Читать книгу Weiss Schwarz - Nicole Seidel - Страница 5

Eins

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Der junge Angus befreite sich aus der innigen Umarmung seiner Geliebten Emina und erhob sich. Fürsorglich breitete er die Wolldecke über das nackte Mädchen, damit sie aus ihrem friedlichen Schlaf nicht erwachte. Selbst nackt trat er hinter den Felsen hervor, wo sie einige Stunden zuvor noch ein heißes Liebesspiel erlebt hatten. Angus umrundete den Felsen und blickte über den Strand zum nachtdunklen Horizont, während er sich erleichterte.

Die Bucht, an die er seine Liebste gelockt hatte, grenzte an die östlichen Plantagen und den Großen Wald. Auf das ewige Rauschen der Wellen, die gegen das Ufer schlugen, achtete der junge Mann aus Vierweg nicht mehr. Aber die fremden, neuen Geräusche ließen ihn in der Bewegung erstarren.

Knarrendes Holz, Ruder die ins Wasser schlugen und Rufe in einer fremden Sprache. Dann tauchte ein riesiges dunkles Ding vor ihm aus der Finsternis auf und schob sich mit wuchtigem Bug auf den Strand. Vor ihm ragte der mächtige Koloss eines schwarzen Schiffes in den Nachthimmel. Zwei weitere Schiffe säumten das erste und große schwarze Gestalten sprangen von der hohen Reling auf den nassen Sand.

Angus war noch immer in jeglicher Bewegung erstarrt, stand nackt und hielt seinen Schwanz noch in der Hand, als eine der Gestalten auf ihn zu trat. Der Fremde trug eine Rüstung und überragte den Jüngling um mehr als eine Kopflänge. Ein schallendes Lachen und spottende Worte in einer fremden Sprache befreiten Angus endlich aus seiner Schockstarre.

Er machte kehrt und wollte zu den Felsen rennen. Doch der unbekannte Krieger sprang ihm nach, griff ihm ins Haar und brachte ihn jäh zu Fall. Angus stürzte und der dunkle Mann stemmte ihn seinen Stiefel auf die Brust.

"Bitte tut mir nichts, lasst mich gehen", bettelte Angus und erkannte mit Entsetzen, wie zwei weitere schwarze Krieger zu den Felsen gingen, hinter denen sein Liebeslager war.

Wenige Augenblicke danach zerrte einer von ihnen die schreiende, nackte Emina hervor. Sie zappelte in den Armen des großen Kriegers, der ihr den Mund zuhielt, um sie am weiteren Schreien zu hindern. Angus jammerte und bettelte um ihre beiden Leben.

Weitere Schwarzgerüstete kamen von den Schiffen herunter, sprachen amüsiert miteinander und umzingelten sie. Der nackte Jüngling glaubte einen ihm unbekannten Elfendialekt herauszuhören. Auch ihre kunstvoll-filigranen Rüstungen und ihre hoch­geschossene, schlanke Gestalt zeichneten die Fremden als Elfen aus.

Einige hatten Fackeln entzündet und ein besonders großer Elf in einer besonders prächtigen Rüstung aus schwarzem Damaststahl und rotem Leder schritt durch eine Gasse. Er befahl, dass ihm die beiden Menschen gebracht wurden. Angus verstummte, als er in die eiskalten Augen des Elfengenerals blickte.

"Wie heißt du, Junge?" fragte ihn General Eldamyr Morncyll. Er zog sich den Helm mit dem hohen Federbusch vom Kopf und reichte ihm einen seiner Männer. Darunter kam ein knochiges, hartes Gesicht zum Vorschein, mit einer hässlichen Narbe über einer schief zusammengewachsenen, gebrochenen Nase. Sein tiefschwarzes Haar war kurz geschnitten und die spitzen Elfenohren stachen umso deutlicher hervor. Im flackernden Lichtschein bekam seine blass-gräuliche Haut einen unheimlichen Anstrich. Sein wohlklingender Bariton strafte seinem dämonischen Aussehen Lügen.

"Angus, Herr", stammelte der nackte Junge und zitterte im harten Griff des Elfenkriegers, der ihm die Arme schmerzhaft nach hinten bog. "Bitte lasst mich und meine Freundin gehen."

