die sich zusammengetan haben und rebellieren. Sie gehen gegen anders Denkende vor, unterdrücken, bedrängen, intrigieren und reden auf andere ein, um sie zum Überlaufen zu bewegen. Wer sich ihnen nicht anschließt, ist ein Verräter. Unsere Königin befürchtet, dass sich diese Krankheit, oder was auch immer es ist, das ihre Töchter und meine Schwestern befallen hat, weiter ausbreitet und bald nur noch Dunkelheit herrscht.“

„Hat eure Königin denn nicht versucht, gegen die Aufrührer vorzugehen? Hat sie sie nicht festnehmen und einsperren lassen?“, fragte Arren. Er packte Imogens Arm gerade noch rechtzeitig, bevor sie auf die Nase fallen konnte, da ihr Fuß sich in einer Wurzel verfangen hatte.

„Natürlich hat sie das getan!“, antwortete sie scharf, erbost darüber, dass er hatte annehmen können, ihre Königin sei unfähig, mit dieser Situation umzugehen. „Sie hat sie einkerkern lassen, aber das Gift, das in den Gefangenen wütete, hatte bereits andere außerhalb der Zellen angesteckt. Jenen gelang es, die Festgenommenen zu befreien, und zusammen flohen sie. Lange haben wir nicht verstanden, wieso all das passiert und warum unsere Freunde zu unseren Feinden wurden. Eines Tages kehrte eine Rebellin reumütig in unser Reich zurück, beugte ergeben das Knie und gab uns dringend benötigte Antworten. Sie erzählte davon, dass die Abtrünnigen es auf unseren größten Schatz abgesehen hätten, der verborgen in einer für Menschenaugen unsichtbaren Höhle auf die Zeit wartet, in der er ans Tageslicht treten wird. Die Aufgabe der Wächterinnen unter uns, und ich bin eine von ihnen, ist es, diesen Schatz zu behüten nicht nur bis zu jenem Moment, sondern auch darüber hinaus, denn eine Prophezeiung besagt, dass der Schatz dafür sorgen wird, dass das Chaos in der Welt und das Leid der Menschen beendet und sie den Dealan-Dè ähnlicher werden, die weder Hunger kennen noch Kälte und keine Krankheiten erfahren, wie es die Menschen tun. Die Rebellen wollen, dass immer Chaos herrscht. Sie können die Menschen nicht ausstehen, in denen sie nur niedere Kreaturen sehen und denen sie sich überlegen fühlen. In ihren Augen sind sie schwach, der Magie nicht fähig und in ihrer Entwicklung unterlegen. Sie ergötzen sich daran, wie sie sich gegenseitig bekriegen und zerfleischen, ob nun mit Worten oder Waffen. Die Abtrünnigen haben sogar selbst Zwietracht gesät, um dies zu fördern. Doch um gänzlich zu verhindern, dass sich die Prophezeiung erfüllt, wollen sie den Schatz zerstören, und dafür gehen sie über Leichen“, erklärte Imogen weiter.

Zittrig lehnte sie sich gegen einen Baum, hoffend auf einen Moment der Erholung, nur einen winzig kleinen. Der hätte ihr schon gereicht. Doch ganz gleich, wie sehr sie vor Erschöpfung stöhnte, Blake ignorierte all diese Zeichen und nahm sie lieber Huckepack, als länger an einem Ort zu verweilen.

„Wir müssen in Bewegung bleiben“, brummte er und rutschte sich Imogen auf seinem Rücken zurecht. „Diese Höhle, die du erwähnt hast, liegt also nicht in eurer Welt. Wieso nicht? Warum habt ihr eure ach so große Kostbarkeit nicht in eurem Reich versteckt und dort beschützt?“, wollte er wissen.

Imogen seufzte. „Darüber müsstest du mit unserer Königin sprechen. Es war ihre Entscheidung. Es stand mir nicht zu, diese zu hinterfragen. Nach allem, was ich jedoch weiß, vermute ich, dass es zu den Vorkommnissen ebenfalls eine Vorhersage gibt, die nur sie kennt. Als Anführerin unseres Volkes obliegt es allein ihr, Wissen zu teilen oder für sich zu behalten.“

Das Privileg der Oberhäupter nannte Blake es. Darin unterschieden sich ihre Welten allem Anschein nach so gar nicht. Er konnte darüber nur die Nase rümpfen.

