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Gestrandet in Archangelos: jenseits von Zeit und Raum

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Der Versuch, sich zurückzulehnen, konnte nicht erfolgreich sein.

Seit diese Rucksäcke im Straßenbild üblich sind, sei es leichter. Denn wenn man sie so zusammenfalte wie diese modernen Regenschirme, passten sie angenehm hinein. Das sei schon eine große Erleichterung.

Natürlich störte der vermeintliche Rucksack. Wie auch sollte man damit bequem sitzen können?

»Verzeihen Sie meine Direktheit. Wie darf ich Sie anreden - Herr ... Frau ...?«

Das sei belanglos. Wenn man sie nach vorn vor die Brust nehme, wie Fledermäuse es zum Schlaf tun, ergebe es unter dem Gewand eine weiblich anmutende Form. Das sei wohl der Grund für die häufige Darstellung als weibliches Wesen. Werden sie offen getragen und nicht durch Kleider oder lange Tücher verhüllt, gebe es wohl eher einen männlichen Eindruck.

»Aber es ist schon ein wenig unpraktisch im täglichen Leben?«

Früher war vieles einfacher. Da habe es noch Glöckner gegeben, was ihnen sehr entgegengekommen sei. Dort auf den Türmen war man ungestört und es wurden auch Gestalten mit ungewöhnlichen Äußerlichkeiten geduldet. Im Frankenreich bei Parisii habe es einmal einen sehr bekannten Vertreter ihrer Gattung gegeben. Und außerdem sei der Aufenthalt hoch oben über der Welt der eigenen Natur näher. Heute gebe es solche Möglichkeiten nicht mehr, sogar die Leuchtturmwärter würden immer weniger.

»Aber wenn man als Götterbote unterwegs ist, verfügt man doch über beste Verbindungen?«

Das mit den Boten sei schon richtig. In früheren Zeiten wurden Dienste zum Überbringen von Nachrichten und zum Transport von Kleingut gern angeboten und auch reichlich genutzt. Und aus dem großen Überblick, den man nun mal habe, aus ihrer Perspektive, könne man eben viele Dinge sehen, die die Menschen damals nicht überschauen konnten. Das war wohl als göttliche Eigenschaft erschienen, die es aber nie gegeben habe. Botendienste seien schon länger nicht mehr gefragt.

»Schon eigenartig, dass ich von Ihrer realen Existenz bislang nicht erfahren habe.«

Man habe zuletzt einmal etwas längeren Kontakt gehabt mit einem Dänen. Der habe aber vieles falsch verstanden. Das sei fast immer so gewesen. Denn die Menschen würden die ihnen fremde Dinge allzu schnell dem Religiösen oder Phantastischen zuordnen. Ob ihm schon mal aufgefallen sei, dass das Faravahar und das Signet der KPEV im Umriss ähnlich sind, obwohl die Dinge nichts miteinander zu tun hätten und zudem Jahrtausende auseinander lägen?

»Das sagt mir gar nichts. Faravahar? KPEV? Wie auch immer: Heute gibt es so schräge Modeeinfälle, da würde es nicht auffallen, wenn Sie sie offen tragen!«

Sie seien halt empfindlich. Werden sie nass, brauche es lange Zeit, sie zu trocknen. Deshalb halte man sie lieber bedeckt. Und im täglichen Umgang wären sie recht sperrig. Wenn man mit ihnen anstoße, schmerze es sehr. Deshalb würden sie lieber unter der Kleidung getragen. Manchmal könnten sie schon gezeigt werden, etwa bei jenen kultischen Ereignissen, wenn die Menschen bei Lärm und nach Einflößung von leichten Giften wild herumsprängen.

»Sagen Sie - wo leben Sie eigentlich? Und wovon? Und wie leben Sie? Was machen Sie den ganzen Tag? Ich kann mir das gar nicht vorstellen.«

Leben, das sei doch abhängig von den Dimensionen Zeit und Raum. Selbst bewege man sich in der Zeit wie die Menschen in dem ihnen gewährten Raum. Das Dasein - ihr Dasein - habe auch eine Dimension, die mit 'Leben' bezeichnet werden könne, diese habe aber keine Bedeutung. Die Frage, wovon man lebe, sei mithin abwegig. Die bei den Menschen gängige Maßeinheit 'Tag' empfände man als außerordentlich willkürlich, sie verändere sich ohnehin fortwährend. Ob er Michael gesehen habe. Für die Verabredung habe man sich den Strand von Archangelos ausgesucht. Das sei doch ein passender Ort, nicht wahr?

Er legte die Feder als Lesezeichen in das Buch. Auf einer Serviette malte er die Umrisse der Insel. Grob markierte er die Lage von Rhodos, Lindos, Tsambika, Archangelos und anderer Orte. »Dort in Archangelos«, und er unterstrich den Ortsnamen, »hat es seit Menschengedenken keinen Strand gegeben...«

Ein Hauch ließ ihn aufblicken. Über den Hügeln verschwand ein Punkt am Himmel.

Beim Aufblättern des Buches wäre die Feder beinahe hinausgeweht. 'Menschengedenken' ist gewiss auch kein besseres Maß für die Zeit als 'Tag', hätte jetzt wohl das ungewöhnliche Gegenüber gesagt. Und morgen, auf der Heimreise, wird er bestimmt wieder in Höhe der Flügel sitzen müssen und mal wieder wird er nichts sehen können.

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