Читать книгу Spur der Vergangenheit - N.K. Wulf - Страница 5

Drei

Оглавление

Dienstag, 01. Mai, 16 Uhr 24

„Ein Cappuccino mit extra viel Sahne für die Dame.“

In seiner unnachahmlich charmanten Art servierte Tom das Heißgetränk und lächelte verlegen. Normalerweise hatte er mit dem weiblichen Geschlecht keinerlei Probleme. Er kam im Allgemeinen gut bei ihnen an. Was nicht zuletzt ein Grund dafür war, dass sein Chef immer wieder ein Auge bei ihm zudrückte. Aber bei diesem engelsgleichen Wesen schien er auf Granit zu beißen.

In regelmäßigen Abständen tauchte sie auf, setzte sich, wenn möglich, immer an den gleichen Tisch, trank etwas und verschwand wieder, ohne großes Aufsehen zu erregen. Ihm war sie allerdings ganz und gar nicht entgangen. Das Dumme war nur, dass er für sie leider nur aus Luft zu bestehen schien. Tom räusperte sich und sie schlug die Augen auf und musterte ihn kritisch.

„Ich habe noch gar nicht bestellt.“

„Ich kann mir die Bestellungen unserer Stammgäste ziemlich gut merken.“ Tom legte die Hände übereinander und neigte den Kopf. „Du bist mir hier schon öfter aufgefallen.“

Ihre Haltung hatte sich kaum verändert und sie beäugte ihn immer noch skeptisch. Schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Ist ein netter Laden. Ideal zum Nachdenken.“

„Und worüber zerbricht sich eine so schöne Frau wie du den Kopf?“

Sie stieß den Atem aus. „Was bin ich für den Cappuccino schuldig?“

Na wunderbar, Herr Jäger. Verkackt auf ganzer Linie.“ „Entschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein.“ Unsicher umklammerte er sein Tablett. „Ich dachte einfach nur ...“

„Du kannst also auch denken?“ Jetzt war sie es, die ihn anlächelte.

„Na ja. Mein Mundwerk arbeitet oft schneller, als gut für mich ist. Also sorry noch mal.“

„Schon in Ordnung.“ Sie griff in ihre Tasche und zog ein braunes Lederetui hervor. Tom winkte ab. „Geht aufs Haus. Quasi als kleine Wiedergutmachung.“

„Nun, dann vielen Dank.“ Eigentlich hätte sie liebend gern auf eine weitere Unterhaltung verzichtet, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach so stehen zu lassen. „Hör mal, ich will jetzt nicht unhöflich sein, aber wahrscheinlich bin ich im Augenblick mit Abstand der schlechteste Gesprächspartner, den du dir vorstellen kannst. Vielleicht probierst du es bei den Mädels da drüben, okay?“ Sie verzog noch einmal ihre Mundwinkel und Tom hatte verstanden.

„Vielleicht beim nächsten Mal.“ „Gott, du bist so ein Hornochse.

Enttäuscht über den Verlauf seines Auftrittes wandte er sich ab und ging schnurstracks zurück zum Tresen. Lisa, eine Kollegin, trocknete gerade ein Glas ab und begegnete seinem geknickten Blick.

„Ist wohl nicht so gut gelaufen?“

Tom lehnte mit dem Rücken an der Bar und konnte seine Augen nach wie vor nicht von ihr lassen. „Die Frau ist wie ein Eisklotz.“

„Nee, mein Lieber, ganz und gar nicht. Chris ist in Ordnung. Sie hat nur eine Menge durchgemacht.“

„Chris …“, flüsterte er, drehte sich um und stützte sein Kinn auf den Ellbogen ab. „Wie kommt es, dass du sie kennst und ich nichts davon weiß?“ In seiner Stimme schwang Hoffnung mit.

„Weil du nie gefragt hast. Wir kennen uns aus der Schule. Ich war in der Parallelklasse. Wir hatten also nicht so wahnsinnig viel miteinander zu tun.“

„Erzähl mir von ihr.“

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Nach der Schule hab ich sie komplett aus den Augen verloren. Irgendwann kam sie mit ihrem Verlobten hier ins Café. Wir haben uns ein bisschen unterhalten und sie sagte mir, dass sie bald heiraten wollte. Ich kannte Tobias. Er war auch auf unserer Schule. Die beiden passten wirklich gut zueinander.“

Tom richtete sich auf. „Ich habe sie nie mit einem Mann zusammen gesehen.“

Lisas Miene wirkte angespannt.

