Читать книгу Ungleich! - Nataly von Eschstruth - Страница 6
II.
ОглавлениеFür etliche Tage herrschte Ruhe in der gesamten kleinen Garnison, aber es war nur eine Ruhe vor dem Sturm.
In den Augen des Rittmeisters wetterleuchtete es immer unheilvoller, und das höhnisch siegesgewisse Lächeln, mit dem er seinen „kleinen“ Sekondeleutnant anzusehen beliebte, hätte jeden andern misstrauisch machen müssen, nur nicht Cyprian Lankwitz, dessen sorglose Natur jedwede Hinterlist für eine Unmöglichkeit hielt. — Einer der benachbarten Gutsbesitzer hatte Einladungen zu einer besonders viel versprechenden Treibjagd ergehen lassen, und weil Juvivallera jeglichem Sport huldigte, so war er selbstverständlich auch diesmal in den Reihen der Jäger erschienen, unter denen auffallenderweise Herr von Angerschütz heute fehlte. Niemand vermisste ihn jedoch, im Gegenteil, die jungen Offiziere atmeten sehr vergnügt und erleichtert auf, das stets jagdneidische und missgünstige Gesicht ihres Vorgesetzten nicht permanent in all der Fröhlichkeit als „Dämpfer“ vor sich zu haben.
Frau Diana schien gleich der Glücksgöttin ein besonderes Wohlgefallen an dem lachenden Gesicht Cyprians zu finden, das mit dem blond gewellten Schnurrbärtchen so keck und siegesfroh unter dem flotten Jagdhut hervorstrahlte, dass die ernste, sonst so kaltherzig und gleichgültig beanlagte Baronesse Soldau, welche zum Besuch der Tochter des Jagdgebers überraschend vorgefahren war, ganz besonders lange und nachdenklich dem hübschen Leutnant nachschaute.
Baronesse Soldau galt für die reichste Erbin der ganzen Umgegend. Als einziges Kind ihrer Eltern erbte sie einen grossen, schuldenfreien Güterkomplex mit sehr einträglichen Kohlenbergwerken, eine schlossartige Villa in der Residenz und ausserdem noch einen recht beträchtlichen Säckel voll „Kleingeld“, das ihre grosse, knochige Hand wohl für die meisten Herren recht goldig und begehrenswert erscheinen liess.
Dennoch fehlte es ihr an Freiern! Unbegreiflicherweise; denn wenn sie auch kein Bild der Schönheit war, so konnte sie dennoch mit dem eiteln Wirtstöchterlein aus Fra Diavolo singen: „Und es ward in manchem Städtchen hässlicher Bräutchen schon getraut!“
Gross, tief brünett, etwas eckig in Figur und Wesen, schaute Bianka von Soldau meist sehr kalt, sehr übellaunig und schwermütig in die Welt. Sie sah trotz ihrer zwanzig Jahre nicht jung aus und war es auch weder an Körper noch Geist. Pessimistisch beanlagt, geradezu rätselhaft streng und abweisend über die lustige Welt denkend, lebte sie nonnenhaft still und zurückgezogen, und wie man sich erzählte, war Herr von Angerschütz der erste glühende Verehrer, welcher Gnade vor ihren Augen zu finden schien, denn er war wohl ebenso erbittert und menschenfeindlich gesonnen, wie die unnatürliche junge Dame im Nonnengewande!
Man wunderte sich darum allgemein doppelt, dass Baronesse Bianka wirklich und wahrhaftig ein paar mal laut gelacht hatte, als Graf Lankwitz sie beim letzten Diner zu Tische führte, und auch heute fiel es allgemein auf, mit welch ungeteiltem Interesse ihr Blick dem jungen Jäger folgte, so oft sich dieser in ihrer Nähe zeigte. Ahnungslos dieser enormen Auszeichnung tat Juvivallera einen Meisterschuss nach dem andern und kehrte als gefeierter Jagdkönig zum Diner zurück, um in wahrhaft brillanter Laune die ganze Tischrunde zu elektrisieren, namentlich die jungen Damen, zu denen sich noch immer Baronesse Soldau als recht langweiliges Mitglied gesellte.
