Читать книгу Missing you, Baby! - Nicole Stranzl - Страница 13
ОглавлениеKapitel 6
Laura dachte nicht nach, sondern nahm die Verfolgung auf. Das Geschrei wurde immer lauter und erinnerte Laura an die Rufe, die eine Krähe ausstößt. Es war nicht der einzige Laut – auch Tom rief nach ihr. Laura ignorierte ihren Mann jedoch und beschleunigte ihre Schritte stattdessen. Endlich sah sie die Schwester wieder, die das Gitterbett vor sich herschob und damit den Aufzug ansteuerte. Darin lag das weinende Kind.
»Warten Sie!«, schrie Laura, doch die Krankenschwester drehte sich nicht um. Entweder hörte sie sie nicht oder sie ignorierte Laura einfach. »Bitte …« Laura begann zu laufen. Der Lift öffnete sich. Die Schwester trat ein. Laura rannte regelrecht um ihr Leben. Plötzlich überfiel sie ein Schwindelanfall. In letzter Sekunde lehnte sie sich an die Mauer, um nicht umzukippen.
»Bitte, warten Sie doch!« Verzweifelt sah sie, wie die Tür sich schloss – nur ein paar Meter vor ihrer Nase. Das Geschrei verstummte. Jemand rempelte sie an. Ein alter Mann warf ihr einen verstörten Blick zu. Der Mafioso-Typ von vorhin beobachtete sie schon wieder. Als sich ihre Augen trafen, wandte er sich ab und bog um die Ecke in den Gang, aus dem Laura eben gekommen war. Sie verschwendete keinen weiteren Gedanken an ihn, dachte nur an Mia.
Laura überwand die letzten Meter und hielt vor der grauen Aufzugtür, stützte sich daran ab und begann laut los zu schluchzen. Vielleicht war ihre Reaktion überzogen, aber all die Unsicherheiten und die traumatischen Erlebnisse zehrten an ihr. Irgendwas ging hier vor sich. Warum wollte sie jeder ständig von ihrem Kind fernhalten? Sie war überzeugt, dass das Baby in dem Gitterbettchen ihre Tochter war. Es war, als hätte man ihr Mia ein zweites Mal geraubt. Mit ihren Händen hämmerte sie gegen die geschlossene Tür.
»Du musst dich beruhigen. Sonst spritzen sie dich wieder nieder!«
»Katherine!«, stieß Laura erleichtert aus. Vielleicht war ihre Erleichterung bescheuert, aber Katherine schien die Einzige zu sein, die versprach, Klarheit in das Chaos zu bringen.
Bei dem Ausspruch runzelte Katherine die Stirn. Laura ignorierte die Geste jedoch und sprudelte darauf los: »Du musst mir unbedingt sagen, was du gemeint hast. Wohin bringen die mein Kind? Und wer bringt sie weg? Dr. Roth? Niemand will mich zu ihr lassen. Sie sagen mir aber auch nicht, dass sie tot ist. Und das macht keinen Sinn. Denn wenn sie tot wäre, müsste es ein Begräbnis geben. Und warum geht es mir körperlich schon wieder so gut?«
»Nicht hier!« Laura folgte Katherines Blick, der auf dem Mafioso-Typen ruhte.
»Verstehe!«, antwortete Laura, wobei sie sich nicht sicher war, ob dies der Wahrheit entsprach.
Wann war der Kerl wieder aufgetaucht? Oder war er nie weggewesen? Warum beobachtete er sie ständig? Was hatte er mit der ganzen Sache zu tun?
Katherine rückte dicht an sie heran und wisperte in Lauras Ohr: »Ich weiß, wie es dir geht. Mit mir haben sie dasselbe gemacht. Mit mir und … mit meinem Baby.«
Geschockt riss Laura ihre Augen auf. »Was …?«
»Ich muss jetzt gehen! Sie sind gleich hier.« Schwungvoll drehte sie sich um. »Ich melde mich wieder bei dir!«, versprach Katherine, als sie schon ein paar Schritte von Laura entfernt stand. Vorsichtig spähte sie in den Gang, aus dem Laura soeben gekommen war und lief gleich darauf die Treppe nach unten. Beinahe fluchtartig.
»Laura!« Keuchend hielt Tom neben ihr an. »Verdammte Scheiße, was ist nur los mit dir?!« Er hatte seine Stimme erhoben und Laura konnte erkennen, dass er sich nur mühsam davon abhalten konnte, sie zu packen und durchzuschütteln.
Der alte Mann, der sie vorhin schon angeglotzt hatte, starrte sie weiter unverhohlen an. Laura erkannte ihn. Sein brauner Hut lag auf seinem Schoß. Er knetete ihn. Es war derselbe Mann, der sich mit dem Mafioso unterhalten hatte. Der Mafioso, der nun mit dem Alten sprach und ihn am Arm stützte. Sie wollten offensichtlich auch weg.
»Laura, ich rede mit dir!«
»Herr Weiß!« Dr. Roth stieß ebenso zu ihnen. »Es bringt nichts, wenn Sie schreien.«
»Ich weiß, aber …« Tom drehte sich weg und warf seine Hände in einer theatralischen Geste in die Luft. Tom liebte das Drama. Eigentlich hatte er Schauspieler werden wollen. Leider war er nicht in der Akademie aufgenommen worden und so hatte er sein eigenes Radio gegründet. Im Nachhinein hatte er immer behauptet, dass er eigentlich sowieso keine Lust darauf gehabt hatte, sich als Schauspieler durchzukämpfen. »Die meisten kellnern doch eh nur«, sagte er dann immer. »Ich hab‘ das mehr als Spaß gesehen und mir gar nicht so richtig Mühe gegeben!« Laura nickte dann immer nur, weil sie wusste, es war Toms Weg, mit seiner Niederlage umzugehen. Ihr Mann war einfach verdammt stolz.
Von seinem Stolz war im Augenblick nicht viel übrig. Er presste beide Handballen an seine Schläfen und stieß verzweifelt aus: »Es ist einfach … Ich halte das nicht mehr aus!«
»Was hältst DU denn nicht aus, hm?!«, fuhr Laura ihn an. Sie konnte ihre Wut einfach nicht mehr zurückhalten. Warum rastete sie in letzter Zeit so schnell aus? »DU lügst MICH doch ständig an!« Am liebsten hätte sie sich auf ihn gestürzt und auf ihn eingeschlagen. Was war nur los mit ihr? So aggressiv war sie normalerweise nicht!
»Ich lüge dich nicht an!« Seine Stimme überschlug sich. Er lachte. »Du willst die Wahrheit einfach nicht hören!«
»Was für eine Wahrheit?«
»Mia ist tot!«