„Wenn die Aufstände bereits geschrieben standen“, fuhr Imogen fort, „wäre der Schatz auch nicht in unserem Reich sicher gewesen. Ich frage mich, ob eine der Wächterinnen die Initiatorin für den Raub war? Denn nur diese wissen, wo das Versteck liegt.“

Blake schnaubte. Er war sich absolut sicher, auch ohne die einzelnen Beteiligten zu kennen, dass jemand aus den Reihen der Wächterinnen tief mit drin steckte. Imogen mochte sich darüber noch den Kopf zerbrechen, doch er versuchte ganz anderes zu begreifen. „Du sagst, dein Volk hat das Leid der Menschen nie erfahren. Es kennt keinen Hunger, keine Kälte, keine Krankheiten. Wozu habt ihr dann Heilerinnen?“, fragte er somit.

„Die Dealan-Dè brauchen zum Leben nicht viel. Wir ernähren uns von Blütennektar und –staub“, antwortete sie ihm.

„Aha, und was ist im Winter?“, hakte Blake nach.

„In unserem Reich gibt es keinen Winter, kein Eis, keinen Schnee. Dort blühen die Blumen das ganze Jahr über, und wenn wir unsere Heimat verlassen, gibt es genug Proviant, den wir mitnehmen können.“ Sie löste ihren Arm, den sie um Blakes Hals gelegt hatte, um sich festzuhalten, und klopfte mit ihrer Hand auf ihre Hüfte, wo ein kleiner lederner Beutel an einem Gürtel befestigt war, in dem sie ihre Wegzehrung aufbewahrte. „Was die Heilerinnen angeht: Ja, wir bekommen keine eurer Krankheiten wie Erkältungen. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht verletzen können. Wir stolpern, fallen und brechen uns den Fuß. Wir stoßen uns den Kopf und bluten. Unsere Heilerinnen versorgen uns mit ihrer Magie, sodass nach wenigen Minuten nichts mehr von einem gebrochenen Knochen zu spüren und von einer Platzwunde nichts zu sehen ist.“

„Wie überaus praktisch“, merkte Blake unter ihr an. „Wieso kommt ihr dann nicht in unsere Welt und helft den Menschen mit euren Künsten, statt auf irgendeinen Zeitpunkt zu warten, der in ferner Zukunft liegt? Wenn das überhaupt alles stimmt.“ Prophezeiungen und schwammige Aussagen – pah! In Blakes Augen war das bloßer Humbug. „Und was zum Henker ist dieser verdammte Schatz, von dem du ständig redest?“, fuhr er sie an. Geduld war noch nie eine seiner Stärken gewesen. Er wollte stets alles und das am besten sofort. So ging es ihm auch mit Imogens Erklärungen.

„Unsere Welt existiert im Verborgenen. Die Begegnungen, die mit euch beiden im Übrigen eingeschlossen, von unseres- und euresgleichen sind abzählbar an einer Hand, geschweige denn, dass euresgleichen von uns gehört hätte“, murmelte Imogen. „Wenn das Schicksal es aber nun so wollte, dass unsere Völker aufeinandertreffen, dann ist das so“, fügte sie achselzuckend hinzu, während Blake schnaubte.

„Schicksal – was für ein Irrsinn“, nuschelte er so leise, dass Imogen es nicht hörte und sie weitersprach.

„Es ist uns strengstens untersagt, den Menschen zu helfen, indem wir ihre Gebrechen heilen, oder uns in ihre anderweitigen Belange einzumischen. Es heißt, ihr müsst all das Elend durchmachen, durch es wachsen, aus ihm lernen.“

„So ein Blödsinn!“, entfuhr es Blake heftig. „Was sollen wir lernen? Dass es egal ist, wie viel Gutes man tut, wie gut man sich benimmt, denn am Ende leidet man trotzdem? Das ist es nämlich, was ein Menschenleben bedeutet: Leiden, das von kleinen Momenten der Freude unterbrochen wird. Wenn man Glück hat.“

„Wenn wir euch vor der vom Schicksal festgelegten Zeit helfen, dann droht uns das Entfernen unserer Flügel. Ein Schmetterling ohne Flügel: das Zeichen dafür, dass man versagt hat. Es ist ein Zeichen der Schande“, sagte sie, ihre Stimme zuletzt auf ein Flüstern gesenkt.

