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Eine Bootsfahrt

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Die Nacht ist ohne Störung vorübergegangen. Der nächste Tag beginnt, wie der vergangene aufgehört hat. Der Regen wird von einem eisigen Wind quer über das Land gejagt. Die kleine Gruppe setzt unverdrossen den Weg Richtung Sonnenaufgang fort. Auch wenn die Sonne nicht zu sehen ist, wird der graue Himmel dort etwas aufgehellt. Der Falke hat seinen Beobachterposten hoch über ihnen wieder eingenommen. Nach einigen Stunden endet das Felslabyrinth. Bald darauf folgen sie einem glitschigen Weg, der vom Bergrücken talwärts führt. Je weiter sie hinab gelangen, desto mehr Wasserläufe sehen sie den zerklüfteten Berghang herabrauschen. In der Ferne erkennen sie ein dunkles Band, das sich hin und her windet. Dort stehen Bäume, die vermutlich einen Flusslauf umsäumen. Sie sichten auch kleine Orte, die vor ihnen in der Ebene, oder an dem mutmaßlichen Fluss liegen. Ihre Wanderung wird zu einem dieser Weiler führen.

Sie sind sich sicher, dass sie dort sehr auffallen werden. Sie bilden bei genauer Betrachtung eine seltsame Gruppe. Zwei junge Frauen, von der eine mit einem Bogen bewaffnet und von überirdischer, stolzer Schönheit ist. Die zweite Frau ist ebenfalls schön und scheint unbewaffnet zu sein. Sie blickt selbstbewusst, aber nicht so herrisch. Der Jüngling sieht sehr selbstsicher aus, obwohl auch er offenbar waffenlos ist. Begleitet werden diese drei von einem riesigen Hund, mit dem sicher nicht zu spaßen ist.

Nach diesen Überlegungen entscheiden sie, den Ort möglichst zu meiden. Sie versuchen ihren Weg so zu wählen, dass sie zwischen Flusslauf und Weiler durchgehen können.

Je näher sie kommen, desto schwieriger wird es, dieses Vorhaben auch so zu realisieren. Die Bäume begrenzen tatsächlich einen Flusslauf. Nach dem Dauerregen ist er aber über seine Ufer getreten, seine Umgebung ist weitläufig unter Wasser gesetzt. Ihnen bleibt somit keine andere Wahl, sie müssen durch den Ort.

Alle ziehen ihre Kapuzen weit ins Gesicht. Sorcha hält den Bogen an ihre Seite gepresst, daher sollte er kaum auffallen. Sie passieren die kleine Ortschaft auch glücklich, da dessen Bewohner das scheußliche Wetter meiden und lieber im Schutz ihrer Häuser bleiben.

Aber dann stehen die Wanderer unerwartet vor einem gewaltigen Problem. Um weiter Richtung Osten zu kommen, müssen sie den Fluss überqueren. Die benötigte Brücke hat bis vor Kurzem hier gestanden, wurde aber von den gewaltigen Fluten des angeschwollenen Flusses zerstört. Jetzt sehen sie nur noch einige Holzreste vom Ufer in das tosende Wasser ragen.

Sie blicken sich suchend um. Was ist zu tun? Gibt es eine Brücke in einem anderen Ort? Finley verlässt die anderen, um sich im Ort zu erkundigen. Ein einzelner Mann wird sicher nicht auffallen. Nach einer Stunde kommt er zurück. Eila und Sorcha atmen erleichtert auf, als sie sein zuversichtliches Gesicht sehen.

»Es gibt weit und breit keine andere Brücke«, gibt er lächelnd bekannt.

»Was, und dabei lachst du?« Die beiden verstehen seine Reaktion nicht.

»Das ist nicht gut«, gibt er zu. »Doch ich habe eine andere Möglichkeit gefunden. Etwas weiter flussabwärts gibt es eine Mühle. Den Müller habe ich im Gasthaus getroffen. Er hat dort ein Boot, das er nutzt, um das Wasserrad von angeschwemmtem Unrat zu säubern. Er ist bereit, uns den Kahn zu überlassen. Da er befürchtet, dass dieser eventuell beschädigt werden könnte, leiht er ihn nicht aus. Der Mann ist aber bereit, das Wasserfahrzeug zu verkaufen. Da wir kaum eine andere Wahl haben, um über den Fluss zu setzen, habe ich mich darauf eingelassen. Ich habe seinen erst unverschämt hohen Preis ordentlich heruntergehandelt. Kommt mit, dort entlang, dann werden wir es gleich sehen können.«

Als sie bei der Mühle angekommen sind, sehen sie sowohl den Müller, als auch das schon alte Boot. Grinsend hält der Mann seine Hand auf, um das ausgemachte Geld zu bekommen. Doch Finley schüttelt entschieden seinen Kopf. Erst untersucht er das Fahrzeug mit kritischen Blicken. Dann besteht er auf die Herausgabe der benötigten zwei Ruder. Der Müller macht in diesem Moment ein langes Gesicht. Er wollte vermutlich ein Draufgeld dafür fordern. Trotzdem macht er ein zufriedenes Gesicht, als er das Geld erhalten hat.

