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Die Wunderpille

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Nach Jahren der Forschung in aller Stille

erschien Kadabra, die Wunderpille.

Der Vorstandschef hat zur Presse gesprochen:

Eine neue Zeit sei angebrochen.

Schmerzfreies Wohlsein für jedermann,

das sei es, was die Pille kann.

Kadabra, weil polivalent fokussiert,

viele Leiden auf einmal kuriert:

Darmträgheit und Haarausfall,

Gedächtnisschwund und Hustenqual,

steifes Knie und Knickplattfuß,

Völlegefühl und Bluterguss.

Auf Fragen musste der Vorstand erklären:

Todkrankheit sei nicht abzuwehren.

Unsterblichkeit sei noch nicht in Sicht,

und die Packungsbeilage verspreche das nicht.

Doch Kadabra führe den Zustand heran,

den man als Wohlnis bezeichnen kann.

Die Werbung kam sehr rasch in Fahrt;

an Geldern wurde nicht gespart,

im Fernsehen Werbezeit gebucht.

Für die Spots wurden neue Models gesucht.

Die Models mussten vor allen Dingen

die Vielfalt der Heilung rüberbringen:

Dass Haarausfall und Darmträgheit

verschwinden fast zur gleichen Zeit

mit Knickplattfuß und andren Malaisen, –

und durften das Lächeln nicht vergessen.

Ein Menschheitstraum sei nun erfüllt,

eine uralte Sehnsucht endlich gestillt.

Die Werbung bewegte das Fernsehvolk tief.

Die Nacht nach der Sendung niemand schlief.

Die Zuschauer rannten am nächsten Morgen,

um sich Kadabra zu besorgen.

Die Umsätze stiegen und der Gewinn,

der Aktienkurs auch; die Konkurrenz war hin.

Doch wollte die Konkurrenz nicht ruh’n.

Sie musste was gegen Kadabra tun.

Von Nebenwirkungen bekam sie Wind,

die mit Kadabra verbunden sind.

Wenn einer ohne Haarausfall

Darmträgheit bekämpft, wird er oben kahl.

Ein fleißiger Darm wird rasch gedämpft,

wenn einer nur steifes Knie bekämpft.

Denn Kadabra will alle Übel besiegen,

und wem eins fehlt, soll’s erst mal kriegen.

Ein Sprecher erklärte die Sache genau:

Dies sei »präventiver Symptomaufbau«.

Das nun war leider des Fortschritts Feind.

Die Pille wurde daher redesigned.

Pro Kubiknanometer 2 Teilchen mehr

verbesserten die Wirkung sehr.

Nur vorhandene Leiden wurden nun geheilt,

für Altfälle Schmerzensgeld verteilt.

Doch bald ein neues Übel begann:

Die Pille griff nun den Ohrknorpel an.

Kadabra machte die Ohrmuscheln schlapp;

die hingen dann ziemlich traurig herab.

Ein Wutschrei ging durchs ganze Land.

US-Anwälte kamen gerannt.

Die forderten für der Patienten Schar

10 Milliarden Euro in bar.

Die Firma ging pleite, der Vorstandschef fort

mit 10 Millionen Abfindung an Bord.

Da wurden den Anwälten die Ohren schlapp

und hingen – ganz ohne Kadabra – herab.

Was soll man da sagen, was lehrt die Geschicht’?

Die richtige Pille gibt es noch nicht.

Der Mond der Dichter

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