Blake schnalzte missbilligend mit der Zunge. Er sah in ihren Worten nur eines: Die Dealan-Dè, so wundersam sie auch sein mochten, standen den Menschen in ihrer Arroganz in nichts nach und dachten zuallererst an sich selbst. Allerdings hätte er noch ewig so weiter mit ihr diskutieren können und wäre doch nicht auf einen Nenner mit ihr gekommen. Als er es hinter sich schniefen hörte, runzelte er die Stirn. Es war Imogen, die anfing zu weinen. Aufgrund der Vorwürfe, die er vorgebracht hatte? Großartig, dachte er, eine flennende Frau, ein heulender Schmetterling hockt auf meinem Rücken. Was sollte er jetzt tun? Er konnte mit so etwas nicht umgehen. Ein Beweis dafür war seine nächste Frage. „Ist das der Grund, wieso dir ein Flügel fehlt?“

Imogen schluchzte herzzerreißend und presste ein Ja hervor. Sie weinte bitterlich und Blake ließ sie, bis sie sich soweit gefangen hatte, dass sie reden konnte. „Ich kann, ich darf nicht sagen, was der Schatz genau ist. Nur so viel, dass ich ihn beschützen sollte und gescheitert bin. Ich hatte schon sehr lange Wache gehalten, bin nur für einen kurzen Moment eingenickt. Das nächste, das ich weiß, ist, dass ich von mehreren Händen gepackt durch den Dreck gezerrt wurde, man mich festband und mir meinen Flügel abschnitt. Sie haben dabei gelacht, über mein Schreien und mein Flehen, haben Scherze gemacht und sich darüber ausgelassen, welch erbärmlichen Anblick ich bieten werde mit einem Flügel.“

Imogens Verzweiflung wuchs stetig und ließ sie mehr und mehr zittern, sodass es selbst Blakes Herz erweichte. Kurzerhand setzte er sie ab und wies sie an, auf einem Baumstumpf Platz zu nehmen.

„Können eure Heilerinnen, na ja, das nicht reparieren?“, fragte er vor ihr kniend.

Zu Boden blickend schüttelte sie den Kopf. „Dazu sind nicht einmal sie fähig“, presste sie hervor. Sie vergrub das Gesicht in ihren Händen und vergoss bittere Tränen. Es schien, als würden all ihre Gefühle, die sie seit dem Überfall auf sie zurückgehalten hatte, um einfach nur zu funktionieren und fliehen zu können, nun mit einem Mal aus ihr herausbrechen.

Hilfesuchend sah Blake zu Arren auf. Dieser hatte eine Frau sowie zwei Kinder. Er musste wissen, was zu tun war. Allerdings war auch er ratlos im Angesicht dieser Situation. Wann sah man schon einen menschengroßen Schmetterling mit nur einem Flügel, der sich wegen der Schande grämte, die dies bedeutete, und tiefe Reue empfand für sein vermeintliches Versagen? Immer wieder murmelte Imogen Vorwürfe vor sich hin und schalt sich selbst für ihre Schwäche. Blake kannte derlei Gefühle sehr gut. Wie oft hatte er Bedauern empfunden für seine Entscheidungen? Wie oft hatte ihn sein Gewissen gequält aufgrund seiner verwerflichen Taten? Er konnte die Male nicht mehr zählen. Was er hingegen zählen konnte, war die Menge der Personen, die ebenso empfunden und ihn verstanden hatten: Es war genau eine gewesen, und diese saß direkt vor ihm.

Behutsam zog Blake Imogen die Hände vom Gesicht, strich ihr einige lange braune, golden schimmernde Haarsträhnen zurück, die sich aus ihrem Zopf gelöst und ihr ein zusätzliches, willkommenes Versteck geboten hatten, und wischte ihr die Tränen von den Wangen. Eine für ihn wenig vertraute Geste, die sie beide überraschte. Noch mehr verwunderte es ihn, wie er mit einem Mal eine Verbindung zwischen sich und dem wundersamen Geschöpf spürte. Mochte es zuvor Imogens hübsches Gesicht gewesen sein, das ihn anzog, war nun etwas anderes da, was ihn gefangen nahm.

„Du hast gesagt, wenn das Schicksal es wollte, dass wir uns begegnen“, begann er zu sagen, hielt kurz inne, als sie aufkeuchte, „dann ist das eben so. Wenn das Schicksal es wollte, dass dir dein Flügel genommen und der Schatz gestohlen wird, dann ist auch das so. Was geschehen ist, nach wessen Willen auch immer, ist geschehen. Die Vergangenheit kann man nicht ändern. Es ist unnütz über die Fehler, die in ihr liegen, nachzugrübeln und sich zu fragen, was gewesen wäre, wenn.“ Ihn selbst verwunderten seine Worte, und doch wusste er, dass sie aufrichtig gemeint waren. Er hätte sich gewünscht, dass jemand so mit ihm gesprochen hätte in seinen dunkelsten Momenten. Es hätte ihm so manches Elend erspart. So wie es Imogen in dem Augenblick anscheinend half. Ihr Schluchzen hatte aufgehört; die feuchten Spuren ihrer Tränen auf ihren Wangen begannen zu trocknen.