Eldamyr legte seinen Zeigefinger auf die schmalen Lippen. "Schscht! Angus das kann ich nicht tun. Niemand darf wissen, dass wir hier gelandet sind." Der General blickte zu dem Mädchen. "Wie heißt deine Freundin?"

"Em... Emina", stotterte Angus und die ersten Angsttränen kullerten ihm über die Wangen. "Wir verraten euch nicht. Bitte lasst uns am Leben."

Der mächtige Elf mit der Narbe im Gesicht schüttelte den kurzgeschorenen Kopf. Dann gab er einige Befehle an seine Untergebenen. Das Menschenpärchen wurde geknebelt und gefesselt und ein kleines Zeltlager wurde aufgebaut. Allmählich graute der Morgen.

Im Licht der aufgegangenen Sonne erkannte Angus, dass elf schwarze Schiffe in der Bucht vor Anker lagen. Sieben Dreimasterschiffe waren am Strand gelandet und hatten herrliche schwarze Pferde aus ihrem mächtigen Bauch entlassen. Einige Hundert Elfenkrieger in rot-schwarzer Rüstung sammelten sich am Strand. Es waren ausnahmslos schwarzhaarige Elfenmänner mit einer blass-gräulichen Hautfarbe und meist dunkelfarbigen Mandelaugen. Auf den Bannern und ihrem Harnisch war das Bildnis eines kreuzförmigen Dolches, um den sich eine dornige Rose windet, angebracht.

Um die Mittagszeit brachte man das Mädchen Emina in das Zelt des Elfengenerals. Er bat die Wachen am Zeltausgang zu warten. Das verängstigte nackte Mädchen stand zitternd inmitten des Raumes, das mit einem Tisch, einem Stuhl und einem Felllager möbliert war.

Eldamyr Morncyll schenkte Wasser in zwei Kelche, aber das Mädchen wollte nichts trinken. Unbeholfen versuchte sie mit ihren Händen ihre Blöße vor dem großen furchtein­flößenden Elfenmann zu bedecken. Er trank und trat an die junge Frau heran. "Du hast schönes dunkelblondes Haar, Emina", sagte Eldamyr. Er trug eine rote, ärmellose Seiden­tunika, schwarze Beinkleider und darüber bis zu den Knien reichende Stiefel. Der Elfengeneral war sehr muskulös und hatte noch weitere Narben von harten Kämpfen am gestählten Leib. "Wie nennt ihr diese Insel? Von welchem Volk bist du? Seit ihr viele?"

Emina schwieg, ihre Angst war zu groß. Eldamyr umfasste ihren Kopf und sie begann zu weinen. Seine Antworten holte er sich nun direkt aus dem Gedächtnis der jungen Frau. Der Elfengeneral las ihre Gedanken und erfuhr, dass sie auf Heleg' Tyll gelandet waren. Es gab eine Stadt und kleinere Dörfer in ihrem Umfeld im Süden der Insel, in denen etwa zweitausend Menschen vom alten Volk der Adan lebten.

Aus ihren und später auch aus Angus Gedächtnis erfuhr er alles, was er wissen wollte. Am Nachmittag missbrauchten die Elfen die beiden jungen Menschen auf bestialische Weise und töten sie anschließend.

Für die Schwarzelfenkrieger bedeutete es nur eine kleine freudige Abwechslung, bevor sie sich spätnachmittags voll bewaffnet auf ihre Pferde schwangen und in Richtung der Stadt Adanheim ritten. Dabei führte General Eldamyr Morncyll einhundertfünfzig berittene Krieger an.

Die nordöstlich gelegene Obstbaumplantage bot ihnen Schutz, während General Eldamyr auf seine beiden Kundschafter wartete. Als Ondiel, den er zum Dorf Vierweg geschickt hatte, zurück kam, zogen Wolken über die Sonne.

"Keine zweihundert Menschen", berichtete der Kundschafter Ondiel, der nur eine leichte Rüstung trug. "Weitgehend Bauern, einige arbeiten auf den Feldern. Bewaffnete habe ich keine gesehen."

Der General grinste, das würde ein leichtes Spiel werden. "Valmakyr nimm dir neun Männer; reite die Straße nach Norden zu diesem kleinen Dorf Waldern hin. Es einzunehmen dürfte kein Problem sein", wandte sich Eldamyr an einen seiner Krieger. "Sichere es gut, solltest du Männer übrig haben, schick sie in die Stadt. Hauptmann Calion, du treibst mit fünfzig Reitern die Bauern zusammen, keiner darf entwischen, dass er es nicht in die Stadt schafft und die Menschen dort warnen kann. Keiner, hast du verstanden!"

