Читать книгу Missing you, Baby! - Nicole Stranzl - Страница 8
ОглавлениеKapitel 1
Der Raum drehte sich, als Laura das nächste Mal die Augen öffnete. Die Umgebung war unscharf. Wo war sie? Ein Geruch, der ihr gleichermaßen vertraut wie fremd war, stieg in ihre Nase. Desinfektionsmittel. Sie blinzelte. Ihr Hals war furchtbar trocken, doch als sie etwas sagen wollte, würgte sie.
»Beruhig‘ dich, mein Schatz! Alles wird gut!«
Laura drehte den Kopf nach links zu Tom. Ihr Mann saß auf einem Stuhl. Sein Gesicht war kreidebleich.
Wo bin ich? Was ist passiert?
Der Schlauch in ihrem Hals hinderte sie daran, ihre Fragen laut auszusprechen.
Ihre Hand glitt zu ihrem Bauch und wieder setzte die Panik ein. Wo war ihr Baby?
»Laura!« Tom klang unendlich müde. »Wir hatten einen Unfall! Weißt du noch?«
Der Unfall … ach ja, richtig! Die Lichter in der Dunkelheit. Wie zwei Augen. Zwei glühende Monsteraugen, die sie ins Verderben gerissen hatten. Jetzt dieser Geruch und das Piepsen und die Umgebung … Sie musste wohl im Krankenhaus sein. Im selben Moment bestätigte Tom ihre Vermutung: »Du hast schlimme Verletzungen. Sie mussten Mia rausholen.«
Mia … ihre Tochter!
Eigentlich waren Tom und sie sich über den Namen noch nicht einig gewesen. Aber sie hatten ja auch noch mehr als drei Monate Zeit. Gehabt.
Wo ist sie?!, wollte Laura fragen, doch wieder brachte sie nichts als ein Wimmern hervor. Tränen liefen über ihre Wangen.
»Ich hol‘ mal schnell eine Schwester. Oder … besser einen Arzt!« Hilflos kratzte Tom sich den Unterarm. Auf seiner Stirn klebte ein riesiges Pflaster, doch all das nahm Laura nur nebenbei wahr. Mit jeder Minute wurde sie unruhiger. Sie musste wissen, was mit ihrem Baby passiert war.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, wie die nervige, piepende Gerätschaft neben ihr anzeigte. Laura wollte sich aufrichten. Von ihrer Vene weg führte ein Schlauch zu einem Infusionsständer. Die Flüssigkeit in dem Beutel war beinahe leer.
»Was machen Sie denn da?!« Eine Ärztin mit dunklem Haar, das sie zum Pferdeschwanz gebunden hatte, betrat den Raum. Sie war bestimmt schon an die Fünfzig – oder aber der permanente Stress hatte unzählige Falten auf ihr Gesicht gemalt. Dunkle Augenringe zeugten von Schlafmangel und Erschöpfung.
»Frau Weiß, Sie müssen sich beruhigen.« Die Ärztin hatte eine junge, blonde Schwester mitgebracht, zwischen deren geröteter Wangen eine kleine Stupsnase lag. Das Mädchen – in Lauras Augen war sie nicht mehr als ein Mädchen – strahlte Ruhe und Sympathie aus und erinnerte Laura an eine Elfe, mit ihrem freundlichen Lächeln, ihren feinen Gesichtszügen und ihrem zarten Körperbau. Laura entspannte ein wenig, als die Schwester eine Hand auf ihren Unterarm legte.
»Ich werde Sie jetzt extubieren, in Ordnung?!« Die Worte der Ärztin veranlassten sie, ihren Blick von der Schwester zu nehmen.
Zustimmend nickte Laura. Mehr Tränen bahnten sich den Weg über ihr Gesicht. Der Versuch, sie zurückzuhalten, scheiterte. Eigentlich war sie nicht so eine Heulsuse, aber die aktuelle Situation war unerträglich. Das Schlimmste war, nicht sprechen zu können. Sich derartig schwach zu fühlen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so erschöpft gefühlt. So ängstlich. Nein, das stimmte nicht. In jener Nacht, in der sie Angelina geboren hatte, fühlte sie sich ähnlich. Mit dem einzigen Unterschied, dass sie damals wusste, was Sache war. Sie wusste, ihr Baby war tot. Sie wusste, sie müsste es gleich zur Welt bringen. Sie wusste, Angelina würde nicht schreien.