„Du hast Recht. Ich muss nach vorne schauen und versuchen, Wiedergutmachung zu leisten“, sagte sie mit neuer Kraft, stand von dem Baumstumpf auf und zog Blake an seinem Ärmel mit sich.

„Moment mal, kleiner Schmetterling“, rief Blake, packte ihr Handgelenk und stemmte sich gegen ihr Ziehen. „Du siehst aus, als würdest du einen Plan haben, wie diese Wiedergutmachung aussehen soll, und mir ist, als bestünde diese aus mehr als nur deiner Flucht vor deinen Verfolgern und unserem moralischen Beistand“, meinte er und deutete auf Arren, der gemütlich angetrottet kam und seltsamerweise erheitert wirkte. „Wieso grinst du so?“, fuhr Blake ihn an.

Arren verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen einen Findling, der wie ein Tisch im Wald lag. „Ich genieße es nur, euch zuzusehen, wie ihr miteinander umgeht. Das ist wirklich sehr interessant und aufschlussreich“, antwortete er und ließ seine Blicke zwischen den beiden hin und her wandern.

Blake ließ von Imogen ab und trat auf seinen Partner zu. „Wenn du nicht mehr beizutragen hast, dann sei lieber still! Halt!“, rief er aus, machte einen Satz in Richtung Imogen, die er aus dem Augenwinkel dabei beobachtet hatte, wie sie ihren Weg fortsetzen wollte. Er bekam sie zu greifen und wirbelte sie zu sich herum. „Du wartest gefälligst und rennst nicht einfach los, ohne zu sagen, was in deinem hübschen Kopf vor sich geht. Wohin willst du? Was willst du tun?“, verlangte er zu erfahren. Er hatte sich bereits über einen Ort Gedanken gemacht, wo Imogen wenigstens vorübergehend in Sicherheit sein würde, und sie war gerade dabei, all das über den Haufen zu werfen.

„Ich allein kann nicht retten, was es noch zu retten gibt. Es braucht mehr von uns. Ich muss in meine Heimat zurückkehren, berichten, was geschehen ist, und um Unterstützung bitten, wenn man mir diese nach allem, was passiert ist, noch gewähren möchte. Doch anders kann ich nicht gegen die Rebellen kämpfen und den Schatz zurückbringen“, erklärte Imogen und entriss ihm ihren Arm. Sie wusste zwar nicht, wie sie all das angefangen bei dem Lüften des Schleiers, der über ihrer Welt lag, bewerkstelligen sollte, wenn ihr ihre Magie fehlte. Doch darüber würde sie sich Gedanken machen, wenn es so weit war.

„Und wie sieht unsere Rolle dabei aus?“, fragte Blake.

„Ihr wäret meine Leibwächter, die mich sicher dorthin bringen, wo ich hin muss. Sollten wir auf die Abtrünnigen stoßen, bin ich im Kampf gegen sie allein machtlos. Meine Magie, die in meinen Flügeln saß und die nur wirksam durch ein Paar Flügel ist, ist ebenfalls zerstört“, antwortete sie, langte über ihre Schulter und berührte wehmütig die verstümmelten, kurzen Reste auf ihrem Rücken. „Mit euch zusammen habe ich jedoch vielleicht eine Chance, wenn auch nur eine kleine, solch eine Begegnung zu überleben und an mein Ziel zu gelangen“, beendete sie ihre Erklärung.

„Diese Waffe, von der du gesprochen hast, wo ist sie? Du musst sie gut versteckt haben, denn ich kann sie nicht sehen“, meinte Blake und beäugte Imogen von oben bis unten. Seine Blicke wanderten von ihren nackten Füßen und Beinen über den Rock ihres Kleides hinauf zu ihren schlanken, aber muskulösen Armen, bis er ihr schließlich wieder in die goldenen Augen sah, in denen ein schelmisches Funkeln lag.

„Du meinst die hier?“, fragte sie und zog zwischen den Falten ihres Kleides einen silbernen, etwa zwei Finger breiten Stab hervor, der ungefähr so lang war wie ihr Unterarm.

Blake schnaubte. „Ich habe gehört, in manchen Ländern isst man mit so etwas“, kommentierte er den Anblick, was Imogen dazu brachte, missbilligend mit der Zunge zu schnalzen.