Dafür bekommt er ein neues Ruderboot. Dann wünscht er ihnen eine gute Überfahrt und verschwindet in der Mühle.

Das Boot ist mit einem Strick an einem Steg befestigt. Der junge Zauberer sichert es, indem er sich niederhockt und das Fahrzeugheck mit festem Griff fixiert. Sorcha, Eila und Albin gelangen ohne Schwanken hinein. Als auch er zugestiegen ist, nimmt er den Platz in der Mitte ein. Er nimmt beide Ruder auf, legt sie in die eisernen Ruderdollen und hält sie über das Wasser gestreckt. Jetzt nickt er Sorcha zu, die im Bug sitzt und daraufhin das Seil mit einem Messer durchtrennt.

Sofort reißt der Fluss das Boot mit sich. Finley gelingt es mit Anstrengung, das Boot mittels Ruder zu drehen. Das ist nicht so leicht, wie er sich das vorher vorgestellt hat. Der Wasserdruck ist gewaltig. Als sie quer zum Fluss stehen, hebt sich das Gefährt auf der angeströmten Seite, die andere neigt sich bedrohlich zur Wasseroberfläche.

Nach diesen Schreckmomenten atmen alle erleichtert auf, der Bug zeigt jetzt in Fahrtrichtung.

Die Ruder benötigen sie nicht, um voranzukommen. Die allein durch die Fluten erreichte Geschwindigkeit ist bereits erheblich. Finley benutzt die Ruder zur Steuerung. Da das Flussbett nicht nur gerade verläuft, würden sie sonst in den Kurven an eines der Ufer gedrückt werden. Teilweise sind dort Felsbrocken zu sehen, so dass das Fahrzeug daran zerschmettert werden würde. Ob sie sich in dem Fall an ein Ufer retten könnten, ist mehr als fraglich. Sorcha versucht im Bug sitzend, mit Blicken den dichten Regen zu durchdringen. Sie gibt je nach Situation Kommandos an Finley, die umgehend in eine Richtungskorrektur umgesetzt werden.

Eila sitzt im Heck und kann nicht eingreifen. Während sie Albin krault, sieht sie die Büsche am Ufer vorbeifliegen. Bäume gibt es hier mittlerweile nicht mehr.

Einen Pfad kann sie am linken Ufer nirgends entdecken. Dort müssen sie anlegen, wenn sie zu ihrem Ziel im Osten wollen. Einen Halt können sie im Moment nicht riskieren, das Wasser schießt zu reißend vorwärts und das Flussbett besteht mittlerweile nur noch aus Felsgestein.

Der Wasserlauf behält ungefähr ihre gewünschte Richtung nach Osten bei, auch wenn er etwas südlich abweicht. Vorteilhaft ist, dass diese Bootsfahrt sie wesentlich rascher als eine Wanderung vorwärtsbringt, trotzdem müssen sie möglichst schnell anlegen. Der Fluss wird bald zu einem Durchstich in einer Hügelkette kommen, die vor ihnen liegt, wie Finley weiß. Da die Wassermassen darin zusammengedrückt werden, wird die Geschwindigkeit enorm gesteigert werden. Eine Steuerung des Bootes ist in dem engen Felskanal unmöglich, so dass es unweigerlich mit dem Felsgestein kollidieren wird.

»Wir hätten in dem Fall kaum eine Überlebenschance«, erläutert Finley. »Spätestens dort, wo am linken Ufer auf einer Erhebung eine Burgruine steht, müssen wir irgendwie eine Landung ermöglichen. Notfalls werde ich das Boot unter Wasser setzen, um es damit in der Ufernähe auf Grund zu legen. Vielleicht finden wir aber vorher eine andere Möglichkeit. Der Fluss ist fast überall über seine Ufer getreten. Mit etwas Glück hilft uns das.«

Sisgard und Alveradis

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