Hauptmann Calion, der zur Linken seines obersten Herrn ritt, salutierte. "Es wird mir keiner entkommen, Lordgeneral!"

Eldamyr Morncyll gab den beiden Truppen etwas Zeit, bevor er die restlichen Elfenkrieger auf die staubige, wenig genutzte Straße nach Westen brachte - die vom östlichen Leuchtturm durch die Plantagen und Weiden bis nach Vierweg führte. Ein besseres Exil wie dieses hätten sie fast nicht finden können: ein ertragreiches Gebiet, das von einfachen Menschen bewirtschaftet wird und das sich die Schwarzelfen nur noch nehmen und Untertan machen mussten.

Als er auf den Ort zuritt, erkannte er schon Calions Reiter im Umfeld patroulieren. Er zeigte nach vorne und galoppierte ins Dorf. Ein großer Teil der Bewohner war bereits aus ihren Häusern gekommen und wurden in der Dorfmitte von den rot-schwarzen Elfenkriegern auf ihren schwarzen Rössern zusammengetrieben. Der General ließ alle Dorfbewohner gefangen nehmen.

"Wer hat hier das Sagen? Wer spricht für diese Gemeinschaft?" wollte der narbige Elfengeneral wissen.

Da trat zaghaft ein etwas fettleibiger Mann im blauen Mantel aus der Herde gefangener Menschen. "Das bin ich, Mylord."

Eldamyr Morncyll zog sein schlankes Schwert aus der Scheide. Sein Hengst tänzelte schnaubend auf den zitternden Mann zu. Die Klinge sirrte durch die Luft und trennte dem dicklichen Mann den Kopf vom Rumpf. "Ab nun habe ich das Sagen hier!"

Kinder begannen zu weinen, die Frauen jammerten und die mutigsten Männer fluchten leise. Aber keiner der Adaner begehrte auf. Sie waren zusammengetriebene Schafe, die ins Antlitz von hungrigen Wölfen schauten.

"Sperrt alle in die zwei größten Gebäude ein", befahl der General und seine Reiter trieben die Menschen in zwei Vorratsschuppen.

Als die Menge geteilt wurde, versuchten vier Männer zu entkommen, doch nach wenigen Schritten steckten Pfeile in ihren Rücken und ihre Leichen blieben liegen, wo sie gefallen waren.

Eldamyr kommandierte weitere fünf Elfenkrieger ab, die die beiden mit Menschen voll­gepackten Schuppen zu bewachen hatten. Mit den restlichen einhundertzwanzig Männern ritt er die Straße nach Süden. Inzwischen neigte sich die Sonne dem Horizont entgegen.

Kurz vor Dämmerung kamen sie in Sildern an und konnten auch dort das Dorf ohne Probleme einnehmen. Die etwa achtzig Bewohner sperrten sie in ein Lagerhaus, das nur von zwei Elfenkriegern bewacht werden musste.

Nach Anbruch der Nacht hatte Eldamyr Morncyll ungesehen mit einhundertzehn Elfen­kriegern Stellung bezogen. Sie kreisten Adanheim ein, schlichen durch die Schatten an Hauswänden entlang und durch meist leere Seitengassen. Und warteten auf das Signal zum Angriff.

Die schwarze Silhouette des Dreimasters kam dem Hafen von Adanheim immer näher, je höher die Morgensonne stieg. Neugierig beobachteten die ersten Bewohner das schwarze Schiff und betrachteten fasziniert die prächtigen Segel, die sich im Wind blähten. Es waren tiefschwarze Segel, auf denen eine rote dornige Rose einen silbernen Dolch umschlang.

Immer mehr Menschen sammelten sich in den Straßen beim Hafen. Bewaffnete Milizen liefen zu den Kais und der alternde Stadtvogt Aydan diskutierte mit deren Commander Marc-Connor, ob man diesem einzelnen Schiff überhaupt erlauben sollte, an ihrem Steg festzumachen.

