Читать книгу Raban und Röiven Insel der Elfen - Norbert Wibben - Страница 6

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Rückkehr aus Munegard

Der letzte Abend im Hotel Munegard wird von einem üppigen Abendessen gekrönt. Nach der ausgiebigen Wanderung mit seinem Opa hat Raban großen Appetit. Auch wenn er versucht, bei diesem Buffet nicht zu viel zu essen, will er doch jede der verschiedenen Speisen zumindest probieren. Als er mit Eltern und Großvater den Restaurantbereich verlässt, sind sie derart pappsatt, dass sie noch einen ausgedehnten Spaziergang unternehmen. Sofort schlafen gehen wollen sie nicht, da es einerseits ihr letzter Abend ist, es sich andererseits mit vollem Magen auch nicht gut schläft.

Aus der Meeresbucht ist dichter Nebel heraufgezogen, so dass die blinkenden Sterne der wolkenlosen Sommernacht ihn nicht durchdringen können. Da sie offenbar allein unterwegs sind, erhellt Raban mit »Solus« ihren Weg. So verhindert er, trotz des im Nebel nur milchigen Lichts der heraufbeschworenen Lichtkugel, der Abbruchkante über der Meeresbucht zu nahe zu kommen. Der aufgezogene Dunst deutet auf einen Wetterwechsel hin, der sich schon bald bestätigt. Plötzlich werden die Spaziergänger durch heftige, ablandige Windböen überrascht. Sie unterstützen sich gegenseitig und stemmen sich vornübergebeugt gegen den Wind, der sie Richtung Abbruchkante drückt. Raban ist versucht, sie mit »Portaro« zurück in die Suite zu bringen, als nun heftig einsetzender Regen den Nebel auflöst. Jetzt ist zu erkennen, dass sie sich gegen den Wind behaupten und langsam dem Hotel nähern. Trotz der ungewollten Erfrischung lachen die Vier und kämpfen sich gegen den mittlerweile herrschenden Sturm zum Hotel zurück. Da es inzwischen sehr spät geworden ist, gehen sie erschöpft und zufrieden ins Bett.

Das umfangreiche Essen zeigt jedoch Nachwirkungen. Es liegt noch schwer im Magen. In der Nacht träumt Raban, dass Ilea von Duncan entführt wird, um sich die Unterstützung des Jungen im Kampf gegen Kenneth zu erpressen. Plötzlich erscheint Aedan. Der Feuervogel fährt mit schrillen Schreien und ausgestreckten Krallen auf den Darkwing nieder. In Rabans Kopf entsteht eine Frage: Duncan wurde doch von Röiven getötet, oder etwa nicht? Ist das jetzt ein Traum oder eine hellgesehene Sequenz? Der Junge wälzt sich unruhig in seinem Bett und erwacht. Er setzt sich erschrocken auf. Sein Herz pocht schnell. Bewusst langsam ein- und ausatmend beruhigt sich Raban wieder. Er weiß, Duncan wurde in der Residenzstadt auf Eilean na sìthichean, der Insel der Elfen, durch einen Blitz Röivens getötet. Der Junge legt sich erneut hin und zieht die Bettdecke über seine Schultern. Obwohl es Sommer und warm im Zimmer ist, fröstelt es ihn. Er verspürt das Bedürfnis nach mehr Wärme.

»Was ist, wenn das Abenteuer vom letzten Herbst, in dem ich den Fairwing Kenneth kennenlernte, noch nicht beendet ist? Kenneth folgte dem Darkwing Duncan auf dessen Gedankenspur. Duncan war nicht nur ein böser Zauberer, sondern auch ein Gestaltwandler, der zur Unterstützung gefährliche Raubtiere herbeizauberte. Gut, dass der Halbelfe Kenneth auch ein Gestaltwandler ist und seinen Feuervogel heraufbeschwören konnte, so dass sie die letzte Auseinandersetzung mit dem bösen Zauberer doch noch gewinnen konnten.« Mit diesen Gedanken schlummert Raban ein, ohne erneut zu träumen.

Am kommenden Morgen genießen Ciana, Brendan, Finnegan und Raban das üppige Frühstücksbuffet. Sie müssen ihre Suite erst gegen elf Uhr verlassen und haben somit keine Eile.

»Ich werde das hier vermissen«, äußert sich Rabans Mutter immer wieder. »Deine Überraschung ist eine super Idee gewesen, Brendan!«

»Das finde ich auch«, bedankt sich der Großvater. »Ich habe die Zeit mit euch genossen.«

»Sollen wir das im nächsten Jahr wiederholen?«, fragt Brendan und schaut alle gespannt an.

