Читать книгу LebensLichtSpuren - Nanaja Meropis - Страница 47
AUF DEM SCHULHOF
ОглавлениеMorgens vor Unterrichtsbeginn ist es üblich, aufgereiht im Schulhof zu stehen. Dann wird die Nationalhymne unseres Landes, welche gleichzeitig ein Lobgesang für den König ist, gesungen. Unsere Schulrektorin, eine kleine korpulente Frau Ende vierzig, geht mit düsterem Gesicht wie ein Monster über den Schulhof, sie verbreitet mit ihrem Erscheinen Angst und Unbehagen. Kein Lächeln, keine freundliche Begegnung kann man von ihr erwarten. Mit einem langen Stock läuft sie herum, damit wir ihre Sprache besser verstehen. Am Ende jeden Monats erinnert sie die Schülerinnen über einen Lautsprecher an die Schulden ihrer Eltern, die noch zu begleichen sind. In unserer Schule mit etwa 200 Schülerinnen, von welchen die meisten aus der Mittelschicht stammen, gibt es auch einige Mädchen aus ärmeren Verhältnissen. Um sie für die Schule anzumelden, müssen die Eltern hohe Gebühren zahlen. Es gab zum einen die Möglichkeit, zu Schuljahresbeginn die gesamte Summe zu begleichen oder diese in monatlichen Raten zu bezahlen.
Eines Tages soll nach der morgendlichen Zeremonie eine Mitschülerin, deren Vater als Hilfsarbeiter bei der Busgesellschaft in der Hauptstadt arbeitet, hervortreten. Wir stehen alle noch aufgereiht im Schulhof. Das zarte Mädchen, ärmlich gekleidet, geht mit gesenktem Kopf nach vorne. Die Schulleiterin nimmt ihren Stock und schlägt gnadenlos auf sie ein. Das Mädchen weint still und schaut auf dem Boden. Die Schulrektorin schlägt unaufhaltsam weiter, sie möchte das Mädchen vor uns erniedrigen. Das Mädchen steht hingegen tapfer da und trägt mit Würde die Last ihrer Armut auf den Schultern, für die sie ebenso wenig kann wie ihre Eltern. In unseren Augen verliert die Schulrektorin gerade ihre letzten menschlichen Züge.