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Projektmanagement
ОглавлениеDie Zeit um den vierten Monat herum wird auch dadurch charakterisiert, dass werdende Eltern unglaublich viel organisieren und aufs Gleis setzen: Von der Hebammensuche über die Besichtigung möglicher Geburtsorte bis zur Buchung eines Geburtsvorbereitungskurses könnte man die Liste der To-dos noch lange weiterschreiben.
Die Zwiegespräche als Paar sind auch deshalb so wichtig, weil sie beim Projektmanagement helfen. Jedes Projekt beginnt mit einer klaren Zielvorstellung. Wenn wir ein klares Ziel haben – und eine klare Vorstellung davon, wie dieses Ziel aussieht –, wird es uns leichter fallen, dieses auch zu erreichen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns immer wieder ausmalen, wie unsere Zukunft als Familie aussehen soll und wird – sowohl in unseren Gesprächen als Paar als auch immer wieder allein in Gedanken.
Wahrscheinlich werden wir unser gemeinsames Familienprojekt wie ein »Moving Target« wahrnehmen, denn wir haben mit jedem Monat, mit jeder Woche mehr Informationen zur Verfügung und vielleicht sieht unsere Vorstellung vom Babyprojekt kurz vor der Geburt deutlich anders aus als im sechsten Schwangerschaftsmonat und ganz zu Beginn der Reise.
Das ist überhaupt nicht schlimm, erfordert aber, dass wir dranbleiben und unsere Überlegungen und Gespräche immer wieder fortsetzen, aktualisieren, konkretisieren und ausbauen. Wenn wir jetzt damit anfangen, sind wir schon in Übung, wenn ab dem fünften Monat das Baby immer deutlicher spürbar wird und mehr und mehr von unserer Aufmerksamkeit auf sich zieht.
YOU HAVE A NEW MESSAGE
»Ein Baby ist eine große Verantwortung. Manchmal wünscht man sich sein altes Leben zurück. Sprich mit jemandem und lass auch die traurigen Momente zu. Du musst dich nicht immer nur auf mich freuen (aber ich freue mich immer auf dich!)«
SO SIEHT ES
NICOLA | KLAUS
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Gemeinsam stehen wir Eltern als Team hinter unserem Kind – ein Leben lang.
Lasst uns ein Team sein!
Eltern als Team – das ist das Beste, was allen Kindern passieren kann. Sehr eindrücklich fand ich bei der Recherche für dieses Buch die neueste Forschung, die uns sagt, dass es schon vor der Geburt des Kindes einen Einfluss auf seine Entwicklung hat, ob die Eltern sich als Team sehen oder als zwei einzelne Player18. Unsere Kinder brauchen uns als Team also schon in der Schwangerschaft, und wenn wir das jetzt kultivieren – oder es lernen, wenn es für uns neu ist – dann profitiert unser Kind ein Leben lang davon.
Sehen wir uns denn als Team? Forscher haben Eltern dazu vor der Geburt befragt, wie sie sich ihr Familienleben vorstellen. Das Ergebnis: Manche Eltern stellen sich ihr Leben mit Kind während der Schwangerschaft noch gar nicht vor. Sie entwickeln keine Fantasien dazu, wie es sein wird, und sprechen nicht miteinander darüber. Das ist nach Forschungslage der schlechteste Fall, weil das Gehirn sich dann am wenigsten gut vorbereiten kann. Andere stellen sich ihr Leben mit Baby zwar vor, aber immer in Zweierpacks: Die Mutter mit dem Kind oder der Vater mit dem Kind. Hm. Schon besser, aber offenbar für die Kinder nicht ideal. Kinder brauchen eine Familie, eine Gruppe. Wissenschaftler sprechen davon, dass wir aus der Dyade in die Triade wechseln, wenn wir vom Paar zur Familie werden. Und was wir jetzt brauchen, nennen sie »triadische Kompetenz«.
Für eine Familie, in der Eltern ein Team sind, brauchen wir Väter und Mütter, die sich ihr Leben als Familie gemeinsam vorstellen. Gemeinsam heißt: ohne sich selbst oder ihre Partner von der Beziehung zum Kind auszuschließen. Dazu gehört auch, dass beide emotional anwesend sind, wenn sie Zeit miteinander verbringen (und Zeitung und Smartphone auch mal weglegen) und die jeweils andere Art des Partners wertschätzen können.
Jeder ist anders, aber solange jedes Elternteil auf seine Art feinfühlig auf das Kind eingeht, ist das ein reiner Kulturunterschied und völlig okay. In einem solchen Familienklima lernt das Kind deutlich besser, sich selbst zu verstehen und sich in andere hineinzuversetzen: Es wird selbst empathisch, sozial kompetent und fühlt sich als Teil eines sicheren Zuhauses.