Anfänglich hatte sie nur eine kurze Visite abstatten wollen, doch blieb sie heute, ganz gegen ihre Gewohnheit, so auffallend lange anwesend, dass die Hauswirte nicht allzu falsch kalkulierten, wenn sie glaubten, durch eine Einladung zum Jagddiner die junge Dame zu erfreuen.
Sie akzeptierte sehr gern, und auch jetzt, während des Mahles, zeichnete sie den Grafen Lankwitz durch ihre besondere Aufmerksamkeit aus, die sich allerdings nur durch ein heiteres Lächeln und den Blick ihrer sehr schönen, grossen Augen kundtat. Dennoch ward Juvivallera weidlich geneckt mit dieser neuesten Eroberung, welche ihn selber insofern lebhaft amüsierte, als er dadurch zum Rivalen des Rittmeisters wurde.
Was konnte spasshafter und ergötzlicher sein, als Angerschütz, der sich bereits bei Fräulein von Soldau am heissersehnten Ziel glaubte, diesen Erfolg streitig zu machen? Welch eine fiebernde, verzweifelnde Angst würde ihn ergreifen, falls er sähe, dass sein Goldfischchen dicht vor dem aufgestellten Netze kehrt macht und der Angel des Feindes entgegen eilt! —
Das wäre für den geizigen, berechnenden Mann wohl der schwerste Schlag, welcher ihn und seine Börse treffen könnte, und wenn er auch im Leben alles verschmerzen würde, die Millionen der Zukünftigen niemals! —
Cyprians Augen blitzten bei diesem Gedanken, der ihm wie eine neue, köstliche Eingebung erschien! „Ja, er kann reizend sein, wenn er nur will!“ sagte man von ihm, und jetzt wollte er, wollte bestricken und berücken — und die stets heisser glühenden Wangen der Baronesse Soldau bewiesen es, dass auch die Göttin der Liebe dem lustigen Juvivallera allüberall zum Sieg verhalf. — — Man beobachtete die Courmacherei voll harmloser Heiterkeit, als eine kleine Malice des Leutnants gegen seinen Rittmeister, denn jeder ernsthafte Gedanke schien dabei wohl ausgeschlossen. Ein ungleicheres und unpassenderes Paar hätte es wohl nie geben können, wie Cyprian und Bianka, und ausserdem dachte wohl der kaum zwanzigjährige, jüngste Leutnant an alles andere eher, als an ernstliches Verloben und Heiraten!
Und mit dieser Vermutung traf man auch durchaus das Richtige. Graf Lankwitz lag zur Zeit wohl kein Gedanke so fern, als der einer Verlobung, wenngleich sein überraschender Erfolg bei der spröden Soldau seiner Eitelkeit schmeichelte, und ihre strahlend geistvollen Augen ihm von Stunde zu Stunde besser gefielen.
Endlich blies es auch bei dem Kesseltreiben „Hallali“; die Gäste verabschiedeten sich in animiertester Stimmung, und auch Juvivallera bestieg frohgemut seinen Rappen, zur heimatlichen Garnison um zurück zu reiten! —
Als er zu seinem Hoftor einritt, stand der Bursche mit auffallend verstörten und bleichen Wangen — bereits wartend an der Schwelle, — sein Herr war jedoch zu weinseliger Stimmung, um das Angesicht seines Augusts eingehender zu studieren. Er warf ihm die Zügel zu, sprang zur Erde und betrat seine Wohnung.
Mitten auf dem Tisch des Wohnzimmers, hell beschienen vom Lampenschein, blinkten ihm ein paar Goldstücke entgegen.
Cyprian trat näher und übersah das Geld. Hundert Mark? — was soll das sein? —
Er trat zurück, ging nach dem Stall und rief August. „Heda! was liegt denn drin für Geld auf dem Tisch? woher stammt das?“
August richtete sich stramm auf. Sein Gesicht zuckte wie unter Qualen der Angst, seine Stimme klang tonlos und gurgelnd.
„Das ist ja für unsern Ziegenbock, Herr Graf!“
„Für den Ziegenbock?!“ Wie ein Donner rollte die Stimme Juvivalleras durch den niedern Raum. „Himmelschockbombenelement! Was soll das heissen?!“
„So wissen der Herr Graf von gar nichts?“ stammelte der geängstigte Husar.
