Читать книгу Sehnsucht einer Nonne - Nico . - Страница 5
01.
Gewitter in den Bergen
ОглавлениеAls er zielstrebig den schmalen Pfad zur Hochalm stieg, sah er bereits die dicken, schwarzen Wolken, die tief und bedrohlich über dem Tal hereinzogen. Den ganzen Tag war ein herrlicher Sommertag gewesen. Er genoss diese einsamen Bergwanderungen. Hier oben war es nicht gar so heiß und der Weg war gut zu gehen, auch wenn er beständig anstieg. Er war geübt. Oft hatte er diese Tour schon zur Hochalm unternommen. Die Wege waren ihm vertraut, die Aussicht, die man bei jedem Schritt und Tritt hatte, schien im wie ein Blick ins Paradies. Er liebte dieses Stück Erde.
Endlich war die Hochalm zu sehen. Jetzt waren es nur noch ein paar hundert Meter, dann hatte er die schützende Almhütte erreicht. Es wurde Zeit, man hörte vom Talende her schon heftiges Donnergrollen. Gewitter in den Bergen, das wusste er aus eigener schlechter Erfahrung, sollte man immer sehr ernst nehmen. Sie kamen überraschend, waren stets gewaltig von orkanartigen Stürmen und einem heftigen Blitzen und Donnern begleitet und brachten meist wolkenbruchartigen Regen, der die Wege überflutete und unpassierbar zerklüftete.
Er hatte es wieder mal geschafft und er war darüber sehr glücklich. Immer wieder aufs Neue war er stolz auf seine Leistung. Den sieben Stunden-Weg, der immerzu steil bergan führte, und auf etlichen Stücken vom Bergwasser mitunter tief ausgewaschen war, nahmen meist nur sehr wenige auf sich. Selten war er bisher auf dem Weg jemand begegnet. Man musste schon etwas geübt und gut trainiert sein. Ihm war es sehr recht. Die Touristen suchten bequemere Routen.
Jetzt aber war er geschafft und freute sich auf das Ausruhen und ein Abendbrot, das er im Rücksack dabei hatte. Mit dem Louis, dem alten Senner, den er schon seit seiner Jugendzeit kannte, als er mit den Eltern bereits den beschwerlichen Weg erklomm, wollte er sich noch ein wenig vor die Almhütte setzen und bald zu Bett gehen. Am Morgen, wenn die Sonne aufgegangen war, wollte er sich in aller Frühe schon wieder auf den Rückweg machen. Es war ein wunderschöner Tag. Zwei, drei Tage in der Einsamkeit der Berge waren ihm mehr wert als eine ganze Woche Urlaub irgendwo.
Für einen Augenblick blieb er vor der Almhütte stehen und blickte zufrieden zurück, bevor er fest an die offen stehende Türe klopfte. „Ich hab dich schon kommen gesehen, komm nur herein!“, rief eine alte Stimme aus der Hütte. Sie begrüßten sich sehr herzlich und setzten sich an den Tisch um gemeinsam zu essen. Klaus, so hieß der einsame Wanderer, erkundigte sich, ob er wieder in der Schlafkammer übernachten konnte, und setzte sich nach dem Abräumen mit dem Senner auf ein Glas Wein vor der Hütte zusammen. Der Louis liebte solche Besucher, noch dazu, wenn er sie schon kannte. Es war ihm häufig doch sehr einsam hier heroben, wo er vom Auf- bis zum Abtrieb den ganzen Sommer über alleine verbrachte und viel zu arbeiten hatte. Bald ging er zu Bett. Der Senner wollte noch mal nach den Tieren sehen.
Das vom Louis schon befürchtete Gewitter war etwas näher gekommen und schien sich im Tal richtig fest zu hängen. Egal, dachte sich Klaus. Er mochte Gewitter in den Bergen und hatte schon mehrfach eines erlebt, wenn sie nicht zu heftig und direkt über ihm mit Blitzen und dem heftigen Sturm wüteten. Ob im Tal oder hier heroben. Sie waren Immer gewaltig. Hier heroben, so nahe bei den tief hängenden Wolken, und fast ungeschützt den orkanartigen Sturmböen ausgeliefert, ähnelten sie fast immer einem Weltuntergang. Da fühlte er sich seinem Schöpfer besonders nahe. Angst hatte er davor keine; ziemlichen Respekt schon eher. Morgen in der Früh ist es längst vorbei, und ich bin hundemüde und will meine strapazierten Knochen endlich ausstrecken können. Den ganzen Tag war es heiß und schwül gewesen und die Nacht war auch auf dieser Höhe ausnahmsweise sehr warm. Es war erträglich und er schlief trotz des unentwegten Blitzens und Donnergrollens sofort ein.
Gerade war er im Begriff einzuschlafen, als er plötzlich durch verhalten sprechende Stimmen vor der Kammertüre geweckt wurde. Der Louis sprach mit einer Person, die wohl so spät eben noch angekommen war. Quietschend öffnete sich die Kammertüre.
Als er kurz den Kopf hob, hörte er, wie der Senner mit einer nur schemenhaft im Licht einer Petroleumlampe erkennbaren Person leise sprach: „Hier hab ich noch ein Bett für Sie. Ist nichts Besonderes. Wenn es ihnen also nichts ausmacht. Im Bett daneben liegt ein Mann. Der hat aber bestimmt nichts dagegen, wenn jemand wie sie mit ihm für eine Nacht das Ehebett teilt. Der ist hundemüde. Er wird ihnen ganz bestimmt nichts tun. Er ist ein guter Freund, der mich schon etliche Jahre hier heroben besucht. Ansonsten kann ich Ihnen nur den Stall anbieten.“
„Nein, nein, das Zimmer ist grad recht so. Es macht mir nichts aus, wenn da noch jemand ist!“ kam es von der Person flüsternd zurück, „Das ist schon gut so.“
„Dann ist es recht.“
Sie wünschten sich gegenseitig eine gute Nacht und der späte Gast ging mit seinem Rucksack auf dem knarrenden Holzboden um möglichst wenig Lärm bemüht zum freien Bett. Die Person zog sich aus, ordnete etwas die Kleidung und legte sich dann schnell ins Bett. Klaus hatte das schon gar nicht mehr richtig wahrgenommen, weil er sich bereits zur anderen, seine rechte Seite, gedreht hatte. Er wollte jetzt schlafen und keine große Konversation. Er wollte seine Ruhe. Er musste für den folgenden Tag seine ganzen Kräfte regenerieren.