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Summer was a long one

always on the run

moving through the moonlit nights

resting in the sun

you say that you were cheerful

like a child in chasing play

or a gambler guessing recklessly

when someone else will pay.

Robin Laing, The Summer of ‘46 › Walking in time‹, Scottish Songs

Sitting at the
dock of the bay

Da sitz ich tatsächlich. Stella Keroviak. Am Dock der San Francisco Bay, am äußersten Ende der Fisherman’s Wharf, direkt am Ozean. War ein ziemlich kurvenreicher Weg bis hierhin. Achterbahn mit dreifachem Looping und Todesspirale oder so ähnlich. Für meine knapp vierundzwanzig Jahre bin ich jedenfalls reichlich rumgekommen im letzten Jahr.

Hinter mir kräuseln sich über Ghiradelli’s Espressoaroma und Krapfenduft in den kalifornischen Himmel. Vor mir kämmt ein kräftiger Wind den tintenblauen Pazifik und setzt Schaumhäubchen darauf. Mir zerzaust er kräftig das Haar. Wie ein Putzmop werde ich bald aussehen, außerdem gibt er meine etwas zu großen Ohren zur Besichtigung frei. Bis vor wenigen Monaten hätte ich dem himmlischen Windkind das nicht gestattet.

Meine Ohren waren immer ein echtes Problem für mich, schon als ich noch gar nicht wußte, was echte Probleme sind. Die kamen erst später und überflügelten meine Ohren um Längen.

Vorbei, vorbei. Jetzt kenne ich ein paar real problems und sehe das Leben endlich so, wie es wirklich ist: als eine prallgefüllte Wundertüte, die nicht immer die gewünschte, aber immerhin Überraschungen für uns bereithält. Und alles für ein paar Mark fuffzig. Mit Geld hat Glück – also wirkliches, handfestes Glück – nämlich nur in bescheidenem Maße zu tun. Schon eher mit dem süßen, trostreichen Puffreis, der die Wundertüte verlockend prall und erstaunlich leicht zugleich macht.

Eine tranfette Möwe sticht herab und zieht provozierende Kreise über einer Kollegin, die auf einem Holzpflock steht und an einem Hering knabbert. Eine Kabbelei ist unausweichlich, ein kleiner Heringskrieg en miniature. Hübsch sowas, ich könnte stundenlang zuschauen.

Ein Fährdampfer stampft an mir vorbei, voll mit vom Wind geblähten Touristen in Nylonblousons und fliehenden Butchcappies, die sie kreischend auf ihre rotgegrillten Köpfe drücken. Schön blöd und träge, wie Touristen nun mal sind, lassen sie sich zu der stillgelegten, von Haien bewachten Knastinsel Alcatraz rüberschippern, die rechts von mir kalkig und kantig aus dem Wasser ragt. Auch so ein teuer bezahltes Vergnügen, auf das ich getrost verzichten kann. Dem Knast bin ich in den letzten Monaten ein paarmal haarscharf entronnen, und meine Phantasie reicht aus, um mir ein Leben hinter Gittern on the rock vorzustellen. Nicht eben lustig. Weshalb ich meine neue Freiheit, vor allem die Freiheit zur Faulheit, um so mehr genieße.

Yeah, I’m sitting on the dock of the bay, watching time slipping away, und dabei bemühe ich mich, meine Erinnerungen auf die Reihe zu kriegen. Erinnerungen, die, sauber zusammengenommen und verknüpft, einen Bilderteppich ergeben, dessen Muster stets von meinem ganz persönlichen Lebensfaden durchschossen ist. Jeder Mensch hat so ein Teppichmuster, und es macht einen höllischen Spaß, dieses Muster zu entwirren, fortzuspinnen oder zu verkomplizieren, statt einfach darüber hinwegzutrampeln, bis man an die Teppichkante stößt und den stolpernden Abgang via heaven’s gate macht. Kapiert, was ich meine? Nein?

Also: Aus lauter Furcht davor, Knoten und Filz im eigenen Lebensfaden zu entdecken, neigen viele Menschen dazu, ihn schönzufärben und zu begradigen. Was notgedrungen zu einer Form von sauberer, eintöniger Langeweile mit LBS-Bausparvertrag und Allianz-Lebensversicherung führt. Langeweile, die die Qualität eines teuren, sandfarbenen Veloursteppichs hat. Nein danke, Leben läuft anders. Leben ist etwas, bei dem man auch mal was riskieren und durch Scheiße stiefeln muß, um es voll und ganz zu spüren. »In der Gefahr wächst das Rettende auch«, um es mit Hölderlin zu sagen. (Lieblingszitat Nummer eins.)

Woher ich das weiß? Genau davon handelt meine Geschichte, von der ich schon mal soviel versprechen kann: Sie ist nicht zur Nachahmung empfohlen. Und sie beginnt am nebligtrüben Niederrhein, genauer gesagt, am äußersten südlichen Ende, knapp vorm Mittelrhein, in Köln, der Stadt mit dem zerklüfteten Dom, den seine Bewohner seit mehr als siebenhundert Jahren einfach nicht fertiggebaut bekommen. Was mir die Kölner ungemein sympathisch macht, denn nichts ist langweiliger als ein vollendetes Bau- oder Kunstwerk. Glaubt mir, davon verstehe ich was, denn bislang habe ich so gut wie nichts von dem vollendet, was ich begonnen habe. Und eben das ist mein ganz entschiedenes, eigenes Talent. Es eröffnet mit jedem Tag neue Möglichkeiten, in einer Welt, von der es heißt, sie stehe kurz vor dem globalen Wirtschaftskollaps, der ökologischen Endzeit oder der finalen Heimsuchung durch Außerirdische. Weshalb sich jetzt, kurz vor der Jahrtausendwende, Sektenmitglieder in Hundertschaften per Zyankali himmeln. Manchmal in blauen Nyltestuniformen und manchmal splitternackt wollen sie einem outerspace alien, der mit universaler Weisheit begabt sein soll, entgegentreten. Frei nach Raumschiff Enterprise flehen sie: »Beam us up, Scotty.« Warum Aliens gerade an derart unterbelichteten Exemplaren der Gattung Mensch ein wissenschaftliches oder gar erlöserisches Interesse haben sollen, ist mir freilich ein Rätsel.

Endzeitvisionen sind also ganz und gar nicht meine Baustelle. Ich lebe lieber unverschämt gern, schnell und vor allem heftig. »Ich will meinen eigenen Unfug« – das wußte schon Hugo Ball (Lieblingszitat Nummer zwei) –, schließlich hat doch wohl jeder Mensch das Recht, sich die Wirklichkeit so zusammenzudichten, wie es ihm paßt. Und das trotz oder gerade wegen: Bürgerkriegen, Hungersnöten, Flutwellen, Dioxin, Atommüll, Klimakatastrophen und Leuten, die so viel Haarspray benutzen, daß sie da oben ihr eigenes Ozonloch haben. Zynisch? Nun ja, ich bin eben ein Kind der Tschernobyl-Ära. Weshalb ich einfach weiß: Die Welt mag so schmutzig sein wie sie will, es gibt keinen Ort im Universum, an dem man einen so guten Cappuccino wie den von Ghiradelli serviert bekommt. Basta!

Und nun endlich zu meiner Geschichte, die, wie gesagt, in Köln beginnt, einen Zwischenstopp in Great Britain macht – »... that lovely stone set in a silver sea ...« (Shakespeare, yeah; Lieblingszitat Nummer drei) – und erst ganz zum Schluß wieder hier an der Fisherman’s Wharf andockt.

Crash Teddys

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