Die elfenartige Schwester wich aus und machte der Ärztin Platz am Krankenbett. Laura schloss die Augen und hoffte, gleich tapfer zu sein. Bestimmt würde das Entfernen des Schlauches aus ihrem Hals nicht angenehm werden. Sie versuchte, die Gegenwart auszublenden und sich auf etwas anderes zu konzentrieren, doch sobald sie das tat, sah sie wieder nur die Wagenlichter vor sich. Die trommelnden Regentropfen. Die Böschung. Das Wasser.
»Beruhigen Sie sich! Wir haben es gleich geschafft!« Aufmunternd lächelte die Krankenschwester ihr zu. Tom griff nach Lauras Hand. Sie drückte etwas zu fest zu, doch ihr Mann lächelte sie an.
In einer ähnlichen Position hatten sie sich vor etwa sieben Jahren befunden, als Tom sich beim Fliesenlegen geschnitten hatte. In seinem Ehrgeiz hatte er darauf bestanden, beim Hausbau handwerklich so viel wie möglich selbst zu übernehmen. Eigentlich war er sehr geschickt, aber sein bester Freund hatte ihn abgelenkt und dann war das Malheur passiert. Laura erinnerte sich an Blut, das in nicht gerade kleinen Mengen auf die blau-weißen Fliesen tropfte. Es hatte sie einiges an Überredungskunst gekostet, Tom ins Krankenhaus zu bringen. »Das wird schon wieder«, hatte er gesagt. »So schlimm ist das nicht.« Die drei Nähte, die er erhielt, bewiesen das Gegenteil. Während der Arzt sich um die Wunde kümmerte, hatte Laura die unverletzte Hand gehalten. Tom hatte versucht, cool zu wirken und nicht zu jammern. Für einen Mann wies er eine sehr hohe Schmerzgrenze auf.
»So, fertig!«, holte die Ärztin sie aus ihren Erinnerungen zurück in die Gegenwart. Endlich war dieser lästige Schlauch weg. Röchelnd atmete Laura ein.
»Willst du was trinken?«, fragte Tom besorgt.
Sie hob und senkte ihren Kopf in einer zustimmenden Geste. Jetzt, da Tom es aussprach, fühlte sie sich tatsächlich, als würde sie vertrocknen und vielleicht half das Wasser auch gegen den brennenden Schmerz in ihrem Hals, der sich bis in ihren Magen zu ziehen schien. Sie wollte nach dem Glas greifen, doch ihre Hände zitterten so stark, dass Tom ihr helfen musste. Er setzte das Gefäß an ihre Lippen. Laura war viel zu schwach, um sich gedemütigt zu fühlen. Nach zwei kleinen Schlucken lehnte sie sich erschöpft zurück. Sie war so müde, dass sie am liebsten weitergeschlafen hätte, aber eine Frage brannte unter ihren Nägeln und mühsam brachte sie hervor: »Was ist mit meinem Baby?« Ihre Stimme klang fremd. Wie ein Reibeisen.
»Mia liegt auf der Neo-Intensivstation!«, antwortete die Ärztin. »Wir mussten sie leider per Notkaiserschnitt auf die Welt holen. Sie haben sich bei dem Unfall Verletzungen im Bauchraum zugezogen und durch den Stress sind die Herztöne des Babys drastisch gesunken. Es ist ein Glück, dass sie überhaupt noch am Leben war. Sie haben eine taffe Kleine.«
»Oh mein Gott!« Laura richtete sich auf. Am liebsten wäre sie gleich los zu ihrem Mädchen. Tausend Gedanken formten sich in ihrem Kopf. Wie konnte das alles nur passieren? Mia war doch noch viel zu klein. Sie hatten noch so viel Zeit bis zur Geburt gehabt. Wie konnte sie jetzt schon nicht mehr in ihrem Bauch sein? »Wie … geht es ihr?« Sprechen fiel noch immer schwer.