Hinter der Galionsfigur - einer mit Rosen umkleideten Jungfrau - tauchte eine rot-schwarze Gestalt auf und winkte mit einem weißen Tuch. Darunter konnte man den Namen des Schiffes in silbernen Buchstaben ablesen: Daedeloth hieß es. Der erfahrene Kapitän manövrierte das große Schiff elegant in den Hafenbereich, während die Segel eingeholt wurden und die Fahrtgeschwindigkeit sich deutlich verringerte.

Ein mehrstimmiges Staunen und Raunen ging durch die Reihen der wartenden Menschen, die neugierig das Anlegen des Segelschiffes beobachteten. Hafenarbeiter halfen den Fremden beim Vertäuen und schließlich wurde eine Brücke auf die geöffnete Reling geschoben.

Zwei Dutzend Soldaten klammerten sich an ihre Hellebarden und bildeten eine Gasse bis hin zum schwarzen Schiff. Ihr Commander Marc-Connor und ihr Stadtvogt Aydan führten eine kleine Gruppe an, um die fremden Besucher zu begrüßen.

Auf die Brücke trat eine schlanke Frau im schwarz-schillernden langen Kleid. Es war eine schwarzhaarige Elfenkönigin von atemberaubender Schönheit. Sie lächelte freundlich, als sie der staunenden Menschenmenge entgegen schritt. Hinter ihr gingen eine viel jüngere Kopie ihrer selbst und ein stattlicher junger Elfenhauptmann mit dem Namen Faindyr Esgal. Er stellte die hohen Damen den Menschen vor: "dies ist Königin Maereth Myrn' Duir und ihre Tochter Amandyl. Wir haben eine lange Reise hinter uns und ersuchen Asyl."

Stadtvogt Aydan war ergriffen von ihrer elfischen schlichten Pracht und hieß die schwarze Königin willkommen. "Hohe Herrin, bitte seit Gast in meinem bescheidenen Heim. Erholt euch von eurer beschwerlichen Reise über den östlichen Ozean und erzählt mir von eurem Schicksal, das euch hierher nach Adanheim führt." Er bot der großen Elfin seinen Arm zum Geleit an.

Der Hauptmann Faindyr Esgal nickte dem Commander zu und lächelte bescheiden, während er seiner Prinzessin Geleit anbot. Marc-Connor erlag dieser freundlichen Geste und sein zaghaft aufgekommenes Misstrauen gegenüber diesen dunklen Elfen verschwand wieder.

Und so verließen mit ihrer Königin, die Prinzessin noch dreißig rot-schwarze Elfenkrieger das Schiff und wanderten gesäumt von fast fünfhundert Adaner, durch die Straßen der Stadt bis zum Rathaus.

Nach einem kleinen Imbiss hatte man den königlichen Damen einige Räume zum Ruhen überlassen. Am Abend sollte ein Bankett stattfinden.

"Mama, wir sind auf Heleg' Tyll gelandet. Hier gibt es Eiselfen. Sollten wir nicht weiter ziehen?" Das Elfenmädchen sprach besorgt.

Maereth Myrn' Duir stand bei ihrer Tochter und kämmte ihr das schwarze lange Haar. "Es gibt bestimmt nicht mehr viele von ihnen, dort oben in ihrem eisigen Land. Und sie scheinen es nur sehr selten zu verlassen. Sie sind uns nicht mal so unähnlich. In Ennor wurden sie vor vielen Jahrzehnten wegen ihrer Grausamkeit ausgerottet." Sie platzierte einen Silberreif auf der Stirn Amandyls, der ihr das seidene Haar bändigte. "Wir müssen deinen Gesichtspuder erneuern."

"Bitte, Mama, töte nicht zu viele von den jungen Soldaten. Diese Adaner sind ein recht ansehnliches Volk mit ihren blonden und braunen Haaren."

"Mindestens drei wichtige Männer müssen heute Nacht sterben! Der Stadtvogt, der Commander und der reichste Kaufmann in dieser Stadt. Jeder Soldat der bereit ist seine Waffe nicht gegen uns zu erheben, wird verschont." Die Elfenkönigin legte ihr Obergewand ab und setzte sich an die Kommode, um sich nun selbst das seidenschwarze Haar du kämmen. "Bitte lass mich jetzt allein und schick Faindyr Esgal herein."

Amandyl ergriff ihren ledernen Überwurf und ging aus dem Raum. Vor der Tür traf sie auf den Hauptmann, einem sehr jungen und hübschen Elf. "Deine Königin wünscht dich zu sehen."

