Читать книгу Nachbarn, Sex und dünne Wände - Nikolaus Weber - Страница 10
8.
ОглавлениеHie und da finde ich es gut, dass niemand meine innere Stimme hören kann. Die Mieterversammlung geht mir schon am Oarsch, noch bevor sie überhaupt begonnen hat. Die Brötchen sind das einzig gute an dieser Veranstaltung. Ich bin doch nur wegen meinen Sonnenschein Vanessa hier. Die Veranstaltung ist gut besucht. Nahezu jeder Platz ist besetzt. Der Vorsitzende Herr Krause eröffnet offiziell die Sitzung und liest die Tagesordnung vor. Er hat ja recht, als er uns darüber informiert, dass Ordnung und Sicherheit uns alle etwas angeht.
Wenn Kinderwagen oder andere sperrige Gegenstände am Gang abgestellt werden, müssen alle Mieter die Entsorgung mittels höherer Betriebskosten zahlen. Das bei einem Feuer noch dazu der Fluchtweg blockiert sein kann und Menschen dann in Panik geraten können, erwähnt Herr Krause auch noch.
Wir haben überdies beim Einzug in unsere Wohnung die Hausordnung unterschrieben. Diese sollte am Gang, für alle gut sichtbar, öffentlich angeschlagen sein. Doch statt dieser hängt in meiner Stiege ein Bild von Justin Biber und ein Sticker „ Rettet die Waale.“ Schon bald beschuldigen sich, die Anwesenden gegenseitig, den Hausfrieden zu stören.
Die Veranstaltung muss beinahe wegen ungebührlichen Verhaltens der anwesenden Teilnehmern frühzeitig abgebrochen werden. Ursula beharrt mit Nachdruck darauf, dass nun endlich Maßnahmen gegen diese nerventötende Schallkanone ergriffen werden müssen. Achmed fragt als Antwort auf diesen Blödsinn:
< Du essen Inhalt von Staubsaugerbeutel? >
Ursula wirft Achmed ein Brötchen nach. Der Gemeindebau-Opa grinst zufrieden. Es ist kaum zu glauben, wozu manche Menschen fähig sind. Als Herr Krause uns darauf hinweist, dass in zwei Wochen die Wahl zum Mieterbeirat stattfindet, hebt Vanessa meine Hand.
Herr Krause notiert sich die Namen der Kandidaten.
Schönwetter Berger Kafka Lieblich
Weber Trietschinewski Atatürk
Ich kann mich nur wundern, was ich alles für Frauen mache, wenn ich verliebt bin.
Wirklich sinnvoll und produktiv ist aber nur die Debatte über einen möglichen neuen Abstellkeller.
Die Stimmung zwischen den Beteiligten ist auf einem Tiefpunkt angelangt und ich kann nur ungläubig den Kopf schütteln. Die Anwesenden beschimpfen sich gegenseitig auf unterstem Niveau und ziehen sich gegenseitig in den Dreck. Ich möchte mich in Luft auflösen, aber ein abgesprochener Anruf von meinem besten Freund Marcel tut es auch. So kann ich mich ungeniert von der Versammlung abseilen und mein Gesicht wahren, in dem ich mich verabschiede und sage:
< Es tut mir ja so leid, dass ich schon gehen muss. Ich wäre gerne noch länger geblieben, aber ich muss zwingend los. Ein Anruf von meinem Chef, die Pflicht ruft. Ich hoffe, ich kann in zwei Wochen mit euren Stimmen rechnen. Seit schön brav und tut nichts, was Benno nicht auch tun würde. >
Als ich die Tür hinter mir schließe, bin ich froh, dass ich endlich von diesem Idiotenverein weg bin. Vanessa wird es mir verzeihen. Jetzt rauche ich mir erst einmal eine Zigarette an. Vielleicht habe ich ja mehr Glück im Lotto, wenn ich mir morgen einen Anteilsschein kaufe oder mit System spiele? Was sehen meine müden Augen da? Was funkelt dort in der Ecke unter dem Laternenschein? Hier liegt ja der Wohnungsschlüssel von der Ursula. Ich erkenne ihn sofort. Auf Ursula’s Schlüsselbund hängen kleine braune Plüschbären und ein Flaschenöffner von einer bekannten Biermarke. Auf meiner rechten Schulter erscheint ein kleiner Engel. Auf meiner linken Schulter erscheint ein kleiner Teufel. Die zwei beginnen sich zu streiten.
Der Engel faltet die Hände zum Gebet und spricht zu mir:
< Geben ist seliger, als nehmen. Nun kehre zu Ursula zurück und sei gewiss, das Gute getan zu haben! >
Das kleine Teufelchen protestiert ungestüm gegen diese dumme Idee und ist völlig aus dem Häuschen. Er erklärt mir auch gleich, was zu tun ist:
< Benno, hau den Scheiß in die Donau. Das ist die Gelegenheit dieser Giftnudel eins auszuwischen. Wie viele Nächte warst du wach und hast dich von einer Seite des Bettes zur anderen gedreht? Nur weil dieser Hausdrache in der Nacht zu laut Musik gehört hat oder beim Sex so laut stöhnte, dass nur so die Wände gewackelt haben? Wie viele Male? Kannst du das noch zählen? Komm, lass den Schlüsselbund verschwinden! Mach die Fotze fertig! >
Eine halbe Stunde später stehe ich auf der Donauinsel. Ich lasse meinen Arm mit voller Kraft kreisen und als ich loslasse, fliegen die Schlüsseln in hohem Bogen in die Donau. Rucki zucki und weg sind sie. Ich sehe die Wasseroberfläche und kleine Luftblasen in der Stille der Nacht. Die Schlüssel findet sie nie wieder.
Zufrieden rauche ich mir mit dem letzten Gras von Klaus einen Joint an.
Nur nach Hause kann ich heute nicht mehr. Ursula wird durch drehen, wenn sie bemerkt, dass sie nicht mehr in ihre Wohnung kann. Sie hat erst vor zwei Tagen ein neues Türschloss bekommen. Wenn die Feuerwehr heute wieder ihre Tür aufbrechen muss, na dann Prost und Mahlzeit.