„Keine Ahnung habe ich! Wo ist Hans? Wo steckt er? Was ist mit meinem Ziegenbock geschehen?“
Lankwitz riss ausser sich vor Erregung die Tür zum Nebenstalle auf und leuchtete mit der Laterne hinein.
Leer, öde und still. Keine Spur von Hans. Alles Blut wich aus den Wangen des jungen Offiziers. „Was ist mit dem Bock geschehen, August? Hat man ihn etwa getötet?“ fragte er durch die Zähne.
Der Bursche richtete sich stramm auf, zu rapportieren. „Als der Herr Graf heute mittag kaum zum Hofe hinausgeritten waren, kam der Herr Rittmeister mit einem andern Herrn und gingen, ohne mich zu rufen oder zu befragen an den Stall von unserem Hans heran. Mir ahnte gleich etwas Schlimmes, darum ging ich näher und stellte mich mit allem Respekt auf. Aber der Herr Rittmeister sah mich gar nicht an, sondern fragte den anderen Herrn: ‚So, hier ist der Ziegenbock. Dressiert für die Manege, kann alle möglichen Kunststücke, was geben Sie dafür, Levi?‘“
„Der Händler, den der Herr Graf ja auch kennen, handelte hin und her, dass solch ein Vieh gar keinen Wert habe — und dann sprachen sie leise miteinander, und schliesslich schienen sie handelseinig. Der Levi zog die Börse und zahlte dem Herrn Rittmeister etwas, und der sagte: ‚Na in Teufels Namen — dann will ich noch drauf legen, damit der Herr Graf ein gutes Geschäft macht.‘ Dann band der Levi unsern Hans an eine Leine und zerrte ihn mit sich fort, und als ich mir erlauben wollte, etwas zu bemerken, schnauzte mich der Herr Rittmeister so mächtig an, dass ich in den Stall retirierte, denn sagen durfte ich ja doch nichts mehr.“ August schluckte ein paarmal krampfhaft. „Unser Hans aber ist fort — und jetzt — jetzt haben sie ihn vielleicht schon geschlachtet, denn der Levi sagte, er sei recht gut im Futter!“
Schweigend hatte Juvivallera zugehört. Seine Stirn glühte dunkelrot, seine Brauen zogen sich wie drohend Wetter zusammen. — „Gut“, sagte er kurz, „hol mir eine Liebfrauenmilch aus dem Keller, August“, — wandte dem Burschen den Rücken und schrittin die Wohnung zurück.
Die halbe Nacht sass er und blies blaue Ringel, trank ein Glas um das andere und grübelte. Endlich blitzte es hell auf in seinen Augen, ein leises Lachen klang von seinen Lippen, triumphierend hob er den Kopf. Nun wusste er, wie er dem Rittmeister antworten wollte. Seelenvergnügt begab er sich zur Ruhe und schlief bis in den hellen Tag hinein, denn am andern Morgen klangen die Sonntagsglocken, und der Herr Rittmeister verlebte jeden Sonntag in der nahegelegenen Provinzialstadt.
An diesem Sonntag kehrte Herr von Angerschütz schon sehr frühzeitig in seine kleine Garnison zurück. Seiner Gewohnheit gemäss machte er zuvor noch einen Nundgang durch Wohnung und Stall, um zu revidieren, ob alles in Ordnung sei.
Die Physiognomie seines Burschen war dem Herrn Rittmeister stets sehr gleichgültig gewesen, auch heute hatte er keinen Blick für das auffallend veränderte Gesicht seines Husaren, welcher stumm und stramm vor dem Gebieter zu verharren hatte, bis er gefragt wurde. Und heute fragte Herr von Angerschütz nichts, absolut nichts — denn er hatte sehr üble Laune. Zum erstenmal war sein Besuch bei den Eltern der Baronesse Soldau ohne triftigen Grund abgelehnt worden. Und gerade bediesem Besuch hatte er Ernst machen und sich der „goli digen“ Dame des Herzens erklären wollen! — Konnte es tatsächlich wahr sein, was er vorhin von etlichen Jägern in der Stadt erfahren, dass Lankwitz es wagte, dem Vorgesetzten in das Gehege zu kommen? Dass Fräulein Bianka ein auffallendes Interesse für den jungen Laffen, seinen stadtbekannten Gegner gezeigt?
