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MEIN ERSTER KREDIT »Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich ein Leben lang geprägt. Ohne die Steine, die er mir in den Weg gelegt hat, wäre ich vielleicht nie zu dem Kämpfer geworden, der ich heute bin.«

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Zeltweg, 15. August 1971. Großer Preis von Österreich. Brütende Hitze am Österreich-Ring, ich schwitze in einem March-Ford, letzte Startreihe. Eine Kindheitserinnerung taucht auf. Ich bin auf Besuch bei Onkel Heinz, wir schauen gemeinsam ein Formel 1-Rennen im Fernsehen an. »Einmal im Leben möchte ich hinten in der letzten Startreihe stehen und auch mitfahren«, soll ich damals gesagt haben. Genau das passierte an diesem Sonntag, vor 120.000 fiebernden Fans auf den Tribünen. Ich konnte mich endlich mit den besten Fahrern der Welt messen. Dass der March ein elend schlechtes Rennauto war, mit dem ich schon im Training nichts als Probleme gehabt hatte, ist eine andere Geschichte.

Den Platz in dieser Gurke hatte ich mir teuer erkauft. March hatte damals den schwedischen Superstar Ronnie Peterson als Nummer eins, benötigte daher keine wirklich gute Nummer zwei, sondern nahm auch einen wie mich – gegen die Summe von 500.000 Schilling. Ich schaffte es, bei der Ersten Österreichischen Spar-Casse einen Werbevertrag in dieser Höhe zu bekommen – der Name Lauda spielte sicher eine nicht unwesentliche Rolle dabei, zumal mein Großvater Hans Lauda dort im Aufsichtsrat saß. Für einen kombinierten Formel 2- und Formel 1-Vertrag wollte March-Rennchef Max Mosley aber 2,5 Millionen Schilling. Ich wusste: Das war mein Einstieg in die Königsklasse. Und sagte sinngemäß: »No problem, Mister Mosley.«

Ich ging zur Ersten und schilderte mein Problem. Man sagte mir die Aufstockung meines Sponsorvertrags auf 2,5 Millionen Schilling zu.

Ich flog nach London, um den Vertrag für das Kauf-Cockpit bei March zu unterschreiben. Nach meiner Rückkehr nach Wien passierte das Unfassbare: Erste-Chef Friedrich Adamek rief mich an und sagte: »Herr Lauda, alles ist geplatzt! Wir mussten mit Ihrem Ansuchen in den Aufsichtsrat. Dort ist Ihr Herr Großvater gesessen und hat die Auszahlung verhindert.«

Ich konnte es nicht glauben. Ich stand da mit einem unterschriebenen Vertrag und hatte das Geld nicht. Da bin ich zu meinem Großvater gefahren. »Warum mischst du dich da ein?«, wollte ich von ihm wissen. Hans Lauda sagte nur: »Kommt nicht infrage, dass du Autorennen fährst. Fertig.« Der millionenschwere Despot hatte tätsächlich mein Formel 1-Projekt abgeschmettert. Das war meine erste echte Krise.

Der Konflikt mit meinem Großvater hat mich in der Folge ein Leben lang geprägt: Hätte er damals nicht meinen Kredit verhindert, wäre ich vielleicht nie der Kämpfer geworden, zu dem ich in der Situation wurde und der ich noch heute bin. Ich ermahnte mich, logisch nachzudenken: Krise hin oder her, dachte ich. Es muss noch einen anderen Weg geben, zu meinem Ziel zu kommen.

Dieser Weg führte mich zu Raiffeisen. Dort traf ich einen Mann, der einen feinen Sinn für das Mögliche und Unmögliche hatte und mir deshalb bis heute in angenehmer Erinnerung geblieben ist. Werbeleiter Karlheinz Oertel.

»Ich brauch’ 2,5 Millionen Schilling«, sagte ich.

Darauf er: »Wo wollen S’ denn das Schloss hinbauen?«

»Nix Schloss. Formel 1«, erwiderte ich.

Ich dürfte Oertel mit meiner fixen Vorstellung von einer Rennfahrer-Karriere beeindruckt haben, denn er verschaffte mir den Kredit. Blieb nur noch eine Frage zu klären: »Was machen wir, wenn Sie verunglücken?« Mir gefiel die direkte Art von Oertel. Ich schloss umgehend eine Ablebensversicherung über 2,5 Millionen Schilling bei der »Wiener Allianz« ab. So viel hätte die Bank kassiert, wenn es mich im March aufgestellt hätte. Die Zinsen für den Kredit hat Raiffeisen mir erlassen. Dafür trug ich brav das gelb-schwarze Giebelkreuz auf dem Helm und an beiden Oberarmen meines Rennanzugs. Oertel wollte mit mir als Formel-1-Newcomer das Image der »Bauernbank« aufpolieren …

Ich trug die 2,5 Millionen also zu March; meine erste Formel 1-Saison schien gesichert. Aber 1972 wurde ein Alptraumjahr. March ließ mich in der Formel 1 nur testen. Rennen durfte ich ausschließlich in der Formel 2 fahren. Dazu kam, dass mein Auto, der March 721 X, eine gigantische Fehlkonstruktion war – in meiner Bilanz gab es einen Ausfall nach dem anderen. Obwohl ich buchstäblich um mein Leben fuhr, waren meine sportlichen Ergebnisse miserabel. Da ging March auch noch in Konkurs und ich stand über Nacht ohne Auto und Vertrag fürs nächste Jahr da.