Er salutierte kurz, ging in den Raum und die Elfenprinzessin konnte beim Schließen der Tür sehen, wie Faindyr hinter Maereth trat und ihren unbedeckten Nacken küsste. Seit Vaters schmerzvollem Verschwinden vor fünf Jahren, hatte sich ihre Mutter sehr junge, unbeholfene Liebhaber zugelegt.

Marc-Connor schritt die Hafenstraße hinab auf das Elfenschiff zu. Der Nachmittag zog dahin und einige flockige Wolken bedeckten die Sonne. Der Commander der Stadtmiliz - einem dürftig bewaffneten Trupp von einhundert mangelhaft ausgebildeten Soldaten - war ein braun­haariger Mann Ende dreißig, der in seinem Leben an keinem echten Kampf, geschweige denn an einem Krieg teilgenommen hatte. Er war, wie schon sein Vater vor ihm, hier auf Heleg' Tyll geboren. Und in all diesen Jahren landete nie ein fremdes Schiff an der Küste dieser Insel. Und nur in jungen Jahren hatte er dreimal den Opferzug nach Eismark begleitet und konnte einen flüchtigen Blick auf die Eiselfen werfen. Was er von diesen schwarzen Elfen in ihren edlen Rüstungen halten sollte, das wusste der Commander jedoch nicht.

Zwei rot-schwarze Elfenkrieger warteten an der Brücke zum Schiff. "Darf ich mit eurem Kapitän sprechen?" fragte Marc-Connor die Wachposten.

Eine dritte Person tauchte hinter ihnen auf, ein sehniger Mann im feinen schweren Mantel aus rot-silbernem Brokat. Das schwarze Haar war zu einem langen Zopf geflochten und lag einmal um seinen Hals geschlungen. "Kommt an Bord, Commander. Ich bin Kapitän Valennor Ogol." Der Elf ohne Rüstung winkte den Adaner mit dicken Ringen besetzter Hand zu sich. Der Kapitän stach ein wenig hervor, wegen seiner mageren Statur, zudem trug er ungewöhnlich viel Silberschmuck. An jedem Finger mindestens ein Ring, ein Reif am linken Ohrläppchen und einen langen Gürtel aus vier Reihen silbernen Platten, der zweimal die Taille umschlang und sein Ende trotzdem noch bis zu den Knien baumelte.

Der Commander betrat das Schiffsdeck, auf dem eine Handvoll zurück gelassener Krieger an schattigen Plätzen nichts taten - und ihn dabei nicht aus den Augen ließen. Das Holz war geschwärzt worden und das Schiff war schmaler gebaut, als es bei den Menschen üblich gewesen wäre. Auch das Heck mit den Kajüten war um ein Stockwerk flacher. Es war für schnelle Fahrt gemacht worden.

Die Zugänge nach unten oder hinten verwehrte man Marc-Connor jedoch. Der Kapitän beschwatzte ihn, in dem er von der Stadt schwärmte, wie sauber und wohlhabend es die Menschen hier hatten. Er hörte nicht wirklich hin und trat schließlich dem schwarzhaarigen Elfenmädchen - sie mochte so fünfzehn Menschenjahre jung scheinen - entgegen, die soeben über die Brücke den Dreimaster betrat. Für eine Prinzessin eher ungewöhnlich trug sie schwarze Hosen, hohe Stiefel und einen wamstartigen Überwurf aus glattem, rotem Leder. Ob er von ihr schon vorzeitig erfahren würde, warum sie ins Exil geflohen waren? Sonderbar fand er auch, dass keine weibliche Dienerschaft mit ihnen gekommen war. Zwei königliche Damen und etwa fünfzig bewaffnete Krieger auf einsamem Schiff. Ungewöhnlich.

Amandyl betrachtete den Commander ein wenig traurig, wusste sie, dass der Mann den morgigen Tag nicht mehr erleben würde. "Habt ihr schon einmal einen Mann mit eurem Schwert töten müssen?"

"Nein, Prinzessin. Ich kenne den Krieg nicht", antwortete ihr Marc-Connor wahrheits­getreu. Er war von ihrer unschuldigen Schönheit befangen. "Die schlimmsten Verbrechen hier sind Diebstahl und Betrug beim Glückspiel."