„Mit so etwas isst man nicht. Mit so etwas kämpft man“, sagte sie, trat einen Schritt zurück, hob den Arm und schwang ihn zur Seite, als wollte sie den Stab wegwerfen, ließ ihn jedoch nicht los. Und mit einem leisen Klicken verwandelte sich der Stab in ein Schwert, das wie der Mond kalt und silbern schimmerte. „Ihr braucht aber keine Angst zu haben“, redete Imogen beruhigend auf die beiden Männer ein, denn ihr war ihr erschrockenes Zurückweichen nicht entgangen, „die Klinge ist unwirksam ohne meine Magie. Ich könnte sie genauso gut wegwerfen, aber ich bringe es nicht über das Herz. Ich habe schon so viel von mir verloren.“ Sie betätigte den Mechanismus, der die Klinge zurückfahren ließ, und drehte den Stab gedankenverloren zwischen ihren Fingern.

„Woher willst du wissen, ob das Schwert ohne deine Magie nicht funktioniert? Hast du es ausprobiert?“, fragte Blake. Sowohl die Spitze als auch die Schneide konnten ihm sicherlich Schaden zufügen, mutmaßte er.

„Es war nicht nötig, es herauszufinden“, murmelte Imogen. Auf ihrem Gesicht zeigten sich abermals Spuren des Bedauerns. Das konnte Blake sehen. Er brummte vor sich hin und brachte sie so zum Aufblicken. „Was ist?“, fragte sie und verstaute den Stab wieder dort, wo er sicher war, als sie die geringschätzigen Blicke des Mannes bemerkte.

„Lass mich eines klarstellen“, begann Blake zu sagen und trat auf sie zu. „Ich glaube nicht an Gottheiten. Ich glaube nicht an Zauberei. Ich glaube nicht an Schicksal. Doch woran ich glaube ist dies: an die Kraft aus uns selbst heraus. Ich glaube daran, dass ein jeder von uns Talente und Fähigkeiten besitzt. Was wir aus ihnen machen, liegt in unseren eigenen Händen und nicht in denen von unsichtbaren Wesen, die sich einen Dreck um unser Wohlergehen scheren. Es liegt auch nicht an schön klingenden Zaubersprüchen oder am Anheulen des Mondes. Einzig und allein an uns und an unserem Vertrauen in uns selbst. Du setzt viel zu sehr auf anderes als auf dich selbst. Das ist verständlich, denn du wurdest mit deiner Magie und dem Glauben an sie und dem Vertrauen in sie geboren und erzogen. Aber du solltest dich vielleicht fragen, ob deine Magie wirklich jemals hier drin gesteckt hat.“ Behutsam berührte er ihren intakten Flügel. „Oder ob sie nicht doch eher hier drin war und ist“, sagte er und deutete auf ihre Brust.

Seine Worte riefen unterschiedliche Gefühle in Imogen hervor. Einerseits schockierten sie seine Ansichten und ließen Mitleid für Blake in ihr aufkommen. Welches Elend musste er erlebt haben, um so zu denken und um den Glauben an so ziemlich alles zu verlieren? Für Imogen selbst war es etwas völlig anderes. Sie wusste um die Wunder ihrer Welt, und sie wünschte sich, Blake würde all das ebenfalls sehen – eines Tages – und dann seine Meinung ändern. Ebenso wusste sie um die Existenz ihrer Magie, hatte sie erlebt und mit ihr gelebt. Nun war sie fort. Sie spürte aber auch Neugierde aufgrund von Blakes Rede. Was, wenn er Recht hatte? Wenn ihre wirkliche Magie aus ihr selbst herauskam, wenn sie schon immer tief in ihr gesteckt hatte? Wünschenswert wäre es allemal und ihrem Plan zuträglich gewesen.

Imogens Augen weiteten sich und sie keuchte auf vor Erstaunen. Blake nickte. Er hatte vermutet, dass sie nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass es möglich sein konnte, wovon er sprach. Doch hier hatte er nun den Beweis: ihre Reaktion.

„Es ist möglich“, flüsterte er, „deine Kraft kann aus dir selbst herauskommen. Du musst nur daran glauben.“ Imogen schüttelte den Kopf. Ob nun als Verneinung auf seine Aussage oder ob aus Verwirrung vermochte er nicht zu deuten. Doch er beobachtete sie dabei, wie sie beinahe hilfesuchend zu Arren blickte. Sein notwendiges Übel, das schweigend bei ihnen gestanden hatte, nickte ihr zu.

„Ich würde seinem Rat folgen. Ich habe Leute sagen hören, dass es wie Magie wirkt, wenn Blake kämpft, ob mit oder ohne Waffe, und das kommt ganz sicher nicht von irgendwelchen phantastischen Schwingen auf seinem Rücken“, meinte Arren und zwinkerte seinem Partner zu. Dieser wandte sich wieder Imogen zu.