Der eine oder die andere kennt vielleicht noch ein drittes Modell: Wenn Eltern sich gegen das Kind verbünden. Manchmal treffen wir dieses Bild noch in Schlaflern-Büchern, in denen die Eltern dem Kind zeigen müssen, »wer in der Familie das Sagen hat«. Dieses Modell ist veraltet und dysfunktional. Heute wissen wir, dass Familie kein Machtsystem, sondern ein Beziehungssystem ist (und dass Kinder schlafen, und überhaupt auch alles andere, nur mit Liebe lernen, nicht mit Machtkämpfen).
Wir gehören zusammen – und zwar eigentlich nicht nur wir drei, sondern wir und die erweiterte Familie, das erweiterte Dorf. Aber wenn wir als Kernteam gut miteinander umgehen, uns vorstellen können, eine gute Zeit miteinander zu verbringen und einander zu vertrauen, Probleme gemeinsam zu lösen und offen über unsere Gefühle zu sprechen, dann tun wir allen einen großen Gefallen.
Forscher können bis in die Vorschulzeit voraussagen, wie sich unsere Kinder besser entwickeln, wenn sie in so einer Familie aufwachsen können. Und natürlich gilt: In gesunden Familien sind die Eltern das Hauptteam, aber sie bilden auf Elternebene eine Allianz: Wir beide für dich, unser Kind, und wir drei als Familie füreinander.
Wissenschaftscheck
Die Beziehungsqualität prägt unser Familienleben
Eine Studie an der Universität Bonn zeigt19: Je besser Eltern sich verstehen, desto höher sind ihre Chancen auf einen glücklichen Start ins Familienleben. Und was genau heißt »sich verstehen«? Die zwei Hauptkriterien der Forschung für die »Beziehungsqualität« sind: Die Eltern hegen enge und intensive Gefühle füreinander und haben eine enge Beziehung. Und da eine Beziehung nicht immer nur einfach ist, haben sie Strategien entwickelt, wie sie Konflikte friedlich lösen und Krisen gemeinsam bewältigen.
Erstaunlicherweise hat die Beziehungsqualität keinen besonderen Einfluss auf den Geburtsverlauf. Die erste Nagelprobe ist das Wochenbett. Jede Geburt ist mit großen körperlichen und emotionalen Anstrengungen verbunden, von denen sich die Mutter im Wochenbett erholen muss. Auch braucht die junge Mutter Ruhe und Zeit, um sich auf das Neugeborene einzustellen. Oft müssen die Väter daher den kompletten Haushalt übernehmen und ihre Lieben umsorgen. Und auch der Vater will ja noch Zeit finden, sein Kind kennenzulernen.
Wenn Kinder dazukommen, haben viele Paare grundsätzlich das Gefühl, dass die Beziehung eher schwieriger wird als einfacher. Vorher neigen wir dazu, den Partner zu idealisieren, weil wir die Beziehung stabilisieren wollen. Sind wir mit Kind unter Stress, kommen Probleme zum Vorschein, die schon immer da waren, die aber jetzt sichtbar werden. Es hilft, das vorher zu wissen.
Im Umkehrschluss könnte man folgern: Wer sich schon zu Beginn der Schwangerschaft regelmäßig beim Einkaufen streitet und bei jeder Kleinigkeit aneinandergerät, sollte hellhörig werden und in seine Beziehung investieren. Denn eines ist sicher: Je mehr Bedürfnisse aufeinandertreffen, desto mehr Explosionsmaterial ist vorhanden. Und ein Einkauf mit einem müden Baby ist in der Regel nicht stressfreier als der ohne.
Was können wir tun? Reden hilft. Sich Zeit nehmen füreinander. Sich austauschen, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen, und dabei offen sprechen über Dinge, die uns Sorgen bereiten oder gar ein »No go« darstellen. Finden wir deutliche Differenzen, ist auch eine Paarberatung oder eine Paartherapie immer möglich. Natürlich sollte sie die Schwangerschaft nicht belasten. Notfalls suchen wir uns einen Profi, der uns berät.
Wie auch immer wir an die Sache herangehen, eines sollte klar sein: wenn Eltern sich streiten, trifft die Kinder keine Schuld. Kinder haben Bedürfnisse und das ist auch richtig so. Unser Job als Eltern ist es, ihnen die Umgebung zu sichern, in denen ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Ohne Wenn und Aber.