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Kapitel 3

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Zwei Stunden später schlenderten wir bereits mit vollen Taschen durch das beleuchtete, gut besuchte und multikulturelle Einkaufszentrum. Die Zeit verging wie im Flug. Für kurze Zeit hatte ich sogar meine Sorgen in den Hintergrund verdrängen können. Mary hatte mich ein kleines Stück ins Leben zurückgezogen. Anziehen, ausziehen, Klamotten runter von der Kleiderstange und wieder rauf auf die Kleiderstange. Es hat gut getan, mal eine Weile abschalten zu können.

Wir schlenderten die Gänge hinunter. Vor einem unauffälligen Schaufenster, das ich keines Blickes gewürdigt hatte, blieb Mary plötzlich abrupt stehen.

Sie deutete mit der Hand auf eine silberne Kette mit Anhänger und flüsterte: „Der ist schick, der ist so was von…. ich weiß nicht…..aber ich muss ihn haben“.

Eine kleine, runde, silberne Scheibe, die am unteren Ende halb gespalten war, lag auf einem schwarzen Samtkissen und hatte Marys Interesse geweckt. In der Mitte dieses runden Anhängers befand sich ein weiterer Kreis, der auf dem äußeren Rand mit kleinen Punkten versehen war.

„Das habe ich schon mal irgendwo gesehen, glaube ich“, nuschelte Mary.

Ich trat neben sie und betrachtete es genauer: „Ich denke, es ist ein Omega. Ja, das müsste ein Omega sein.“

„….ein Omega….ahhhh ja.“

Sie blieb wie angewurzelt vor der Schaufensterscheibe stehen. Es fehlte nicht mehr viel und sie hätte sich die Nase an dem gräulich schimmernden Glas platt gedrückt. Den kleinen Anhänger anstarrend, als läge dort ein lupenreiner, großer Diamant vor ihr, flüsterte sie plötzlich seltsam andächtig: „Wieso habe ich das Gefühl, dass ich das Ding kenne?“

Der Inhaber trat unerwartet und wie ein plötzlich auftauchender Geist durch die Ladentüre. „Kann ich ihnen behilflich sein?“

Ich nickte dankend ab, doch bevor ich mehr als ein `wir kommen klar` sagen konnte, höre ich Mary fragen, wobei sie den Blick von der Kette nicht löste: „Wissen sie, was das Omega für eine Bedeutung hat?“

Der Mann war recht klein und alt, ich schätzte ihn um die siebzig Jahre. Sein lichtes Haar und seine gegerbte Haut ließen darauf schließen, dass er in seinem Leben viel in der Sonne war. Er erinnerte mich an einen südländischen Plantagenpflücker in den großen Olivenhainen auf Kreta. Er lächelte und schien sich über die Frage zu freuen, denn augenblicklich begann er euphorisch zu erzählen: „Ja, das Omega steht im griechischen für das Ende des Alphabets. Bei Tieren wird zum Beispiel das letzte Tier der Rangordnung das Omega-Tier genannt. Es ist aber auch das Zeichen für das Ende der Zeiten.“

Bevor er weiter sprudeln konnte, unterbrach ihn Mary: „Was kostet das Teil?“ Erstaunt blickte ich sie an.

Das olle Ding willst du kaufen?

Er lächelte verschmitzt.

„Nun ja, es ist nicht ganz billig, sie sehen ja, wie alt es ist, und mit wieviel Liebe es im Detail gemacht wurde. Es ist schon ein kleines Meisterwerk.“

„Hey“, dieses Mal fiel ich ihm ins Wort. „Das Ding ist gebraucht, niemand will es kaufen, es liegt hier zwischen lauter anderem Zeugs. Ich bitte Sie, treiben Sie jetzt nicht den Preis hoch, was wollen Sie für das Ding?“

Strafend trafen mich seine Blicke, er nickt burschikos und bat uns, ihm zu folgen. Er verschloss hinter uns die Ladentür und öffnete mit einem kleinen Schlüssel die Schaufenstervitrine. Ich stupste Mary mit dem Ellbogen in die Hüfte, beugte mich zu ihr und flüsterte: „Was willst du mit dem alten Teil?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich hab keine Ahnung, echt nicht. Ich will es einfach nur haben.“

Der Verkäufer holte es sachte und vorsichtig von dem kleinen, dunklen Samtkissen herunter und legte es Mary um den Hals.

„Schauen sie genau hin und fühlen Sie in sich hinein, es ist wie für Sie geschaffen.“

Er flüsterte die Worte sanft in Marys Ohr, dass einem unheimlich werden konnte. Dann rückte er ein Stück von ihr ab, seine mystische Miene wich einem stolzen Lächeln und er rief: „Ich mache Ihnen ein spezielles Angebot, geben Sie mir fünfhundert Euro und wir sind quitt.“

Er grinste wieder verschmitzt über beide Wangen.