„Siehst du, er vertraut mir“, merkte er an, was sie höhnisch auflachen und einwenden ließ, dass sich die beiden bereits längere Zeit kannten als Imogen Blake kannte. Der Meuchelmörder hob die Hand und brachte sie zum Schweigen. „Das stimmt, aber immerhin vertraust du uns genug, um uns um Hilfe zu bitten“, erinnerte er sie.

Imogens Lippen öffneten sich, bereit, ihm eine Antwort darauf zu geben. Doch die Widerworte, die sich in ihrem Kopf zusammengefügt hatten, fanden den Weg nicht zu ihrem Mund. Somit verschränkte sie nur die Arme vor der Brust und gab sich geschlagen. Sie wusste, dass sie zumindest diesen Kampf verloren hatte.

Blake schmunzelte über ihren Anblick, kam jedoch nicht umhin zu denken, dass daran etwas nicht stimmte. Nun, es stimmte so einiges nicht an ihrem Anblick und der gesamten Situation. Immerhin stand vor ihm ein menschengroßer eingeschnappter, aber nicht minder kämpferischer und vor allem ein sehr hübscher Schmetterling. Blake schüttelte den Kopf, um Gedanken dieser Art loszuwerden, und das war es auch nicht wirklich, was nicht zur Symmetrie des Bildes passte. Symmetrie – das war es! Es war die Ungleichheit von Imogens Silhouette, die ihm Rätsel aufgab.

„Bevor wir weitergehen, habe ich noch eine Frage an dich“, sagte er und wartete auf ihre Erlaubnis, sie stellen zu dürfen. Als sie sie ihm nickend erteilte, fuhr er fort. „Warum hast du dir nicht auch den anderen Flügel abgeschnitten, wenn er doch unnütz ist? Ich könnte mir vorstellen, dass du ohne das verdammte Ding einfacher und unauffälliger durch das Gebüsch gekommen wärst.“

Vor Empörung entglitten Imogen sämtliche Gesichtszüge. Wut stieg in ihr auf, die sie an Blake ausließ. Sie versetzte ihm einen kräftigen Stoß gegen die Brust, sodass er zurücktaumelte. „Nenn es nicht Ding und auch nicht verdammt! Ich wurde mit ihnen geboren. Sie sind ein Teil von mir. Beleidigst du sie, beleidigst du mich. Und glaube ja nicht, dass ich nicht darüber nachgedacht hätte, es zu tun! Doch was auf meine Waffe zutrifft, trifft auch auf meinen verbliebenen Flügel zu. Außerdem, hast du schon einmal versucht, dir etwas abzutrennen?“, fuhr sie ihn an und musterte ihn von Kopf bis Fuß. Als Blake den Kopf schüttelte, rief sie: „Es tut verflucht weh!“ Damit drehte sie ihm den Rücken zu und deutete auf einen Schnitt, den sie sich selbst an einem Felsen zugefügt hatte in der Hoffnung, sich den Flügel an ihm abzureißen.

Blake lehnte sich vor und betrachtete sich die Verletzung. „Soll ich es machen?“ fragte er kurzerhand.

~

„Oh Bruder! Ich hatte dich gebeten, dass es nicht zu blutig wird“, seufzte Prinzessin Laoghaire und verbarg ihr leidig verzogenes Gesicht in den Händen.

„Ach komm schon, Mimose. Zu einer guten Geschichte gehört so etwas dazu“, warf Prinz Anrai lachend ein. Er amüsierte sich köstlich über den Anblick seiner Schwester. Diese jedoch schüttelte den Kopf.

„Zu einer guten Geschichte gehört Liebe“, entgegnete sie ihm.

„Was das angeht, werden wir wohl niemals übereinkommen. Aber du wirst doch inzwischen einsehen, dass es Sinn ergibt, dass er ihr den Flügel entfernt? Er ist unnütz geworden, und es gibt noch zwei weitere gute Gründe dafür. Erstens, ein einflügeliger Schmetterling sieht albern aus. Zweitens, den Mann, unseren Blake, sieht man auf der Tapete mit ihr ab hier“, er deutete auf eine Stelle auf der Wandverkleidung, „gänzlich ohne Flügel.“

Prinzessin Laoghaire lugte hinter ihren Fingern hervor und stellte fest, dass ihr Bruder Recht hatte. Sie seufzte. „Na schön. Mach weiter. Aber bitte schmücke die Sache nicht zu lebhaft aus. Wenn du mir eklige Worte um die Ohren haust, schreie ich.“