Die junge Elfin lachte. "Könnt ihr tanzen?" - Der Commander nickte - "Wir sehen uns heute Abend beim Bankett. Vielleicht haltet ihr euch für einen Tanz mit mir frei?" Damit gab sie ihm deutlich zu verstehen, dass er das Elfenschiff zu verlassen hatte.

Amandyl schritt zu Valennor Ogol. "Gibst du dich als Kapitän aus?" flüsterte sie ihm entgegen.

"Ich diene den Hoheiten in vielerlei Stellungen", antwortete der hagere Elf mit mehr­deutigen Worten.

"Ich verabscheue euch, Valennor!" Amandyl Myrn' Duir drängte sich an dem ungewöhn­lichen Elf vorbei. "Ich bin gekommen, um die Festkleidung zu holen."

"Es liegt alles bereits bereit", säuselte Valennor und führte die Elfenprinzessin unter Deck.

Der Vogt Aydan hatte mit Hilfe Quentin, des reichsten Händler der Stadt in so kurzer Zeit doch noch ein ansehnliches Bankett zustande gebracht. Im Richt- und Ratssaal wurden vier Reihen Tische aufgestellt, Bänke und Stühle zusammengetragen und mit weißen Linnen bedeckt. Es gab Schüsseln voller gedünstetem Gemüse, bunte Salate, saftige Pasteten, gegrillte Hühner, geschmortes Rind und zum Nachttisch in Honig glasierte Früchte. Zu Trinken wurde ein vollmundiger Rotwein, dunkles Starkbier und kühles Quellwasser aufgetischt. Um die Tische verteilt saßen zwanzig Elfen und dazwischen etwa sechzig angesehene Bürger Adanheims.

Alle Elfen trugen ihre prächtigsten Gewänder, hervorstachen jedoch unweigerlich die beiden Elfendamen: die Königin trug ein enganliegendes Kleid aus schwarz-glänzendem Stoff, mit weiten Ärmeln, hohen Kragen und tiefem Ausschnitt - es enthüllte mehr, als es verhüllte. Amandyls Kleid war aus dem gleichen schwarzen Stoff, jedoch hochgeschlossen mit hohen Seitenschlitzen, darunter trug sie eine enge Hose.

Am Rand der Tafeln unterhielten drei Musiker mit ihren Instrumenten - eine Harfe, eine Flöte und eine Trommel - die illustren Gäste. Und der einzige Mann, der ein scharfes Schwert an seinem Gürtel trug, war Commander Marc-Connor. Hauptmann Faindyr Esgal saß neben ihm und sie schienen sich ausgezeichnet über die Kampfkunst zu unterhalten. Amandyl behielt alles zaghaft im Blick, jede Faser ihres Körpers gespannt. So ein Putsch war für sie neu. Das melodische Lachen ihrer Mutter, die mit dem Stadtvogt Aydan scherzte und neben ihr saß, beruhigte sie keinesfalls. Obgleich sie wusste, welche Kraft und Macht diese Elfenkönigin hatte.

Als die Gäste beim Dessert angekommen waren, brachte der Vogt immer mehr das Thema darauf zurück, was die Elfen an ihre Küste gebracht hatte. Maereth Myrn' Duir hatte bisher mit keinem Wort verraten, dass eine blutrünstige, gutbewaffnete Menschenarmee über­raschenderweise in ihrer Heimat über sie hergefallen war. Nur etwas über dreihundert Schwarzelfen waren dem Angriff entkommen, weil es die Königin gerade so zu ihrer kleinen Flotte von zwölf Schiffen geschafft hatte. Tausend Elfen jedoch, die ihre Heimatstadt verteidigt hatten, waren gefallen oder gefangen gesetzt worden. Nur ihr Schiff Daedeloth war aus dem Hafen ihrer gleich­namigen Stadt entkommen und zu elf schlanken Dreimastern gestoßen, die an der Küste patrouliert hatten und auf Beutezug aus gewesen waren. Einige weitere Elfen und etwas von ihrem Reichtum hatte sie aus dem südlich gelegeneren Sommerpalast retten können, bevor auch hier die Eroberer einfielen und die Schwarzelfen brutal vertrieben wurden.

Amandyl schob den halb aufgegessenen Teller mit dem in Honig glasierten Apfelstücke von sich. Sie hatte einen telepathischen Ruf ihrer Mutter erhalten, sie solle sich bereit machen. Und dann geschahen vier Dinge gleichzeitig.