»Ihr Zustand ist nach wie vor kritisch!«, klärte die Ärztin sie auf. »Sie wiegt nur sechshundertfünfzig Gramm. Laut dem Mutter-Kind-Pass waren Sie in Schwangerschaftswoche fünfundzwanzig plus sechs. Da der Unfall so abrupt kam, konnten wir Ihnen nicht mehr rechtzeitig die Lungenreife geben. Dafür hätten wir Ihnen zwei Spritzen beziehungsweise Infusionen im Abstand von vierundzwanzig Stunden verabreichen müssen. Bis die Wirkung vollständig einsetzt, dauert es achtundvierzig Stunden. Die Zeit hatten wir leider nicht.« Die harten Züge auf dem Gesicht der Ärztin wurden weich. »Nähere Infos wird Ihnen der Kinderarzt geben.« Sie nickte Laura zu. »Sie müssen jetzt erst mal zusehen, dass Sie selbst wieder auf die Beine kommen.«
»Aber … mein Baby! Wann kann ich sie sehen?!« Diese Frau konnte doch nicht einfach so emotionslos irgendwelche Fakten runterleiern und von Laura erwarten, dass sie sich damit zufriedengab. Sechshundertfünfzig Gramm! Unvorstellbar. Bei der Geburt wogen Babys normalerweise zwischen drei und vier Kilos. Laura dachte an die Strampelhosen, die im Wickeltisch warteten. Größe Fünfzig. Viel zu groß für so ein kleines Baby.
Tom hatte den ersten Strampler gekauft, als Laura gerade mal in der vierzehnten Woche war. Viel zu lange schon wünschte er sich, Vater zu werden. Fast zwei Jahre hatte es gedauert, bis Laura nach der Fehlgeburt endlich wieder schwanger wurde. Der Druck hatte ihrer Beziehung nicht gerade gutgetan. Tom hatte sich in der Arbeit vergraben. Streit stand monatelang an der Tagesordnung. Einer der Gründe war Toms Inakzeptanz gegenüber Lauras Ablehnung einer künstlichen Befruchtung. So weit waren sie einfach noch nicht gewesen. Männer konnten immer groß reden. Immerhin war es nicht ihr Körper, der beeinflusst wurde. Tom konnte sich die Nebenwirkungen der Hormone doch gar nicht vorstellen, welche Laura zu sich nahm, um schwanger zu werden. Grauenhafte Stimmungsschwankungen, Hautausschläge, Durchfall und Magenschmerzen. Manchmal hatte sie mit dem Gedanken gespielt, kinderlos zu bleiben. Alles hinzuwerfen und zu gehen. Vielleicht sollte es einfach nicht sein.
Der hohe Schuldenberg, den Toms Unternehmensgründung hinterlassen hatte, war außerdem keine optimale Voraussetzung für eine Familie. Als sie dann auch noch herausfand, was Tom getan hatte …
Sie wollte ihn eigentlich damit konfrontieren, aber dann setzte die Morgenübelkeit ein und ihre Brüste spannten und der Schwangerschaftstest war positiv. Und auf einmal wandte sich alles zum Guten. Tom hatte sich so über die Nachricht gefreut. Als Waisenkind, das im Heim groß geworden war, träumte er schon immer davon, eine eigene Familie zu gründen. Das wusste Laura. Sie hatte gedacht, mit einem Baby könnte alles wieder gut werden. Das Strahlen in Toms Augen als er den gelben Strampelanzug in die Höhe hielt, hatte Laura ewig nicht mehr an ihm gesehen.
»Die Farbe ist neutral. Das kann sowohl ein Bub, als auch ein Mädchen tragen«, hatte Tom gesagt.
»Ich glaube, du bist der einzige Mann, der freiwillig Babysachen kauft.« Sie hatte gelacht. Zum ersten Mal seit Langem hatte sie sich richtig befreit gefühlt. Toms Verhalten ihr gegenüber hatte sich drastisch verändert seit der Schwangerschaft. Zum Positiven. Als habe man einen Schalter umgelegt. Böse Zungen hätten wohl behauptet, er habe sich vom bösartigen Mr. Hyde zurück in den gutmütigen Dr. Jeckyll verwandelt.
»Was ist daran falsch?« Tom hatte sein typisches Grinsen aufgesetzt, seine Hand auf ihren Bauch gelegt und ihr einen Kuss auf die Schläfe gedrückt.