Prinz Anrai rollte mit den Augen und winkte ab. „Keine Angst. Ich werde Rücksicht auf dich nehmen, und bald wirst du auch wieder an der Reihe sein zu erzählen“, sagte er und zwinkerte ihr zu. „Vorher kommt noch der Rest meiner Szene.“

~

Imogen wusste nicht, was sie mehr schockieren sollte: der Vorschlag an sich oder die Art, wie er ihn vorgebracht hatte? Trocken, ohne jegliche Emotion, ja schon beinahe herzlos und etwas müde war er in den letzten Sekunden gewesen. Wo war der Mann hin, der davor Mut machende Worte gesprochen und sie dazu angespornt hatte, auf ihre eigene innere Kraft zu vertrauen? Von Blakes Launen wurde ihr schwindelig, und einen Schmetterling schwindelig zu machen, das wollte schon etwas heißen.

Vielleicht war seine fehlende Sentimentalität aber auch das, was sie nun brauchte. Sie hatte eine innige Verbindung zu ihren Flügeln, und zugegebenermaßen war sie in der Hinsicht feige, es selbst zu tun. Sie fürchtete sich davor, zu zögern und zu zaghaft vorzugehen, was nur dazu führen würde, dass sie noch mehr litt. Was sie brauchte, zumindest in dieser Situation, waren emotionaler Abstand und zielgerichtetes Denken und Handeln. In einer Ecke ihres Kopfes wusste Imogen, dass Blake Recht hatte. Nur noch ihr Herz musste mitziehen.

Imogen atmete tief durch, straffte die Schultern und sah dem Mann in die Augen, der zwar nicht ihr Henker, jedoch ihr Folterknecht war. Sie kannte die Berichte über die menschlichen Richtmethoden und Möglichkeiten zur Erpressung eines Geständnisses oder zur Bestrafung. Sie hätte nie gedacht, dass ihr selbst solches Leid zugefügt werden würde.

„Ich bin bereit. Tue es“, sagte sie mit fester Stimme und reckte ihr Kinn stolz vor.

Umgehend nickte Blake und wies Arren an, Imogen vorzubereiten. Dieser packte sie an den Handgelenken und führte sie zu einem Baum, um den sie ihre Arme legen sollte wie zum Willkommensgruß der Natur. Imogen hätte beinahe gelacht über die Ironie, die sich hierin verbarg. Die Natur hatte ihr ihre Flügel gegeben. Nun war sie dabei, als man sie ihr nahm.

Bevor Blake auch nur die Klinge gezogen hatte, begann Imogen zu zittern und zu weinen. Arren, der auf der anderen Seite des Baumes, ihrem Richtblock, stand und ihre Arme festhielt, flüsterte ihr beruhigend zu: „Ich bin bei dir. Ich lasse dich nicht allein. Du wirst sehen, alles wird danach besser werden.“

Imogen lächelte gequält. Sie hoffte so sehr, dass er Recht behalten würde, und das dies hier ihr Opfer war, das sie für etwas Größeres hergab. Als sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm, wurde ihren Gedanken ein Ende gesetzt. Es war Blake, der sich zum Schlag bereit machte.

Mit den Füßen schob er Blätter und Zweige auf dem Waldboden beiseite und ebnete die Erde, um einen sicheren Stand zu haben. Er hob die Arme, mit beiden Händen sein Schwert umfassend.

„Bist du sicher, dass du das tun willst?“, fragte Arren ihn.

Blake schnaubte. „Von wollen kann keine Rede sein. Es ist nun einmal notwendig. Ich tue, was getan werden muss, und jetzt halte sie ruhig“, knurrte er. Sein Gesicht war eine versteinerte Miene, die Imogen aufkeuchen ließ. Empfand er wirklich gar nichts in diesem Moment? Kein Mitleid, keine Sympathie? Doch war dies wirklich das, was gerade vonnöten war? Nein, schalt sie sich innerlich und spannte ihren Körper an, um Arren zu helfen, sie still zu halten.

„Mach endlich“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und kniff die Augen zusammen.

„Ich zähle bis drei“, hörte sie Blake sagen. Imogen begann zu wimmern.