Eine fieberische Unruhe hatte Angerschütz erfasst. Er beschloss, noch an diesem Abend nach Schloss Soldau hinaus zu reiten, um auf jeden Fall eine Aussprache und das Jawort Biankas zu erzwingen. Er hatte schon so völlig sicher mit dieser glänzenden Partie gerechnet, dass ein Ausfall der vielen Millionen von unberechenbarer Tragweite für ihn sein konnte.
Gefolgt von dem Burschen trat er in den Stall, hielt die Laterne hoch und leuchtete. — „Na nu? zum Teufel Donnerwetter — wo sind denn die Pferde?“ — rang es sich, atemlos vor Uberraschung, von seinen Lippen. Da nicht sogleich eine Antwort erfolgte, fuhr er herum und starrte den Burschen an. Wie ein Bild des Jammers, mit schlotternden Knieu und angstverzerrter Miene stand Gottlieb vor ihm.
„Kerl!“ donnerte Angerschütz, „was ist mit den Gäulen passiert?“
„Die ... die ... die hat der Herr Graf zu Lankwitz heute nachmittag an den Levi verkauft, Herr Rittmeister“, stammelte der Husar mit halbgeschlossenen Augen, „auf dem Tisch drinnen liegen zweihundert Mark — —“
Ein unartikulierter Wutschrei. Die Laterne schmetterte auf das Pflaster, die Stalltüre krachte wie ein Kanonenschlag ins Schloss, und Gottlieb sass allein im Dunkeln, stöhnend vor Herzensangst, auf der Haferkiste im leeren Stall und erwartete resigniert, dass die Welt mit ihm und dem Grafen Lankwitz untergehe. — — Nie hat eine Geschichte in militärischen Kreisen so viel Sensation erregt, wie die des kühnen Juvivallera, welcher seinem Rittmeister, der ihm den Ziegenbock verkaufte, sehr gelassen die Pferde aus dem Stall en revanche ebenso verkaufte!
Selbstredend wirbelte die Sache ungeheuren Staub auf, nahm einen ernsten Charakter an und rollte wie eine Lawine, verderbendrohend von einer Instanz zur andern. Juvivallera aber pfiff sich eins und wusste es ganz genau, wie weidlich sein Streich in allen Kreisen belacht und applaudiert wurde, auch sah das Gesicht seines Obersten gar nicht so entsetzlich menschenfresserisch aus, als der sehr beliebte Chef ihm ernsten Auges sagte: im hiesigen Regiment sei Graf Lankwitz unmöglich geworden, er möge sich auf eine Strafversetzung gefasst machen.
Das tat der junge Missetäter mit seinem einnehmendsten und liebenswürdigsten Gesicht und hatte durchaus nichts dagegen, dass er bis zur Entscheidung zu einer andern Schwadron kommandiert wurde, wo er, unter scharmantesten Vorgesetzten, ein wahres Götterleben führte.
Juvivallera hatte ja stets Glück im Leben, wie hätte ihm jetzt Frau Fortuna den Laufpass geben sollen, nachdem er das ganze Land durch seine schlagfertige Rache amüsiert hatte?
Die gefürchtete Versetzung kam, aber — ein laut donnernder Jubel tönte durch die Kneipe, in welcher Cyprian mit seinen jungen Kameraden schon seit vierzehn Tagen allabendlich den Abschied mit Tränen der Madame Cliquot-Ponsardin begoss, als er, stockend vor Überraschung, den ominösen Zettel des Regimentsadjutanten vorlas. — In das St.’r Leib-Ulanenregiment? in eines der elegantesten, besten Regimenter, in die brillanteste Garnison, woselbst ein herzoglicher Hof residierte und sein Schwiegervater bereits eine fürstliche Villa besass? — — Donnerwetter — über solchen Dusel! — Herrlichster, entzückendster Oberst, der seinem übermütigen „Jüngsten“ für eine solche „Strafversetzung“ gesorgt! — Die Ohren haben ihm geklungen von all den begeisterten Hochs, welche Juvivallera auf ihn ausgebracht!
