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Kapitel 4:

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Chioma wurde nach Stunden von der Polizei gefunden und in das Krankenhaus in Abuja gebracht. Die Polizisten befragten sie. Wollten wissen, warum sie als Einzige das Massaker überlebt hätte. Chioma wusste es nicht. Traumatisiert stammelte sie immer wieder etwas von ihren Kindern und ihrem toten Mann vor sich hin. Ihre Verletzungen waren so stark, dass man ihr ein starkes Schmerzmittel und Beruhigungsmittel verabreicht hatte. Sie war unbrauchbar als Zeugin, konnte den Polizisten nicht mehr erzählen, als dass es Boko Haram Kämpfer waren, die anscheinend die Jugendlichen des Dorfes entführt und die Alten abgeschlachtete hatten.

Selbst die Polizei war machtlos. Die Kämpfer kamen immer nachts. Die Überfälle waren gut vorbereitet und organisiert. Die meisten Übergriffe dauerten weniger als eine Stunde. Und die abgelegenen Dörfer waren in dieser kurzen Zeit kaum von der Polizei zu erreichen, geschweige denn zu beschützen.

Chioma wurde untersucht. Ihr Körper war derart geschunden, dass sie operiert werden musste. Ihr Unterleib war verletzt, man konnte die inneren Blutungen nicht stillen. Die anderen Verletzungen würden abheilen, doch die Seele, war so traumatisiert, dass sie lange brauchen würde, um wieder einigermaßen in Takt zu kommen. Der Chef der Abteilung beschloss, James in Lagos anzurufen. Er sollte sich dieser Frau annehmen. Schließlich hatte er Erfahrung im Rekonstruieren von Körperteilen. Chiomas Unterleib war so verletzt, dass es einen erfahrenen Operateur brauchte, um ihn einigermaßen wiederherzustellen.

Chioma dachte an ihre Kinder. Sie betete, dass es ihnen gut gehen würde. Dass sie ihre Liebsten irgendwann wieder in ihre Arme schließen konnte. Sie weinte lautlos, als man sie in den Operationssaal brachte.

Doktor James Eckhard beeilte sich, als er aus dem Taxi ausstieg, welches ihn vom Flughafen zur Klinik brachte. Das Elend und die Gewaltbereitschaft der Menschen erschreckten ihn immer noch. Er hatte gehofft sein Job würde ruhiger werden, doch es schien, als würden ihn die Gräueltaten der Menschheit verfolgen und er dürfte immer den Dreck wegkehren. Im Aufzug telefonierte er mit der leitenden Oberschwester. Die Patientin sei bereits im Vorbereitungsraum. Er hatte also nicht mal Zeit für einen Kaffee. Er hatte zwar schon Operationen gehabt, bei denen er die Genitalien wiederherstellen musste, doch es hatte es sich fast ausnahmslos um eine freiwillige Geschlechtsumwandlung gehandelt.

Er schmiss seine Tasche in den Aufenthaltsraum und zog sich um. In grüner OP-Kleidung machte er sich auf den Weg zum Operationssaal. Er dachte an seine Familie, an Sarahs Operation, an die fragenden Augen seiner Frau. Er wünschte sich, dass alles wieder ruhig und normal ablief in seiner Familie. Als er den Job in Abuja annahm, sagte man ihm beim Vorstellungsgespräch, dass er hauptsächlich dafür eingestellt würde, die anderen Ärzte auszubilden. Er hatte nicht damit gerechnet, gleich zu Anfang wieder mit einem Gewaltverbrechen konfrontiert zu werden. Er wusch sich die Hände und schlüpfte in den Kittel und die Handschuhe, welche man ihm hinhielt.

Als er an den Operationstisch trat, sah er mit Schrecken, was man der armen Frau angetan hatte. Es würde nicht ganz einfach werden, das zerfetzte Fleisch wieder zusammenzunähen. Auch die halb abgebissene Brustwarze musste wieder angenäht werden. Was hatte man der armen Frau nur angetan. Sie musste Höllenqualen ausgehalten haben.

Eigentlich hätte er den jungen Ärzten jeden Handgriff erklären sollen, doch stattdessen wollte er wissen, was passiert war.

Eine junge farbige Operationsschwester erzählte resigniert von den Übergriffen der Boko Haram oder den Mitgliedern der Terror Milizen. Dass sie nachts abgelegene Dörfer überfielen, um die jungen Männer, oft noch Kinder zu entführen. Sie brauchten Soldaten Nachschub. Kinder, die zu Soldaten ausgebildet wurden. Und dann kam der Menschenhandel mit jungen Mädchen als Sex-Sklavinnen und dem Verkauf von Babys noch hinzu. Die Kämpfer lebten seit Jahren in provisorischen Unterkünften, standen ständig unter Druck und hatten Bedürfnisse, die gestillt werden wollten. So kam es, dass junge, meist katholische Mädchen entführt und als Sex-Sklavinnen gehalten wurden. Wenn sie schwanger oder krank wurden, setzte man sie irgendwo aus oder brachte sie in sogenannte Babyfarmen, wo sie die Babys zur Welt brachten und die Babys danach an gut zahlende Kunden verkauften.

James operierte schweigend. Und er dachte, dass es vielleicht doch keine gute Idee war, nach Nigeria zu gehen.


Skrupellos II - Baby Farm

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