„Eins.“

Sie spürte, wie ihre Knie weich wurden. Nicht mehr lange und ihre Beine würden unter ihr nachgeben. Würde Arren sie aufrechthalten können? Worüber man so nachdachte, wenn…

„Zwei.“

Der Griff um ihre Arme wurde stärker. Das konnte nur bedeuten, dass das Zittern ihres Körpers zugenommen hatte, von ihr unbemerkt. Imogen öffnete ein Auge und schielte zu Arren. Eine Schweißperle rann seine Stirn hinab, lief über seine Nasenwurzel und machte einen Bogen, um schließlich in seinem Auge zu landen. Er blinzelte verstärkt. Dann klärte sich seine Sicht auf sie wieder. Er ist immer noch da, hier bei mir. Wie er es versprochen hat, dachte sie und lächelte.

„Drei.“

Reflexartig kniff sie die Augen zusammen. Dann folgten der Schlag und unsagbare Schmerzen. Reißend, brennend, als würde sie in Flammen stehen. Ihr Schrei brachte ihre Kehle beinahe zum Bersten. Ihre körperliche Pein wurde zu seelischer, das Weinen und Klagen zu einem Wimmern, bis die Laute ganz verstummten und nur noch das Zittern blieb.

Sowohl Imogen als auch Blake besahen sich den auf dem Waldboden liegenden Flügel, dessen leuchtendes Gelb verblasste. Es wurde zu Silber und schließlich zu Schwarz, zum Tod. Der Flügel wurde faltig, kräuselte sich zusammen wie Pergament, das im Feuer verbrennt. Ein trauriger Anblick, der selbst so jemand wie den Meuchelmörder betroffen machte.

Blake dachte, er hätte schon alles auf dieser Welt gesehen. Doch dem war nicht so, wie er feststellte. Um zu verhindern, dass er noch tiefer in die Rührseligkeit tauchte, riss er seinen Blick von dem vertrockneten, toten Ding – und mehr als das war es auch nicht, ein Ding – und betrachtete sich Imogens Rücken.

„Es blutet nicht“, murmelte er, das Schwert nun an seiner Seite gesenkt, und trat näher an Imogen heran, die nickte.

„Nicht auf eine Weise, wie du es kennst“, sagte sie mit brüchiger Stimme. „Sieh hin. Dann wirst du verstehen, was ich meine.“ Und das tat er.

Er sah hin und beobachtete, wie eine silbrige Flüssigkeit aus dem Stummel, den er ihr gelassen hatte, trat. Sie leuchtete kurz auf, und als das Glühen nachgelassen hatte, war das Silber weiß und fest und die Wunde verschlossen. Imogens Rücken sah nun wieder symmetrisch aus, selbst mit zwei Stümpfen, die einmal starke, prächtige Flügel gewesen waren. Vielleicht können die Heilerinnen ihres Volkes etwas für sie tun, die Reste entfernen, glätten – ach, was auch immer, dachte Blake. Vorausgesetzt, sie würden ihr helfen. Nach allem, was sie erzählt hatte, war es nicht gewiss, dass sie es tun würden.

„Hier, nimm den“, sagte er und legte Imogen seinen Umhang um die Schultern.

Sie nickte und meinte: „Mir ist ungewöhnlich kalt.“

Blake setzte ein schiefes Lächeln auf. „Ihr seid eben doch auch nur -“, er hielt inne.

„Was? Menschen?“, fragte Imogen. Prüfend blickte sie ihn an. Das war es in der Tat, was er hatte sagen wollen. Denn jetzt, ohne jegliche Schwingen, die sie durch die Lüfte tragen konnten, kam Imogen ihm so zerbrechlich vor wie ein Mensch, ein Kind, das nicht für sich selbst sorgen kann.

„Ich habe dir den Umhang nicht gegeben, weil ich dachte, dir sei kalt. Er ist dazu da, um dich zu verbergen“, entgegnete er ihr. „Du leuchtest wie die verdammte Sonne. Jetzt passt der Umhang wenigstens.“ So schnell wie er es vermochte, zwischen Grob- und Sanftheit zu wechseln, konnte es niemand. Imogen schwindelte es bereits wieder.

„Tss, genau“, kam es aus Richtung von Blakes Füßen, wo sich Arren von den Strapazen der letzten Minuten ausruhte, „weil den Schrei ja auch niemand gehört hat.“ Augenrollend blickte er zu seinem Partner auf.

Blakes Mund verzog sich zu einer schmalen Linie. „Wollen wir hoffen, das dem nicht so ist“, erwiderte er und sah sich kurz um, suchend, ob er Bewegungen in den Schatten des Waldes ausmachen konnte, lauschend nach Schritten von Verfolgern. „Komm“, sagte er, als alles still blieb, und klopfte Arren auf die Schulter. „Wir müssen weiter und zwar schnell.“ Damit hob er Imogen auf seine Arme und stapfte mit ihr voraus.

The Butterfly Tales: Imogen

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