„Was ist passiert?“

„Kurz danach ist Tobias bei einem Unfall gestorben. Chris hat sich davon nie richtig erholt. Deshalb glaube ich, es wäre besser, wenn du sie dir aus dem Kopf schlägst. Im Übrigen hast du ganz andere Probleme.“

„Die da wären?“

„Du sollst ins Büro kommen. Phil will dich sprechen. Er hat mitbekommen, dass du gestern schon wieder zu spät zur Schicht erschienen bist.“

„Na toll. Das hat mir wirklich noch gefehlt.“

„Wieder Probleme mit Hetti?“

Er blieb ihr die Antwort schuldig, aber Lisa verstand auch so. „Oh, Mann. Tom, bitte. Wie lange soll das noch so weitergehen? Du verlierst noch deinen Job. Und was willst du dann machen?“

„Bitte, Lisa, du nicht auch noch. Mit dem Thema habe ich mich bereits gestern ausgiebig auseinandersetzen müssen. Mir brummt heute noch der Schädel.“

„Ich wollte dich nicht bevormunden. Dir damit einfach nur sagen … wenn du was brauchst, ich helfe dir gern aus. Wir alle. Das weißt du.“

„Das ist lieb von dir, Lisa. Danke, aber ich komm schon klar.“ „ Irgendwie …“ „Also los. Dann werd ich mich mal in die Höhle des Löwen stürzen.“

„Warte. Ich verschaff dir noch 'ne kurze Verschnaufpause. Er ist wirklich schlecht gelaunt und vielleicht haben wir ja Glück, dass sich das bis Feierabend noch legt. Sein Lieblingscocktail wird dabei bestimmt helfen.“ Sie zwinkerte ihm mit einem Auge zu. „Ich sag Phil einfach, dass hier vorne der Bär tobt und ich auf dich nicht verzichten kann.“

„Du bist einfach die Beste!“

„Ich weiß. Und nun verschwinde. Ich brauche Limetten aus dem Lager, sonst wird das nichts mit dem Cocktail.“

„Schon unterwegs.“ Tom fühlte sich zwar etwas besser, aber er bekam die Geschichte um Chris einfach nicht mehr aus dem Kopf. Kein Wunder, dass sie so barsch auf seine plumpe Anmache reagiert hatte. Er versprach sich, es beim nächsten Aufeinandertreffen behutsamer angehen zu lassen, und eilte die Treppe hinunter zu dem Lagerraum. Die Kiste mit den Limetten befand sich im hinteren Bereich, also schaltete er das Licht ein.

Plötzlich irritierte ihn etwas. Stimmen. Von zwei Männern, um genau zu sein. Sie unterhielten sich leise, aber angeregt. „Wahrscheinlich nur unser Falk ... hat es wohl mit der Pause mal wieder nicht so genau genommen.“ Er zuckte mit den Schultern. Falk hatte ihm so oft den Arsch und damit seinen Job gerettet, dass es ihm egal war, wie lange er seine Pausenzeiten überzog.

Tom suchte weiter nach den Limetten und streifte dabei etwas unachtsam eine weitere Kiste mit Orangen. Mit einem lauten Knall ging diese zu Boden.

„Scheiße“, fluchte er und machte sich sogleich daran, die zum Teil weit verstreuten Früchte wieder einzusammeln. Durch den Krach aufgeschreckt verstummten die Stimmen und Falk platzte wenige Sekunden später in den Lagerraum, gefolgt von einem Unbekannten.

„Was ist denn hier los? Was machst du hier?“

„Lisa braucht Limetten. Und ich Tollpatsch hab die Kiste hier übersehen und umgeworfen. Und was macht ihr hier?“ Er verengte die Augen und betrachtete den Unbekannten. „Wer ist das?“

„Ein Freund von mir. Erik, das ist Tom. Tom ... Erik.“

„Nett, dich kennenzulernen, Tom.“ Seine tiefblauen Augen bedachten ihn mit einem abschätzenden Blick.

„Gleichfalls.“ Der Typ bereitete Tom irgendwie Unbehagen und plötzlich hatte er das Verlangen, diesen Raum schnellstmöglich zu verlassen. Er legte die letzte Orange zurück an ihren Platz und wandte sich um.

„Ah, da sind sie ja. Ich muss wieder hoch. Lisa wartet. Und keine Sorge. Ich hab euch nie gesehen. Ich weiß ja, was Phil dazu sagt. Nicht während der Arbeitszeit … bla ... bla ... bla.“ Er nickte Erik kurz zu. „Man sieht sich.“ Mit schnellen Schritten hastete er davon und nahm dabei gleich zwei Stufen auf einmal. Falk blickte ihm hinterher.

„Hat er etwas mitbekommen?“

„Keine Bange. Der ist harmlos. Tut keiner Fliege etwas zuleide.“

„Und trotzdem könnte er uns belauscht haben.“ Erik beäugte Falk misstrauisch.

„Lass ihn zufrieden. Ich kümmere mich darum.“

„Wie du meinst.“

Spur der Vergangenheit

Подняться наверх