»Es dauert doch noch so lange. Weißt du, dass es angeblich Unglück bringt, so früh einzukaufen? Es kann noch so viel passieren.« Sie dachte an ihre Fehlgeburt. So viele Schwangerschaften wurden frühzeitig abgebrochen. Mehr als man erwartete. Nachdem sie ihr erstes Baby verloren hatte, waren einige Bekannte mit ihren Geschichten rausgerückt. Ein verlorenes Ungeborenes war ein Thema, über das in der Öffentlichkeit normalerweise nicht gesprochen wurde. Bis man selbst zum Club der Sternenkinder gehörte und all die Horrorgeschichten erzählt bekam. Eine glückliche, normale Schwangerschaft war bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.
»Die kritischen drei Monate sind vorbei, mein Schatz! Denk nicht immer so negativ. Es wird alles gut werden. Warum auch nicht? Wir sind jung und gesund.« Toms Optimismus hatte sie angesteckt. Alles hätte gut werden können. Vielleicht hatte Tom mit seinen Worten aber auch das Schicksal herausgefordert. Vielleicht war es ihnen einfach nicht vergönnt, Eltern zu werden. Was, wenn Mia es tatsächlich nicht schaffte? Laura hatte sich schon so darauf gefreut, Mama zu werden. Wenn ihr Baby nun wieder nicht lebte … Noch einmal war sie nicht stark genug für diese Prozedur. Und ihre Ehe wäre es auch nicht.
»Ich weiß nicht, ob Sie fit genug sind, Ihre Tochter zu sehen. Es ist ein recht weiter Weg.« Kritisch betrachtete die Ärztin Laura und holte diese aus ihrer Gedankenwelt zurück in die Gegenwart.
»Das ist mir egal!« Eigentlich hatte Laura nicht so unfreundlich sein wollen, aber … verdammt! Ihre ganze Welt stand Kopf. Gestern noch hatte sie sich Sorgen um die Kinderzimmereinrichtung gemacht und mit Tom darüber diskutiert, welchen Film sie im Abendprogramm sehen wollten und heute war alles ein einziger Albtraum.
»Schatz, du darfst dich nicht aufregen!« Tom drückte ihre Hand. In seinen Augen standen Tränen.
»Ich soll mich nicht aufregen?!« Laura wurde schlecht und ein grauenhafter Schmerz durchzog ihre Bauchdecke. Gepeinigt schloss sie die Augen und sammelte sich, ehe sie weitersprach: »Mein Baby ist …« Ihre Stimme brach. »Wer weiß, ob unsere Kleine so lange durchhält, bis ich es hier rausschaffe! Und dann hab‘ ich sie nie gesehen! Sie nie gehalten!« Unbewusst strichen Lauras Finger über ihren Bauch. Ihren schmerzenden, leeren Bauch. Ihr Baby war ihr entrissen worden. Einfach so. Keine Tritte mehr. Kein Strampeln. Nein. Mia war brutal in die Welt geholt worden. Eine Welt, für die sie noch nicht bereit war. Genauso wenig wie Laura bereit für all das war.
Tom starrte auf die Wand hinter Laura, während er ihre Hand beinahe zerquetschte.
»Sie können Ihre Tochter jetzt ohnehin noch nicht halten. Sie muss im Inkubator bleiben und ihre Haut ist sehr empfindlich«, sagte die Ärztin mit einem bedauernden Unterton. »Frühchen in diesem Stadion können nur großflächige Berührungen aushalten, Sie dürfen Ihre Tochter also nicht mal sanft streicheln.«
Laura entging der finstere Blick nicht, den Tom der Medizinerin zuwarf. »Sind Sie immer so empathisch in Ihrem Job?« Laura hätte es nicht für möglich gehalten, aber Toms Griff verstärkte sich und ihre Hand wurde bereits weiß.
»Es tut mir leid …«, setzte die Ärztin zu einer Entschuldigung an, als Laura sie leise unterbrach: »Wird sie es überhaupt schaffen? Ich meine … hat sie realistische Chancen?«
Der Blick der Ärztin wechselte zwischen Laura und Tom hin und her. »Ich will ehrlich sein: Es sieht nicht gut aus.«
Laura erstarrte. Tom ließ ihre Hand los. Es war wie ein Zeichen. Ohne Mia würde ihre Ehe in die Brüche gehen. Der Gedanke war unerträglich. Verlor Laura ihr Baby, verlor sie alles.