Ich hatte Schulden von zwei Millionen Schilling – 500.000 Schilling hatte ich aus meinem Verdienst bei Tourenwagen-Rennen abgestottert. Das war in den Siebziger Jahren sehr viel Geld. Wie sollte ich diese gigantische Summe je zurückzahlen, wenn meine Pläne nicht aufgingen? Ich rechnete aus, wie lange die Abzahlung mit einem normalen Job dauern würde und kam auf vierzig oder fünfzig Jahre. Ein ziemlich unerfreuliches Szenario. Denn eines war mir schon immer klar: Hast du erst einmal den Kredit, so ist das Problem ja nicht gelöst. Denn du musst ihn auch zurückzahlen.

Ich hatte mit meinem Draufgängertum einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Es war klar, dass 1973 bargeldlos funktionieren musste. Nicht einmal der klasse Herr Oertel hätte meinen Kredit noch einmal aufgestockt.

Da fiel mir ein, dass Louis Stanley, Chef von British-Racing-Motors, mich beim amerikanischen Grand Prix in Watkins Glen um meine Adresse gefragt hatte. Der Adelige galt damals als Peter Ustinov der Formel 1, trug immer zweireihige Anzüge mit goldenen Knöpfen, dazu Stecktuch und Krawatte. Ich schrieb einen Brief auf handgeschöpftem Büttenpapier, mit vielen englischen Floskeln, in dem ich Sir Louis meine Adresse bekanntgab. Die Luftpost ging von Wien in die Dachsuite des altehrwürdigen Londoner Dorchester-Hotels am Hyde Park Corner, express natürlich. Absender: Nikolaus Lauda.

Der Brief verfehlte seine Wirkung nicht: Stanley lud mich zu sich nach London ein, ich erinnere mich noch, dass in seiner Dachsuite riesige Zebra- und Leopardenfelle an den Wänden hingen. Nach ein paar Begrüßungsfloskeln kam Sir Louis schnell auf den Punkt: Haben Sie eigentlich einen Sponsor, Herr Lauda?

Ich hatte nur Schulden, mehr nicht. Und Oertel von Raiffeisen im Hintergrund. Also spielte ich Stanley, um noch in den BRM-Stall reinzurutschen, vor, mein Sponsor würde auch 1973 zahlen – obwohl ich wusste, dass bei Raiffeisen nichts mehr ging.

Stanley meinte, er werde demnächst nach Wien kommen und einen Vertragsentwurf mitbringen. »Bringen Sie Ihren Sponsor zur Vertragsunterzeichnung mit, Herr Lauda«, sagte er beim Abschied.

Als der Termin feststand, bestellte ich den Herrn Oertel ins Flughafenrestaurant Schwechat. »Ich will Sie gleich mit einem echten englischen Lord und Rennstallbesitzer bekanntmachen«, sagte ich so unbefangen ich konnte. Oertel war sich nicht sicher, was das alles sollte, spielte aber mit. Als Stanley kam, musste er glauben, dass Oertel mein Sponsor sei. Ich hatte wieder einmal gepokert.

Wir einigten uns auf ein Eintrittsgeld von zwei Millionen Schilling in drei Raten, zahlbar mit den Start- und Preisgeldern. Prinzip: Heute fahren, morgen zahlen.

Ich setzte mich ins BRM-Cockpit und war auf Anhieb schnell. Sehr schnell. Ich wurde Fünfter am Curcuit Zolder und in Monaco sogar Schnellster im Training und Dritter im Rennen, bis ich mit Getriebeschaden ausfiel.

Es war der 3. Juni 1973, als ich in Monte Carlo an dritter Position startete. Vor mir nur Jackie Stewart und Emerson Fittipaldi. 25 Runden lang hielt ich Jackie in seinem Ferrari auf Distanz. Dann platzte das Getriebe und ich fiel aus – mein Traum vom ersten Platz war dahin. An dem Abend machte Stanley mich zum bezahlten Fahrer gegen eine Unterschrift für weitere zwei Jahre. Ich hatte keine Wahl und unterschrieb. Eine Million Schilling für die laufende Saison! Damit wäre mein Schuldenberg schon um die Hälfte geschrumpft.

Ich hatte damals mit meinem Cousin Jenzey, der mir sein Büro in Salzburg als Stützpunkt zur Verfügung gestellt hatte, einen »Running Gag« laufen. Ich sagte: »Stört mich nur, wenn Ferrari anruft!« Als ich vom Grand Prix aus Monaco zurückkehrte, sagte mein Cousin: »Ferrari hat angerufen!« Es war kein Witz.