»Ach, das wäre schon toll«, beginnt Ciana, »aber wir können es uns zu Hause genauso gemütlich machen, wenn alle ihren Teil dazu beitragen.« Während sie das äußert, schaut sie trotzdem wehmütig drein. Sie weiß, dass der Urlaub in einem Hotel doch etwas anderes ist, selbst wenn sie zu Hause tatsächlich von allen unterstützt wird.

»Warten wir mal ab, ob es im nächsten Jahr wieder eine Sonderzahlung gibt, dann werden wir das wiederholen, versprochen!«

»Falls ihr mich wieder mitnehmen möchtet, werde ich meinen Teil der Kosten übernehmen, dann muss die Sonderzahlung nicht ganz so groß sein. Was meint ihr?«

Alle schauen Finnegan an.

»Selbstverständlich nehmen wir dich mit!«, antwortet Brendan.

»Und du sollst von deiner kleinen Rente nichts dazu zahlen. Wir haben dich einfach gerne bei uns«, ergänzt Ciana.

Raban fügt hinzu:

»Ich kann zu der Bezahlung nichts sagen, aber ich habe dich sehr gerne dabei.«

Da sie mit dem Auto zum Hotel gefahren sind, wie fast alle anderen Gäste auch, nutzen sie dieses, um nach Hause zurückzukehren. Raban ist zwar ungeduldig, schnell dorthin zu kommen, doch andererseits sieht er auf der Reise so wesentlich mehr von der Landschaft, als wenn er den magischen Sprung nutzen würde. Er bewundert das gewellte Land und immer wieder spektakuläre Ausblicke in Täler, wenn sie von einem Bergrücken hinunterschauen. Die schmalen Straßen sind oft von Weißdornhecken gesäumt und folgen den Geländegegebenheiten. Hierdurch ergeben sich manchmal beträchtliche Steigungen oder Gefälle. Der Junge hält unwillkürlich den Atem an, wenn ihnen plötzlich ein anderes Auto entgegenkommt. Das passiert natürlich immer an der engsten Stelle und in oder nach einer Kurve, so dass die Aufmerksamkeit seines Vaters stets gefordert ist. Besonders beunruhigend ist es, wenn diese Begegnung auf einer Brücke stattfindet, die ebenfalls schmal ist und zur Mitte hin ansteigt und so das entgegenkommende Fahrzeug verbirgt. Es passiert ihnen trotz dieser engen Straßen kein Unfall, da Brendan, genau wie die anderen Autofahrer auch, sehr defensiv fährt. Am späten Vormittag überqueren sie ein Hochmoor, auf dem Nebelschwaden ihre Sicht zwar behindern, dieses aber gespenstisch und unheimlich wirken lässt. Vereinzelt sehen sie Schafe oder struppige Ponys auftauchen, die hier wild leben. Feinste Wassertröpfchen lassen die Zweige dunkler Ginsterbüsche seltsam glitzern und zaubern kleine, silberne Perlenketten auf Spinnenweben. Sie rasten an einem Bach, der sich etwas abseits von der Autostraße unter einer alten Brücke, die aus riesigen Steinplatten gebildet wird, rauschend weiter schlängelt. Nach Verlassen des Moorgebietes ist der Nebel seltsamerweise verschwunden, so, als ob sie ein verzaubertes Gebiet hinter sich gelassen hätten. Die Sonne lacht nun von einem strahlend blauen Himmel herab.

Es ist Spätnachmittag, als sie zu Hause ankommen. Brendan muss am kommenden Montag, also in vier Tagen, wieder zur Arbeit. Raban möchte am nächsten Tag einen Ausflug mit Ilea unternehmen und auch mindestens eine Woche im geheimen Wald, bei seinem Freund Röiven, verbringen, wenn dieser denn Zeit erübrigen kann. Daher wird Finnegan nicht in sein Haus zurückkehren, sondern Ciana noch einige Zeit Gesellschaft leisten.

Rabans Mom betreut seit Anfang des Jahres, genauer gesagt, seit Ende der Weihnachtsferien, Kinder in der Grundschule. Sie bastelt und spielt mit denen, die nicht nach Hause können, weil ihre Eltern noch arbeiten. Zeitweise hilft sie auch bei den Hausaufgaben, was ihr aber nicht so gut gefällt wie das Spielen. Da jetzt Sommerferien sind, hat sie auch frei und freut sich, dass ihr Vater bleiben wird.

