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Kapitel 2 Eine kanadische Frage

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In „A Practical Guide to Integral Yoga“ steht: „Die physische Nähe zur Mutter ist für die Vollständigkeit der Sadhana auf der körperlichen Ebene unverzichtbar. Die Transformation des physischen und äußeren Wesens ist sonst nicht möglich.“ (Sri Aurobindo)

Meine Frage ist: Wie sollen wir diese Worte im Hinblick auf das kürzliche Hinscheiden der Mutter interpretieren? Bedeutet dies, dass eine vollständige Transformation für den Aspiranten nicht mehr möglich ist? Oder hat auf dem Pfade des Integralen Yoga die Schülerschaft auf der materiellen Ebene ein Ende gefunden?

Offensichtlich ist das unmittelbare Programm einer physischen Transformation verschoben – nicht aufgegeben. Aber was wir erhielten, ist nichts weniger als ein Wunder. Mutter hat für uns in der inneren Welt, im Feinstofflichen, ihren neuen Körper vorbereitet, der genau so lebendig und erfahrbar ist wie ihr physischer Körper, obschon nicht auf die gleiche konkrete Weise. In einer ihrer letzten „Notes on the Way“ bezieht sie sich auf diesen neuen transformierten Körper und beschreibt ihn, wie er sich in ihrer Schau dargestellt hat. Jenen Körper hat sie in langer mühsamer Arbeit geschaffen, ihm eine vollständige Gestalt gegeben und ihn uns und der Menschheit hinterlassen.

Sie versuchte, ihrem neuen Körper, den sie hinter dem materiellen Schleier vorbereitet hatte, eine stoffliche Gestalt zu geben und ihn sogar in dieses neue Element hinein zu pressen oder zu zwingen. Aber die Materie oder die physische Natur des Menschen waren noch nicht bereit: die Erde empfand es noch immer als ein Eindringen, als etwas Fremdes. Infolgedessen brach die materielle Hülle zusammen, – sie brach vielleicht nicht zusammen, sondern brach durch. Aber das muss eine andere Geschichte sein.

Aber ihr neuer Körper ist da, lebendig und wunderbar in seiner Schönheit und Kraft, er arbeitet immer noch unaufhörlich in uns und der umgebenden Welt auf die letztliche Vollendung seiner materiellen Verkörperung hin. Von uns wird erwartet, diese goldene Mutter in uns zu sehen und zu versuchen, innerlich und äußerlich ihre goldenen Kinder zu werden, so wie sie es immer gewünscht hat.

Sri Aurobindo spricht von einem inneren Mental, inneren Vital und inneren Physischen. Gerade neulich wurde während der Playground-Meditation die Passage vorgelesen. Der goldene Körper, der neue Körper ist aus einem inneren Mental, inneren Vital und inneren Physischen gebildet und erneuert und umgeformt worden. Wir können unsere Liebe zu ihr, unsere Verpflichtungen ihrer Gnade gegenüber erfüllen, indem wir ihre Gegenwart in unser physisches Wesen hineinlassen und ihr erlauben, das Werk zu tun, das sie begonnen hat.

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Für uns ist es jetzt Zeit, die Fehler der Vergangenheit wieder gutzumachen, – es gab Fehler, tatsächlich, schlimme Fehler. Solange ihre physische Anwesenheit unser Schutz war, mussten wir nicht unter den vollen Konsequenzen unseres Karma leiden, denn sie wirkte wie ein Puffer: Sie zerstörte die Kraft des karmischen Einflusses und reduzierte seine bösen Auswirkungen auf ein Minimum. Ihr Körper trug unsere Last und befreite uns von dem Leid, das uns sonst erwartet hätte. Die Menschheit, sogar die Welt weiß nichts von der rettenden Gnade, die ihr stofflicher Leib ihr gebracht hat. Sie wäre zerstört worden und ohne die körperliche Anwesenheit des Göttlichen dem Verfall preisgegeben gewesen.

Die Welt hat überlebt, die Menschheit hat eine gesicherte Zukunft, – dies ist das von ihrer physischen Anwesenheit vollbrachte Werk. Sie erstrebte ein wenig mehr, um uns etwas von der konkreten Gestalt der Zukunft zu zeigen, aber offensichtlich sollte das nicht sein, denn es war auch etwas von uns, von der Welt und Menschheit notwendig, eine Hand, die bei der Arbeit half. Wir erinnern uns an ihre eindringlichen Worte: „Si seulement l’humanité consentait à être spiritualisée“ („Wenn nur die Menschheit der Spiritualisierung zustimmen würde“). Nun, das war das Mindeste; dieses Minimum wurde ihr auch nicht gewährt. Sie war für alle ohne große Umstände und Mühe so leicht erreichbar, dass wir jeden Sinn für die Kostbarkeit, die direkt zu uns kam, verloren haben. Wir vermochten sie nicht wahrhaftig zu schätzen und den besten Nutzen aus ihr zu ziehen. Oft hat sie bedauernd etwas in diesem Sinne zu uns gesagt; wir vergeudeten einen Schatz wie der verschwenderische, verhätschelte Sohn.

Es ist bedauerlich, aber sie hat uns keinen Grund für Bedauern hinterlassen. Sie hat uns die wahre Quelle ihrer schützenden Kraft, ihr lebendiges Bewusstsein hinterlassen, konkret in der Erdatmosphäre, in der persönlichen Atmosphäre eines jeden von uns. Wir brauchen nur dankbar unsere Augen zu öffnen, um sie zu sehen. Die Leiter ist weggenommen worden, aber sie ist uns näher gekommen und eine kleine Bemühung wird uns wieder in ihre Arme heben.

Weil es nicht länger die Unterstützung ihrer körperlichen Anwesenheit gibt, von der wir fast vollständig getragen wurden, und die wir unachtsam nicht genug wertschätzten, sind wir darauf angewiesen, den wahren Halt, die Unterstützung ihres Bewusstseins, ihre innere Gegenwart, ihre lebendige Person, – die innere Realität, die ihr Körper repräsentierte, – tief in uns selbst zu suchen. Nun sind wir auf die einzige vorhandene Alternative zurückgeworfen. Der Weg wird schwierig sein, wir hätten die Bewusstseinsleiter viel einfacher mit ihrer hilfreichen physischen Anwesenheit erklimmen können, fast spielerisch wie Kinder. Nun ist auf unserer Seite ein bisschen Anstrengung notwendig; die Bemühung ist nötig, um unser äußeres Leben und physisches Bewusstsein mit ihrem Bewusstsein in Einklang zu bringen und bereit zu machen. Ihr stofflicher Körper bot bedingungslose Hilfe und Schutz; nun wird das alles an Bedingungen geknüpft sein – Bedingungen wie unsere bereite Kooperation, unsere frohe und bewusste Zusammenarbeit. Natürlich wird die Gnade immer da sein. Einmal hat sie uns geradeheraus gefragt, denn wir befanden uns in einer Krise: „Seid ihr bereit?“ Fast gedankenlos, mit einer Geste der Prahlerei und des Edelmuts antworteten viele: „Ja, wir sind es.“ Aber tatsächlich waren wir es nicht.

Unsere Aufgabe und die der Welt ist es also, uns bereit zu machen, das heißt, unser physisches Wesen und Bewusstsein von den alten Reaktionen zu befreien, ihnen das Bewusstsein, das sie repräsentiert und mit dem sie uns immer noch umarmt, einzuflößen, damit wir, wenn der nächste Ruf kommt, obschon der Ruf immer da ist, wahrhaftig sagen können: „Wir sind bereit.“

Veröffentlicht im April 1974

Die Mutter bleibt

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