Und Cyprians Schwiegervater? — Ja, das war noch eine Geschichte extra für sich.
An jenem Abend, da Herr von Angerschütz vergeblich nach seinen Pferden suchte, um Schloss Soldau mit einem Heiratsantrag zu beglücken, sass Juvivallera kreuzfidel zu Füssen der Baronesse Bianka und fragte sie lachend: ob sie es nicht für gar zu bodenlos frech hielte, wenn er, der jüngste Leutnant, sich bereits mit Heiratsgedanken trage?
Heiss erglühend versicherte sie, das nur als sehr vernünftig und richtig loben zu können.
„Brillant! Dann sind wir ja vollkommen einig!“ jubelte der Ermutigte, fasste die beiden kühlen, unschönen Hände der Erwählten und zog sie stürmisch an die Lippen — „und wenn Sie es von mir vernünftig finden, dass ich mich in Sie verliebte, Bianka, dann seien Sie auch vernünftig und nehmen Sie mich!“
Das hatte sie strahlenden Auges getan, und so war Juvivallera ein zwanzigjähriger Bräutigam und baldiger Ehemann geworden.
Über diesen ersichtlich nur dem Rittmeister zum Schabernack ausgeführten Streich hat man zuerst doch sehr missbilligend in der Gesellschaft die Köpfe geschüttelt, denn sich zu verloben, lediglich um einen andern zu ärgern, fand man doch etwas allzu frivol und bedauerte das verblendete Mädchen, welches sicherlich einer unbeschreiblich unglücklichen Ehe entgegengehe. Nie ward wohl ein derart schroff kontrastierendes Paar getraut wie der leichtlebige Cyprian und die so sehr ernst beanlagte Bianka. Wie schnell wird der junge Sausewind die hässliche, langweilige Gattin überdrüssig bekommen und sie vernachlässigen! Mit rechter Spannung sah man dieser wohl unausbleiblichen Katastrophe entgegen.
Aber man hatte sich gewaltig in dem braven, rechtlichen Herzen Juvivalleras getäuscht. Wenn ihm anfänglich bei seiner Verlobung auch die Tatsache, dass Angerschütz sich die Gelbsucht an den Hals ärgerte, den grössten Scherz bereitete und er seinem Quälgeist gar nicht ostensibel genug seine Rache markieren konnte, so übten dennoch die glückstrahlenden, wahrhaft überseligen Augen seiner Braut einen tiefen und rührenden Eindruck auf ihn aus, und ihr ganzes Wesen, welches nur die zärtlichste, anbetendste Liebe ausdrückte, reizte ihn in herzlicher Freude an, ihr mit gleicher Innigkeit zu begegnen.
Was anfangs etwas Erzwungenes war, ward ihm bald zur wahren Überzeugung, denn Bianka war ein sehr tief und reich beanlagtes Gemüt, welches seine Fülle an Geist und Anmut dem Gatten ebenso völlig enthüllte, wie es sich vor der Welt mimosenhaft verschloss.
Die anfänglich so sehr angezweifelte, ungleiche Ehe des Grafen Lankwitz ward eine sehr glückliche und sein Benehmen gegen Bianka ein geradezu musterhaftes.
Nach Jahresfrist ward dem jungen Paar ein Sohn geboren, und Juvivallera, der einundzwanzigjährige Vater war ausser sich vor Stolz und Glück. So beliebt, wie er überall im Leben war, war er auch in der neuen Garnison, und darum nahm man allseitig den herzlichsten Anteil an dem grossen und aufrichtigen Schmerz des Grafen, als ihm seine Gattin nach kaum zweijähriger Ehe durch den Tod entrissen wurde. Eine heftige Lungenentzündung warf sie auf das Krankenlager, und Cyprian pflegte sie voll aufopfernder Treue bis zu ihrem letzten Atemzuge, welcher noch ein Segenswunsch für ihn gewesen.
