Читать книгу Stroh zu Gold - Nicole Schweiger - Страница 6

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Ein paar Worte zu Beginn

„Ach“, antwortete das Mädchen, „ich soll das ganze Stroh bis morgen zu Gold spinnen, aber ich weiß nicht wie.“1

Es gibt eine schöne Metapher, deren Ursprung ich nicht kenne. Unser Leben wird mit einem gewebten Teppich verglichen. Die Rückseite scheint chaotisch und verworren. Ein Muster ist nur schwer zu erkennen. Hier und da hängen Fäden heraus. Dreht man den Teppich um, zeigt sich seine wahre Schönheit. Ein einzigartiges, individuelles Muster. So sind wir Menschen. Unser Leben lang knüpfen wir mit Gottes Hilfe an unserem Teppich. Und oft sehen wir nur die chaotische Rückseite, fragen uns nach dem Wie und Warum. Während wir versuchen, die Fäden zu entwirren, wird unser Lebensteppich weitergewebt. Manchmal mit hellen, fröhlichen Farben, manchmal mit dunkleren, melancholischen. Manchmal mit einem klaren, regelmäßigen Muster, manchmal auch ungleichmäßig. Und ab und zu findet man goldene Fäden. Hier und da blitzt ihr Glanz auf. Kleine goldene Fäden, von Gott in unser Leben gewoben. Erstaunlicherweise tauchen sie an unerwarteten Stellen auf. Zum Beispiel dort, wo eigentlich dunkle Farben vorherrschen. Lebensabschnitte, in denen wir schwere Zeiten durchmachen. Zeiten von Verlust und Trauer, Angst und Unsicherheit. Wenn wir diese Täler durchschreiten und das Erlebte in unsere Persönlichkeit integrieren, erwächst daraus etwas Wertvolles. Wir haben erlebt, dass Gottes Liebe trägt, und wir sind in der Lage, anderen Menschen in ähnlichen Situationen beizustehen.

Aber auch die scheinbar unauffälligen, oft langweilig wirkenden Flecken unseres Lebensteppichs sind von Goldfäden durchwirkt. Wo Tage und Monate sich wie Kaugummi ziehen, wo wir im Babyalltag zwischen Brei kochen und Haushalt stundenlang im Wartezimmer des Kinderarztes verbringen und nichts Aufregendes in unserem Leben passiert. Oder sich ein Arbeitstag an den anderen reiht und kein Ende in Sicht ist. Gerade hier schimmert es golden. In Zeiten geistlicher Durststrecken, in denen wir tagein, tagaus unseren unaufgeregten Alltag leben, während Gott uns begleitet und formt, nicht selten, ohne dass wir es bemerken.

Wie oft haben wir nichts anderes als Stroh zu bieten. Ausgedroschene trockene Halme, scheinbar zu nichts nutze. Und dann nimmt Gott unser Alltagsstroh und verwandelt es in Gold. Wie Rumpelstilzchen im gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm. Aber im Gegensatz zu diesem kleinen, koboldhaften Wicht fordert Gott keine Gegenleistung von uns.

Mit vierzig plus in der Lebensmitte angekommen, trete ich einen Schritt zurück und betrachte meinen Teppich einmal von beiden Seiten. Ich führe kein außergewöhnliches Leben. Die spannendsten Stellen meiner Biografie lassen sich in der Kindheit finden. Danach wird es ruhig. Keine Auslandsaufenthalte, abgesehen von den jährlichen Familienurlauben. Keine missionarischen Einsätze, keine Promotion. Mein Leben gleicht eher einem ruhigen Fluss. Aber auch ich entdecke Gold in meinem Teppich. #Wonder in the little things. Wenn ich in Ruhe reflektiere, sehe ich sie, die Wunder. „Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt“, lautet ein beliebter Postkartenspruch. Es kommt also darauf an, alles in die „richtige“ Perspektive zu rücken. Bei Gott gibt es keine Hierarchien, keine Wettbewerbe. Er widmet sich jedem einzelnen Lebensteppich mit derselben Hingabe. Der Hausfrau, dem Professor, der Theologin und dem Krankenpfleger. Alle Lebensgeschichten sind einzigartig und wertvoll. Egal, wer du bist, ob dein Leben gerade spannend verläuft oder unspektakulär: Ich möchte dich einladen, dir deinen Lebensteppich genauer anzusehen und die Goldfäden darin zu entdecken. Und wenn du möchtest, nehme ich dich mit auf meine Entdeckungsreise. Zu Heimatwechsel und kindlichen Prägungen, durch turbulente und ruhigere Familien- und Arbeitszeiten. Und weil der Teppich ja noch nicht fertig gewebt ist, zu ein paar Zukunftsvisionen. Im Vertrauen darauf, dass es Gott ist, der die Fäden in der Hand hält.

Stroh zu Gold

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