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Was sind nun Senolytika?

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Zunächst forschten die Seneszenz-Spezialisten an Mäusen, um Medikamente zu finden, die Zombiezellen töten. Hochspannend, was sie dabei über die Überlebensstrategien der Untoten herausfanden. Sämtliche Versuche, seneszente Zellen auf direktem Wege abzutöten, scheiterten kläglich.

Doch als JAMES KIRKLAND, wie JAN van DEURSEN von der berühmten Mayo Clinic in den USA, danach suchte, wie sich seneszente Zellen denn vor dem eigenen Selbstmordprogramm schützen könnten, da wurden er und sein Team fündig. Sie fanden sechs charakteristische Signalwege, mithilfe derer sich die Zombiezellen davor bewahren, den programmierten Suizid einzuleiten.

In dieses Schutzprogramm einzugreifen und es lahmzulegen, war nun das Ziel der Wissenschaftler. Es ist ihnen im Prinzip gelungen: 14 senolytische Substanzen sind bislang bereits definiert, darunter kleinere Moleküle, Antikörper – und seit 2017 ein Peptid, das einen zum Zelltod führenden Signalweg aktiviert. Die Ergebnisse, die damit in Mausversuchen erzielt worden sind, sind mehr als vielversprechend.


Schäden, Krankheiten und die Signale anderer Zellen während der Entwicklung können Seneszenz induzieren. Im seneszenten Zustand hören Zellen auf, sich zu teilen, und schütten Proteine wie etwa Zytokine aus, die Immunmoleküle anlocken.

Das Immunsystem kann seneszente Zellen abtöten und dadurch eine Regeneration des Gewebes bewirken. Doch in erkranktem oder alterndem Gewebe kommt es zu einer Anhäufung seneszenter Zellen. In der Entwicklung befindliche Medikamente schalten die Überlebenstricks der seneszenten Zellen aus und beseitigen diese aus Gelenken, Blutgefäßen oder den Augen.

An normal alternden Mäusen konnte die Gruppe von JAN van DEURSEN nachweisen, dass altersbedingte Schädigungen, unter anderem an Herz und Nieren, beim Einsatz von Senolytika signifikant zurückgingen und sich die durchschnittliche Lebenserwartung der Mäuse um rund 25 Prozent erhöhte. In anderen Versuchen, in denen die Behandlung an sehr alten Mäusen (die umgerechnet ungefähr 75 bis 90 Menschenjahre alt waren) angewandt wurde, verlängerte sich deren Lebensdauer sogar um durchschnittlich 36 Prozent!

Um welche Senolytika handelt es sich hier? 2015 hatte das KIRKLAND-Forscherteam die ersten Wirkstofftypen identifiziert: Dasatinib, ein zugelassenes Chemotherapeutikum für die Behandlung von Leukämie, in Kombination mit dem uns bereits bekannten Nahrungsergänzungsmittel Quercetin (siehe >), das unter anderem in Trauben und grünem Tee vorkommt. Ein Chemotherapeutikum, fragen Sie? Das würde ja niemand freiwillig nehmen, nur um Alterungserscheinungen zu lindern. Und doch: Bereits bei kurzzeitiger Gabe stellten sich deutliche Effekte ein, die Zombiezellen nahmen stark ab.

Darüber hinaus entdeckte DAOHONG ZHOU von der University of Arkansas im Jahr 2016, dass das Krebsmittel Navitoclax etliche seneszente Zellen ausschaltet, auch solche im Gehirn, die im Verdacht stehen, Alzheimer auszulösen.

Sie sehen, es sind starke Medikamente, die auch starke Nebenwirkungen haben können. Doch die Effekte sind frappierend. Im Gegensatz zu der tatsächlichen Therapie bei Krebs, wo die Präparate täglich eingenommen werden müssen, reichte zur Lebensverlängerung der Mäuse glücklicherweise ein- bis zweimal pro Monat!

Die Forscher der Mayo Clinic in Rochester haben auch nachweisen können, dass Diabetes mellitus bei übergewichtigen Mäusen sehr stark nachlässt oder sogar ganz verschwindet, wenn die seneszenten Zellen aus dem Fettgewebe entfernt werden. Offenbar sind Zombiezellen in Fettgeweben auch bei übergewichtigen Menschen für Entzündungen und Insulinresistenz verantwortlich. Die mit Senolytika behandelten Diabetes-Mäuse zeigten darüber hinaus eine deutlich verbesserte Nieren- und Herzfunktion.

Dieselben Forscher der Mayo Clinic konnten zudem zeigen, dass die Entfernung von seneszenten Zellen aus verletzten Knien von Mäusen den Knorpel im Knie nachwachsen lässt – und dabei die Schmerzen senkt. Diese Ergebnisse sind spektakulär, und so wurden bereits die ersten Studien zum Abtöten von Zombiezellen an 14 Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose begonnen – dies ist eine chronisch fortschreitende Lungenvernarbung, die zu Atemnot führt und meist tödlich endet. Im Lungengewebe solcher Patienten wurden in großen Mengen seneszente Zellen nachgewiesen. Nach dreiwöchiger Behandlung mit Dasatinib und Quercetin verbesserte sich die körperliche Fitness der Erkrankten deutlich, wie zum Beispiel die Gehgeschwindigkeit.