Im italienischen Fiorano war ein Mann auf mich aufmerksam geworden, dessen rote Renner 1964 ihren letzten Titel gewonnen hatten. Enzo Anselmo Ferrari. Il Commendatore. Er hatte an jenem 3. Juni 1973 den Grand Prix vor dem Fernsehschirm verfolgt – Ferrari ging niemals zu Rennen. Aber er verfolgte sie im TV, las alle Berichte und ließ sich von seinen Angestellten bis ins kleinste Detail über den Rennverlauf informieren. »Wie heißt der Kerl, der sich so unverschämt schnell von Jacky Ickx absetzte, bevor sein Getriebe brach?«, fragte er seinen Teamchef Luca di Montezemolo. »Um den sollten wir uns kümmern.«

Eines Tages saß ich ihm in seinem abgedunkelten Büro gegenüber und verhandelte. Meine erste Jahresgage bei Ferrari betrug immerhin 500.000 Schilling. Ich wollte dem Commendatore auch noch einen privaten Ferrari abluchsen, aber er gab mir nur einen Fiat.

Durch den alten Herrn, der damals gerade sein Team neu organisierte, sollte ich bald ein Vielfaches von dem verdienen, was ich Raiffeisen schuldete.

Meinen Kredit hatte ich übrigens in meinem zweiten Ferrari-Jahr bereits abbezahlt. Es blieb mein erster und einziger Kredit. Danach habe ich – außer für den Kauf von Flugzeugen – nie mehr Geld aufgenommen, bis heute nicht.

Warum? Erstens bestand keine Notwendigkeit und zweitens bedeuten Kredite immer Abhängigkeit. Wenn ich über einen Teil meines Einkommens nicht mehr frei verfügen kann, dann bin ich auch nicht mehr frei in meinen Entscheidungen.

Im Fall meines ersten und einzigen Kredites war es so: Um in die Formel 1 zu kommen, brauchte ich das Geld sofort. 2,5 Millionen Schilling im Rennsport zu verdienen wäre am Anfang unmöglich gewesen. Ganz oben stand mein übergeordnetes Ziel, aus eigener Kraft, auch gegen den Willen und die Machtspiele meines Großvaters, Rennfahrer zu werden. Der Kredit ebnete mir den Weg dorthin. Dafür ging ich ein Risiko ein, das irrsinnig hoch, aber notwendig war.

Auf der anderen Seite bestand die realistische Chance, mit diesem Startkapital auch richtig Geld zu machen. Meine Einschätzung des Risikos war dabei trotzdem neutral-pessimistisch. Neutral, weil ich mich von der Schuldenfalle nicht verrückt machen ließ, pessimistisch, weil mir sehr wohl bewusst war, dass es mich auch Jahrzehnte lang beschäftigen oder schiefgehen hätte können.

Ich weiß natürlich, dass die meisten Leute irgendwann im Laufe ihres Lebens einen Kredit brauchen, um Investitionen zu finanzieren. Von Konsumkrediten rede ich nicht, denn wer Geld aufnimmt, um einen Fernseher zu kaufen oder auf die Bahamas zu fliegen, dem ist sowieso nicht zu helfen. Das geht sich nie im Leben aus.

Genauso wie Fremdwährungskredite. Das Risiko des Wechselkurses ist viel zu hoch, vollkommen unberechenbar. Die niedrigen Zinsen verleiten dazu. Dieses Risiko kann ich nur ausschalten, wenn ich Einkommen in der Fremdwährung habe. Sonst lässt jeder logisch denkende Mensch die Finger davon.

Was ich heute ganz okay finde sind Leasing-Verträge für Autos, vor allem wenn man die Kosten steuerlich absetzen kann. Die Monatsraten sind festgelegt, und es gibt am Schluss keine bösen Überraschungen. Man kann besser kalkulieren und das Auto am Ende zurückgeben und ein neues nehmen, ohne sich je mit Reparaturen auseinandersetzen zu müssen.

Wann sind Kredite sinnvoll?

Ganz einfach: Wenn die Zinsen niedrig sind, wenn ein cleveres Geschäftsmodell dahintersteht, wenn der Kredit dich beweglicher macht, statt dich einzuschränken, und wenn es Sicherheiten für den Worst Case gibt.

Bei mir trafen, ehrlich gesagt, nur zwei Punkte zu. Die Zinsen wurden mir erlassen und der Kredit hat mir ermöglicht, Rennen zu fahren. Er hat mich also im wahrsten Sinn des Wortes beweglicher gemacht. Ich hatte aber weder ein Geschäftsmodell noch Sicherheiten für den Worst Case …

P.S.: Mein Großvater, der mich beinahe zwei Millionen Schilling und mein Ticket in die Weltklasse gekostet hätte, ist 1974 gestorben. Ein Jahr, bevor ich in der Formel 1, im Alter von 25 Jahren, sehr gutes Geld verdiente.

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