„Sind sie wahnsinnig?“, sprudelte es aus mir heraus.

„Das ist kein Platin, das ist Silber, 925 Sterling Silber und sie wollen ein Vermögen dafür? Wo kommt das Teil überhaupt her?“

Meine Stimme wurde lauter, diese Unverschämtheit brachte mich aus der Fassung. Er zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Keine Ahnung, ich bin nur Verkäufer und vertrete den Besitzer, er ist leider momentan nicht erreichbar. Urlaub, Sie verstehen? Ich bessere nur meine Rente auf und wenn ich gutes Geld mache, dann bekomme ich den Job hier auf Dauer. Wissen Sie, der Besitzer ist etwas anspruchsvoll. Wenn der Umsatz während seiner Abwesenheit nicht stimmt, war es das für mich, ansonsten dann darf ich bleiben.“

Sein kecker Blick sprach Bände.

„Aber schauen Sie sich das gute Stück doch mal genauer an, es sieht sehr alt aus. Es ist sicherlich antik und wertvoll.“

Er nickte Mary wohlwollend zu.

„Schauen Sie noch einmal in den Spiegel, spüren Sie denn nicht die Magie, die sich im Omega gesammelt hat? Die alten Sagen der Zeitgeschichte sind vereint in diesem kleinen Anhänger.“

Daher wehte also der Wind, der gute Mann will die Einnahmen in die Höhe treiben.

„Hören Sie zu, das Teil ist keine 100 Euro wert und wenn wir es nicht kaufen, verdienen Sie keinen Cent. Also machen Sie uns einen vernünftigen Preis.“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, nein, Sie verstehen nicht, schauen Sie sich mal diese filigrane Arbeit an, das ist reine Handarbeit, ich habe keine Ahnung woher es stammt, aber eigentlich gehört es ja fast schon in ein Museum.“

Er beugte sich ein wenig vor, kniff die Augen zusammen und starte Mary aufs Dekolleté. Er begann auf seltsame Weise vor sich hin zu überlegen und nuschelte dann, wobei ich langsam begann, ihm jedes Wort zu glauben.

„Das ist mir bisher noch gar nicht aufgefallen. Es ist wirklich ein exquisitesTeil, aber gut, solange bin ich ja noch nicht hier im Laden, um jedes einzelne Stück zu kennen.“

Ich blickte auf Marys Hals, er hatte Recht, es wirkte bei genauerem Betrachten wirklich recht antik.

„Also was wollen sie dafür?“

Er beugte sich langsam zurück, sein Kopf blickte nach links, als müsse er überlegen, dann wieder nach rechts um Zeit zu gewinnen und plötzlich schoss es aus ihm heraus: „Geben sie mir 299 Euro und es gehört Ihnen.“

Seine kleinen, unter den schweren, faltigen und gebräunten Liedern verborgenen graugrünen Augen blitzten mich lausbubenhaft an.

Ich schenkte ihm ein übertrieben verzücktes Lächeln und erwiderte: „Wir geben Ihnen 150 Euro und damit haben Sie ein sehr gutes Geschäft gemacht.“

Mary stieß mir mit ihrem Ellbogen in die Seite und murmelte: „Kann ich mir nicht leisten, Sarah. Sieht gerade etwas schlecht aus.“

Ich zückte meine Bankkarte und legte sie auf die kleine Theke: „Nehmen Sie, oder lassen Sie es.“

Seine Miene wurde ein wenig düster, aber er griff schlussendlich zu.

Mary fiel mir um den Hals und erdrückte mich fast: „Danke Sarah, du bekommst das Geld so schnell wie möglich zurück.“

Ich winkte ab.

„Neee, lass mal stecken, das ist mein Dankeschön für all die Dinge, die du mit mir ertragen musstest.“

Strahlend betrachtete sie sich im Spiegel und blickte auf ihren schlanken Hals. „Es siehst toll aus, dieses Omega. Einfach toll.“

Für einen Moment fühlte sich das Leben wieder gut und rein an. Der Tag hatte ein neues Gesicht bekommen. Allein Marys strahlende Augen waren Anlaß genug, zu wissen, dass alle Dinge, die einem im Leben widerfahren, auf die eine oder andere Weise wirklich Sinn machten. Der Tod ist ein Zustand, der Spuren hinterlässt. Das Leben gibt jedem einzelnen etwas zurück, selbst in den kleinsten Momenten der Glückseligkeit.

Wir verließen das Geschäft und beschlossen,uns auf den Heimweg zu machen. Mary lief beschwingt und glücklich neben mir her und tänzelte vor Freude durch die Passage.

Sarah Boils Götterkrieger

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