Raban hilft dem Großvater die Sachen nach oben in sein Zimmer zu bringen, das er in seiner Abwesenheit bewohnen kann.

Danach versucht Raban erneut, Kontakt zu seinem Freund zu bekommen.

»Röiven, melde dich! Wo steckst du? RÖIVEN!«

»W… was ist? Brennt es irgendwo?«, knarzt die unerwartete Antwort in seinem Kopf. »Du musst nicht so schreien, ich versteh dich auch, wenn du normal redest!«

»Schön wär’s. Ich versuche seit über einer Woche, dich zu erreichen. Was war denn los?«

»Ach, du warst das? – Nein, das war nur Spaß. Ich habe dich tatsächlich nicht gehört. Ich bin voll im Stress. Kinder aufzuziehen ist wirklich anstrengend. Wenn sie nicht nach Futter schreien, muss ich trotzdem weitersuchen, damit ich auch einen Happen zu schlucken bekomme.«

»Aber das kennst du doch. Ainoa war …«

»Ainoa war viel einfacher großzuziehen. Fünf Schnäbel, die gleichzeitig gefüllt werden wollen, das ist schon erheblich schwerer. Wenn endlich der Abend anbricht, schaffe ich es manchmal nur mit Mühe, mich auf einem Ast festzuhalten, wenn ich dort vor Erschöpfung einnicke.«

»Mittlerweile müssten eure Kinder doch schon fliegen können, da sollte das Füttern doch einfacher sein.«

»Das ist zwar richtig, dafür muss ich meine Augen aber an fünf Stellen gleichzeitig haben. Du kannst dir nicht vorstellen, auf was für Ideen die jungen Fithich kommen. Ich schaffe es kaum, sie vor Unheil zu bewahren.«

»Du hast doch Hilfe, Zoe ist doch sicher nicht untätig. Und könnte Ainoa nicht auch …«

»Die zieht mit einem großen Trupp anderer Fithich durchs Land. Sie kommt uns eher selten besuchen. Es ist auch nicht üblich, dass sich Geschwister aus dem Vorjahr mit um die Aufzucht kümmern. Zoe hilft mir natürlich, aber sie meint, wie schon bei unserer ersten Tochter, dass ich zu vorsichtig bin. Sie ist immer so vertrauensvoll. Aber ich – ich weiß, was alles passieren kann. Wenn ich allein an meine Eltern denke …« Hier bricht der Kolkrabe ab. Der Junge gibt ihm etwas Zeit. Er weiß, dass sein Freund von seiner Großmutter aufgezogen wurde, nachdem die Eltern gestorben waren. Doch dann fragt Raban zögernd:

»Darf ich dich bald besuchen, vielleicht morgen oder übermorgen? Ich würde gerne einen Blick auf deine Kinder werfen. Ich bringe Ilea auch mit.«

»Du willst WAS auf meine Kinder werfen? – Halt, das war sicher wieder nur so ein Ausdruck von euch Menschen, stimmt’s?«

»Jo, jepp! Ich, also wir, möchten sie gerne sehen.«

»Das freut mich und Zoe sicher auch. Ich werde es ihr gleich sagen. Und die Kinder muss ich ermahnen, besonders artig zu sein.«

»Hey, mein Freund. Lass die Kinder sich so geben … ich will sagen, ermahne deine Kinder nicht. Ich möchte sie so sehen, wie sie sind. – Und wann können wir kommen?«

»Also, morgen ist schon gut. Wir treffen uns unter der Linde. Aber kommt nicht zu früh.«

»Ist die Mittagszeit recht? Ich bringe auch Schokolade mit, die du vermutlich dringend zur Stärkung benötigst.«

»Hey, Superidee. Vielleicht solltest du gleich mit dem Aufgang der Sonne erscheinen. Ich bin morgens immer so schwach. Möglicherweise findest du mich sogar unter dem Baum, vor Erschöpfung hinuntergefallen. Krch.«

»Du Angeber. Wir kommen mittags. Bis dahin.«

Jetzt beendet Raban die Verbindung. Er ist erleichtert, seinen Freund endlich erreicht zu haben. Es geht dem Kolkraben offenbar auch gut, da er sich unverändert aufführt, sowohl bei der Aufzucht der Kinder, als auch bei der gespielten Theatralik, wenn es um die heißgeliebten Schokostückchen geht.

Raban und Röiven Insel der Elfen

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