Die Hoffnungen sind gigantisch: Es gibt Forschungsprojekte mit Senolytika zur Behandlung von Grauem Star, Diabetes mellitus, Osteoporose, Alzheimer, Herzvergrößerung, Nierenproblemen, Lebererkrankungen, Arteriosklerose und altersbedingtem Muskelverlust.

Es zeichnet sich ab, dass nur wenige Behandlungen nötig sein würden, zum Beispiel nur einmal pro Monat oder vielleicht sogar nur einmal pro Jahr, denn Senolytika weisen den sogenannten »Hit-and-Run-Effekt« auf. Das heißt, sie zeigen schnell und nachhaltig Wirkung. Diese »überfallartige« Verabreichung würde Nebenwirkungen im Rahmen halten. Obwohl also, wie wir gehört hatten, seneszente Zellen junges Gewebe »anstecken« und ebenfalls altern lassen, ist es offenbar nicht nötig, sämtliche seneszente Zellen auszuschalten, um ihrer zerstörerischen Wirkung Herr zu werden. Die Forscher am Unity Biotechnology Labor planen direkte Injektionen in die betroffenen Gewebe, wie zum Beispiel in das Kniegelenk oder bei Patienten mit Makuladegeneration (Erkrankungen der Netzhaut) in den Glaskörper des Auges.

Wichtig ist auch, dass Senolytika nur bereits vorhandene Zombies beseitigen. Neu entstehende, die für die Krebsabwehr so wichtig sind, werden nicht beeinträchtigt. Doch leider ist der Weg zum breiten Einsatz von Senolytika ein steiniger. Denn im Laufe ihrer intensiven Erforschung hat sich gezeigt, dass Zombiezellen Individualisten sind. Insassen verschiedener Gewebe haben verschiedene Strategien entwickelt, dem programmierten Zelltod zu entgehen. Sie produzieren unterschiedliche Zytokine, unterschiedliche Proteine und sind damit für die Wissenschaftler geradezu Chamäleons. Haben sie Marker, also Erkennungsmerkmale für Untote im Fettgewebe gefunden, lassen sich Zombies im Nervengewebe zum Beispiel damit gar nicht markieren.

Das hat zur Konsequenz, dass es zum einen vieler verschiedener Erkennungsmethoden bedarf, um Zombies zuverlässig zu identifizieren. Und – das macht es noch aufwendiger – es braucht es auch verschiedene, exakt angepasste Senolytika, für jeden Zombietyp ein anderes. Nach Prof. CAMPISI gibt es daher nicht den einen Marker, der die Zombiezellen entlarvt und damit zum Abschuss freigibt. Es sind derer viele. Die Zombies in uns sind leider sehr, sehr clever. Es wird also darauf hinauslaufen, Wirkstoffkombinationen zu entwickeln, die in der Lage sind, viele Zombietypen auszulöschen, aber wahrscheinlich nicht alle. Bei Unity Biotechnology legt man gerade einen großen Atlas an, in dem die Forscher dokumentieren, welche seneszenten Zellen welche Erkrankungen auslösen, welche Schwachstellen sie haben, und mit welchem Medikament man sie abtöten kann. Hier geht man also davon aus, dass es nicht die eine Wirkstoffkombination gegen Zombiezellen geben wird, sondern viele verschiedene, die auf unterschiedliche altersbedingte Ausfallerscheinungen spezialisiert sind. Derzeit gehen die Meinungen, wann denn einigermaßen verträgliche und vor allem wirksame Senolytika auf den Markt kommen werden, noch weit auseinander. So sagt LEONARD HAYFLICK (Sie wissen schon, der die begrenzte Zellteilungsfähigkeit entdeckt hat), dass man noch nichts kennen würde, das nachweislich einen Einfluss auf das Altern habe.

Dagegen ist der Direktor des Institute for Aging Research am Albert Einstein College of Medicine in New York, NIR BARZILAI, der Meinung, dass Senolytika schon bald als Medikamente auf den Markt kommen und bei älteren Menschen vielversprechende Wirkungen zeigen könnten. Falls Sie da ein bisschen ungeduldig sein sollten und sich fragen, ob sich nicht doch irgendetwas anderes, ganz Praktisches tun ließe, um Zombiezellen den Garaus zu machen, dann sei Ihnen eine besondere Studie der Mayo Clinic ans Herz gelegt: Die Forscher konnten nachweisen, dass regelmäßige Bewegung die Ansammlung von seneszenten Zellen im Fettgewebe von Mäusen verhindert. Und das völlig nebenwirkungsfrei! Also los!

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