Königin Maereth riss dem Stadtvogt Aydan mit dolchartigen Fingernägeln die Kehle auf. Valennor Ogol, der mit dem Kaufmann Quentin daneben saß, tötete diesem auf etwas ähnliche Weise, nur nutzte er seine langen Eckzähne, um den Adaner die Kehle aufzureißen. Hauptmann Faindyr packte den Kopf des Commander Marc-Connor und drehte ihn kraftvoll nach hinten, sein Genick brach. Mit der nächsten eleganten Bewegung hatte er dessen Schwert gezogen und damit einen anderen angesehenen Adaner an seinen Stuhl genagelt. Und zu guter Letzt sprang die Doppeltür des Ratssaals auf und General Eldamyr Morncyll betrat mit blutigem Schwert die Halle, hinter ihm lagen zwei Milizen blutend am Boden.

Die Elfenprinzessin blieb unbewegt auf ihrem Stuhl sitzen und wurde vom Blutduft um sie herum überwältigt.

"Die Stadt ist unser und der Rest dürfte kein Problem mehr machen, meine Königin!" Eldamyr salutierte vor Maereth, die sich das Blut des Vogts von den Fingern leckte.

Obgleich die Elfen drei zu eins in der Unterzahl gegenüber den Menschen waren, widersetzten sich diese ihnen nicht. Diesen blutrünstigen, bewaffneten, gerüsteten Kriegern hatten die einfachen Menschen - Bürger, Händler und Verwalter - nichts entgegen zu setzen. Und das Bankett endete mit einem Blutmahl, dem weitere ein Dutzend Adaner zum Opfer fielen.

Amandyl Myrn' Duir lag im Zimmer eines der beiden Töchter des Stadtvogts. Frau, Töchter und Dienerschaft hatte man in einem Raum gesperrt, während sich die Königin und ihre Tochter in den eleganten Privaträumen des toten Vogts zur Ruhe begaben. Ganz deutlich hatte das Mädchen den Blutgeruch noch in der Nase und er erregte sie. Ihre Hand fuhr zu ihrem Schoß und kurz darauf entlockte ihre flinken Finger ihr ein Stöhnen. Im Geiste sah sie Faindyr, wie er Marc-Connor den Hals umdrehte, sein Schwert zog und es dem Mann daneben in die Brust rammte. Alles in einer fließenden Bewegung heraus, wie ein Tanz. Sie selbst hatte kein Blut getrunken, hatte nur zugesehen, das Chaos genossen. Amandyl stöhnte und spielte mit ihrer Scham.

Da wurde die Tür geöffnet und ihre Mutter trat an ihr Bett. Die Königin hatte sich einen weiten leichten Mantel umgeworfen.

"Mutter, was fällt dir ein!" Amandyl war darüber beschämt, in dieser selbstbefriedigenden Situation überrascht zu werden.

"Kind, du bist zwanzig Jahre, es wird allmählich Zeit, dass du deiner Jung­fräulichkeit entsagst." Maereth zog ihrer erstarrten Tochter die Decke herunter und streichelte ihren flachen Bauch. Amandyls Hand ruhte noch unbewegt über ihrer Scham. "Hierfür solltest du dir einen Mann ins Bett holen und anschließend trinkst du sein Blut. Du bist eine vollkommen erblühte Blume. Oder sehnst du dich nach Faindyr Esgal?"

Maereth winkte und Amandyl erkannte, dass der hübsche junge Elfenhauptmann die ganze Zeit bei der offenen Tür gestanden und alles mitbekommen hatte. Der Elf trat zum Bett, er trug nur eine enge Hose und hatte einen vollkommenen, kraftvollen Körper. Das Elfen­mädchen zog sich die Decke über die Blöße und roch den Duft ihrer Mutter an Faindyr. Angeekelt erwiderte sie: "Das ist allein meine Angelegenheit, Mutter! Bitte verlasst beide mein Zimmer!" Ihre Worte klangen wütend, doch in ihrem Innern zitterte sie aufgewühlt.

"Du kommst noch auf den Geschmack", entgegnete Maereth unbeeindruckt. "Und dann willst du viel nachholen. Komm, Faindyr, meine Tochter weiß deine jugendliche Liebeskunst nicht zu schätzen und ich wünsche noch ein wenig davon zu kosten.

Weiss Schwarz

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