Mit Bianka verliess ihn der gute Geist, der solide und schier würdevoll unter seinem Dach gehaust. Das Pflichtgefühl und der gute Einfluss der ernsten Frau hatten ihn in Bahnen gelenkt, die aus dem übermütigen Juvivallera einen ausgezeichneten Ehemann gemacht. Jetzt stand er wieder allein, verfiel in sein altes Junggesellentemperament und ward bald wieder ganz der frühere, leichtlebige junge Mensch, dessen gutem und bravem Herzen nur ein paar allzu flotte Flügel gewachsen waren.
Er ward ein Lebemann im guten Sinne des Wortes, stets mobil, unternehmend, hübsch, sehr elegant und allgemein beliebt.
Als Rittmeister nahm er seinen Abschied und lebte viel auf Reisen, während sein Söhnchen Cyrill im Hause seiner Schwiegereltern erzogen wurde.
Wie man sagte, hatte das Kind auffallende Ähnlichkeit mit der Mutter.
Sein Wesen und Charakter wenigstens zeigte schon seit frühester Jugend eine so aussergewöhnlich ernste und nachdenkliche Richtung, dass er wie die verkörperte Unnatur gegen seine kleinen Altersgenossen abstach.
So unbändig und ungezogen einst der Vater als Knabe gewesen, so musterhaft artig war Cyrill. Es bedurfte kaum der Erziehung bei ihm. Er folgte auf das Wort, er beschäftigte sich stundenlang still und artig in seiner Spielecke, er nahm alles, was ihm befohlen ward, unendlich wichtig und schwer, und wenn er ein Versprechen gegeben, so hielt er es mit einer Pflichttreue und Konsequenz, welche die Umgebung in Staunen setzte. Allerdings hatte er auch die hohe Empfindsamkeit der Mutter geerbt.
Sehr leicht und sehr tief beleidigt, zog er sich grollend in sich selbst zurück, nicht nur verbittert über die ihm geschehene Kränkung, sondern auch — und dies streifte den Charakter des Vaters — tagelang sinnend und grübelnd, wie er sich dafür rächen könne. Und er rächte sich auch jedesmal, nicht in boshafter oder hinterlistiger Weise, sondern stets in einer Form, welche dem Beleidiger zeigte, wie bitter unrecht er dem Knaben getan, wie verwerflich und unrichtig er daran gehandelt.
Etwas schulmeisterhaft Pedantisches lag in der ganzen Art und Weise des Kindes, wenngleich es entschieden auch von der Begabung des Vaters, seinen genialen Talenten und Befähigungen geerbt hatte, denn Cyrill lernte spielend leicht, erfasste jede Aufgabe schnell, zeigte grosse Vorliebe und Verständnis für Musik und fand namentlich viel Gefallen daran, mit erstaunlicher Phantasie kleine Geschichten und Märchen zu ersinnen. Dass dieselben meist eine recht tief religiöse, streng sittliche und rechtliche Moral verherrlichten, überraschte die Welt am meisten, und man konnte nicht genugsam das eigenartige Spiel der Natur anstaunen, welche in Vater und Sohn solche direkte Extreme geschaffen.
Hatte man den flotten, lebenslustigen, mit den Jahren stets leichtsinniger werdenden Lankwitz senior im Scherze „Juvivallera“ getauft, so erfand nun ein Witzbold für den ernsten, frommen, soliden Lankwitz junior den Spitznamen „Hosianna“, und diese seltsame Namensverbindung flog lachend von Mund zu Mund, weit über des Landes Grenzen hinaus.
Dabei war das Einvernehmen zwischen Vater und Sohn ein ganz vorzügliches, ihre gegenseitige Zuneigung eine so innige und herzliche, wie selten in anderen Familien, und wer beide zusammen sah, hielt sie für Brüder, den lachenden, jugendlichen, flotten Vater in späterer Zeit sogar meist für den jüngeren, als ihm Cyrill hoch und schlank über den Kopf wuchs und mit seinen dunklen Augen ebenso vorzeitig alt in die Welt schaute wie ehemals die Mutter.
Juvivallera und Hosianna wanderten jedoch Arm in Arm, innig verbunden, durchs Leben, und je älter Cyrill ward, desto mehr nahm er den Platz der zu früh geschiedenen Mutter ein, gleich ihr zum hemmenden, versöhnenden und ausgleichenden Elemente werdend, wenn die leichte Ader des Vaters eines strengen Schutzgeistes bedurfte.