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Ein gefährliches Spiel, 1964

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Wir (jetzt schon größeren) Knirpse aus der Hausgemeinschaft – Hubert und Norbert – hatten in Ermangelung unserer gemeinsamen Freundin Kirsten (sie war krank) einen Jungen aus der Nachbarschaft eingeladen (Hansi), einige Spielereien zu treiben. Uwe wollte auch mitkommen, aber wir beschlossen einmal wieder, dass er noch zu jung sei für solche Dinge: sein Theater, das er dabei aufführte, war schon fast filmreif, denn schon kurz danach widmete er sich seinen eigenen Interessen; wie ein Schauspieler, der gerade eine Szene geprobt hat.

Für dieses neue Spiel hatten wir uns ein brach liegendes Gelände ausgesucht, das zwischen zwei kleinen Fabriken auf dem Mannheimer Waldhof lag; diese Firmen machten den gleichen Eindruck wie dieses Areal: ungepflegt, ziemlich heruntergekommen, vernachlässigt; die alten, verschmutzen, höchstens dreistöckigen Backsteinfassaden wiesen größtenteils blinde Fenster auf, die zum Teil Sprünge hatten, um die sich niemand scherte. Um beide Fabrikchen waren Backsteinmauern gezogen, die mit ihrer Ödnis diesen etwa ein Hektar großen Flecken Wildnis umschlossen: Nur wenn man den Riss im hohen Maschendrahtzaun kannte, der recht versteckt in einem mächtigen Gebüsch lag und diese kleine Wildnis nur auf dieser Seite nicht durch Mauern trennte, konnte man auf dieses Gelände eindringen.

Keine Frage, dass wir Lausbuben diesen Eingang schon lange entdeckt hatten!

Um diese Jahresszeit, es muss im Oktober gewesen sein, wurde die Erde von fast trockenem, kniehohen Gras und Unkraut bedeckt, einige kleine Büsche lockerten die Eintönigkeit etwas auf; zwischendurch fanden sich auch fast völlig unbewachsene Sand- und Kiesflächen und oft auch eine Menge zerbrochener Backsteine, an denen noch der Mörtel haftete.

Richtig: Eintönigkeit! Und trotzdem konnten abenteuerlustige Jungs hier ihrem Drang nachgehen, unbekanntes Gebiet zu erforschen, vielleicht bisher Unentdecktes an ihr persönliches Tageslicht zu befördern und dies als ihr ganz eigenes kleines Geheimnis zu bewahren!

Und schließlich bestand natürlich der unbeschreibliche Reiz des Verbotenen: Eine solche Umzäunung war selbst in unserem Alter schon als deutlicher Hinweis erkennbar, dass Lausebengels oder sonstige Menschen hier nicht erwünscht waren. Aber eine Lücke im Zaun – war das nicht geradezu eine Aufforderung, sich in fremdes Land zu schleichen?

Die vielleicht 30 alten Matratzen, die an einer Stelle herumlagen und von denen nur noch das Gerippe – also die Sprungfedern – übrig waren, hatten uns schon oft viel Spaß bereitet: Dass wir dabei ab und zu beim Herumtoben irgendwie mit Händen oder Füßen stecken blieben, gehörte einfach dazu; und auch, dass wir Schrammen davontrugen. Kirsten hatte sich dabei sogar einmal den Knöchel heftig verstaucht, als sie zu tief in dieses Gestrüpp von Sprungfedern rutschte und kaum noch heraus kam!

Diesmal hatten wir schon nach kurzer Zeit keine Lust mehr, dieses kostenlose Trampolin bis zum Exzess auszunutzen; wir begannen ein Spiel, das zu dieser Zeit unter Jungs große Beachtung fand, sofern man ein Taschenmesser (oder überhaupt ein Messer, auch wenn es nur aus Mutters Küche stammte) und ein Stück Erdboden zur Verfügung hatte. Den Namen des Spiels weiß ich nicht mehr, aber es ging ungefähr so:

(Anm. des Autors: Wer jetzt meint, dass sich das unvermeidbare Ungeschick auf die Messer bezieht, irrt gewaltig! Ätsch!)

Also: Man suchte sich ein Stück Land, nicht größer als zwei mal zwei Meter.

Innerhalb dieser Grenze durfte man sein Messer zweimal werfen und damit ein Areal abstecken, das in den Besitz des Werfers überging und an beiden Wurfpunkten durch eine in den Boden gezogenen Linie markiert wurde; ein Ende konnte dabei die Randbegrenzung sein und auch eine Linie des 'Gegners'.

Somit konnte man durch geschicktes Taktieren und Werfen seinen Landbesitz vergrößern und sogar das Land des Gegners so verkleinern, dass nur ein winziges Stück übrig blieb! Wer bei einem solchen Spiel letztendlich gewann, überlasse ich Ihrer Fantasie; es ist aber nicht schwer.

An diesem Nachmittag erfanden wir eine neue Variante, weil alles, was sich zu oft wiederholte, einfach langweilig wurde.

Das jeweilige Stückchen Land, das man gerade einem Gegner abgenommen hatte, sollte nicht nur durch kleine Gräben im Boden markiert werden, sondern durch Abbrennen des an unserer Stelle nur ein paar Zentimeter hohen Bewuchses des ‚eingenommenen’ Landes. Streichhölzer hatte immer jemand dabei; es hätte immerhin sein können, dass wir an unserer Lieblingsstelle am Altrheinufer Lust auf ein Lagerfeuerchen bekommen würden – im Keller unseres Mehrfamilienhauses war das ja offensichtlich verboten, wie eine vorangegangene Geschichte zeigt; unsere pyromanische Ader war uns aber erhalten geblieben.

Nun, jetzt recht kurz, aber schmerzlich:

Das erste Abbrennen von erobertem Land klappte noch: Das kurze, dürre Gras verrauchte einfach.

Der zweite Versuch klappte nicht mehr so ganz: Irgendein Funke sprang über auf die umliegende Gegend, und es kokste nicht nur, sondern brannte ganz sacht. Zuerst, jedenfalls.

Bei unseren Versuchen, die wirklich nur winzig kleinen Brändchen zu zertrampeln, stoben weitere Funken davon…

Nachsatz:

Wir hörten später von unseren Eltern und der Nachbarschaft, dass der „Kina“, wie das Gelände im Volksmund hieß (warum auch immer), fast vollständig abgebrannt war. Das Feuer war nur deshalb nicht gefährlich, weil der Bewuchs auf dem Gelände nicht sehr üppig war und außerdem von den Feuerwehren der beiden kleinen Fabriken recht schnell erstickt werden konnte.

Wir drei Jungs hatten allerdings Blasen an den Füßen davongetragen! Aber nicht wegen des Feuers an sich, sondern weil wir in irrer Panik davon gerannt waren, ans andere Ende des kleinen Ortsteils, um uns dort so harmlos wie möglich zu zeigen.

Dies war uns schon eine Lehre, die heftig in die Knochen ging, Donnerwetter!

Unsere Freundin Kirsten bedauerte später, dass sie nicht hatte dabei sein können… Sehr bezeichnend, oder?

Gezündelt hatten wir später trotzdem noch; aber immer an unserer sicheren Stelle am Altrhein.

Keller und trockene Wiesen und ähnlich unsicheres Gelände mieden wir dagegen fortan; schließlich ist man, gerade in diesem Alter, erstaunlich lernfähig!

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