Ein Piepen ertönte. »Tut mir leid, ich muss weiter!« Die Ärztin schaltete das nervende Geräusch ihres Pagers ab und machte sich auf den Weg zu einem anderen Patienten.
»Wenn Sie wollen, helfe ich Ihnen dabei, zu Ihrem Baby zu kommen!«, meldete sich die junge Krankenschwester zu Wort, deren Anwesenheit Laura beinahe schon vergessen hatte. Sie war so jung. Lange konnte sie diesen Job noch nicht ausüben. Trotzdem war sie bei Weitem mitfühlender und sympathischer als die Ärztin. Tränen glitzerten in ihren Augen, die sie jedoch hinter einem Lächeln zu verbergen versuchte.
»Ist Laura denn schon stark genug?« Tom stand auf. »Die Ärztin hat doch gerade gesagt …?!«
»Tom?« Zum ersten Mal, seit sie aufgewacht war, schaffte Laura es, bestimmt zu klingen.
»Ja, mein Schatz?«
Sie konnte in seinem Gesicht sehen, dass er seinen Ärger nur mühsam unterdrückte und dass er es rein ihr zuliebe tat. Deswegen war es noch schwerer für sie, die nächsten Worte auszusprechen. Sie tat es trotzdem: »Halt den Mund!«
»Wenn deine Verletzungen dadurch schlimmer werden …«, setzte er an, doch Laura unterbrach ihn: »Ich will mein Baby sehen! Jetzt!«
Die Schwester nickte. »Ich helfe Ihnen in den Rollstuhl!«
»Ich halte das für keine gute Idee. Was, wenn die Nähte aufreißen?« Tom redete mehr mit der Krankenschwester als mit Laura.
»Herr Weiß, wäre ich Ihre Frau, würde ich mein Baby auch sehen wollen.«
»Ich werde gehen«, sagte Laura entschlossen. Sie setzte sich auf. Die Gerätschaften piepten. Grauenhafte Kopfschmerzen zogen wie Blitze durch ihre Schläfen.
»Laura?!«
Sie wollte etwas erwidern, aber die Pein war zu groß. Dunkelheit hüllte sie ein.
Als Laura zu sich kam, saß sie in einem Rollstuhl. Auf dem Weg zur Neo-Intensiv-Station. Sie sah die Tür vor sich. Las das Schild. Wie kam sie hierher? Verwirrt sah sie sich um. Tom stand hinter ihr und schob den Rolli. Die Unebenheiten am Boden schüttelten Lauras Körper und verursachten Schmerzen. Schweiß tropfte von ihrer Schläfe, obwohl sie nur saß und ihr nicht heiß war.
Beinahe bereute Laura ihre Entscheidung herzukommen. Allerdings nur beinahe. Sie würde jetzt bestimmt nicht jammern. Die Worte der Ärztin hallten in ihren Ohren nach. Vielleicht würde Mia es nicht schaffen. Wenn das tatsächlich so war, dann wollte Laura ihre Tochter wenigstens ein einziges Mal gesehen haben.
Toms Hand legte sich auf ihre Schulter. Sie standen vor der Tür, warum machte er sie nicht auf? Worauf wartete er? Er sagte irgendetwas, doch sie konnte ihn nicht verstehen. Seine Stimme klang gedämpft, als spräche er durch eine Wand zu ihr.
Ein Schleier legte sich vor ihre Augen. Schwindel setzte ein und schwarze Punkte tanzten vor ihr. Vernebelten ihre Sicht. Nicht schon wieder! Hatte sie von dem Unfall etwa Kopfverletzungen davongetragen, von denen ihr niemand erzählt hatte? Laura wollte etwas sagen. Sie konnte nicht.
Tom redete weiter. Seine Lippen bewegten sich, doch sie verstand ihn nicht. Es könnte genauso gut Chinesisch sein, das er von sich gab. Schritte. Getrampel. Eine Person legte ihren Arm frei. Tom schrie irgendjemanden an. Alles wurde schwarz. Und dann war Toms Stimme verstummt.