Читать книгу Elduria - Die Entscheidung - Norbert Wibben - Страница 10

Erneute Planänderung

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Runa hatte Danrya von der Befreiung Atropaias aus dem Kerker in Grimgard berichtet. Da sie die Elfe auch darüber informierte, dass Dragon versuchen will, die Drachen auf der Insel zu überzeugen, mit ihm nach Elduria zu kommen, änderte diese erneut ihren Plan. Ihr Vorhaben, die Kreaturen der Dracheninsel aufzusuchen, ist unter diesen Bedingungen nicht mehr erforderlich.

Sie versucht, Aidan zu überreden, sie zu den Nordelfen zu begleiten. Danrya weiß nicht, dass manche der dort lebenden Elfen ihren Verwandten aus den anderen Landesteilen viele ihrer eigenen, positiven Eigenschaften absprechen. Sie behaupten, sie könnten zwar zaubern, hätten sich jedoch in den vergangenen Jahrhunderten zu oft mit Menschen verbunden. Dadurch sind manche ihrer Nachkommen nicht mehr reinblütig. Und gerade das wird von diesen verbohrten Nordelfen als Makel angesehen. Sie betrachten die zu ihnen geflüchteten, letzten Westelfen als nicht ebenbürtig und verspotten sie bei vielen Gelegenheiten.

Dabei wollen sie lediglich davon ablenken, dass sie selbst kaum noch Magie beherrschen. Das ist auch der Grund, warum diese Elfen seit Jahren versuchen, sich aus Auseinandersetzungen mit Merion herauszuhalten. Die Verwandten der obersten Nordelfe und einige aus den Seitenlinien der Familie besitzen heutzutage die gleichen Zauberkräfte wie die wenigen Westelfen. Früher war das anders, doch als sie vor Jahren den Drachen magische Kräfte übertrugen, führte das nicht nur zu einer Wesensänderung mancher dieser Kreaturen. Gleichzeitig damit verloren viele der Nordelfen ihre Magie, die sie unbewusst an die Wesen der Lüfte weitergaben. Das Vermögen der betroffenen Elfen und ihrer Nachkommen, sich schneller als Menschen bewegen zu können, blieb davon unberührt. Deshalb sind diese ihnen gegenüber im Einzelkampf im Vorteil.

All das ist Danrya nicht bekannt. Sie weiß, dass es äußerst wichtig ist, die Elfen des Nordens auf ihre Seite zu ziehen. Das gelingt nur, wenn sie deren Anführerin Rubinia von der Notwendigkeit eines gemeinsamen Vorgehens gegen Drakonia zu überzeugen vermag. Ihr war in Ochsenham zu Ohren gekommen, dass sich die Elfen der nördlichen Lande zuversichtlich zeigten, keinen Angriff Drakonias auf ihr Gebiet befürchten zu müssen. Die Auseinandersetzungen mit den Truppen Merions lagen schließlich etliche Jahre zurück. Die Nordelfen meinten, einen stillschweigenden Waffenstillstand geschlossen zu haben, obwohl die Delegation der Elfen ohne eine entsprechende, unterzeichnete Vereinbarung heimkehrte. Rubinia war damals noch eine junge Elfenprinzessin und führte die Unterhändler nach Merion. Dabei hat sie die Hinterlist von Drakonias Großmutter fast mit dem Leben bezahlen müssen. Trotzdem meint sie, die seitdem vergangenen Zeiten, in denen die Herrscher Merions nicht in den Norden drängten, scheint die Bestätigung für deren Friedenswunsch zu sein.

Um der Elfenführerin vor Augen zu führen, wie unnachgiebig und skrupellos Drakonia vorgeht, wenn sie in ihrem Machthunger Ziele erreichen will, wären die Aussagen von Aidan de Elduria wichtig. Seine Familie hat besonders hart unter der Fremdherrschaft gelitten. Er ist inzwischen der unumstrittene Führer der in dem Landesteil aufbegehrenden Menschen und würde Danryas Anliegen ein größeres Gewicht verleihen. Doch der junge Mann und mögliche Erbe der Königswürde ist überzeugt, dass er die Aufständischen sich noch nicht selbst überlassen darf. Aus vergangenen Umsturzversuchen ist ihm bewusst, dass er mit einem Einschreiten der Soldaten aus Merion rechnen muss. Er hat Spione dorthin geschickt und die besorgniserregende Nachricht bekommen, dass es erste Truppenbewegungen in der ehemaligen Grenzregion gibt.

»Gerade das ist ein wichtiger Grund, dass wir die Nordelfen auf unsere Seite ziehen. In der Vergangenheit scheiterten die Aufstände gegen Drakonia, wenn nicht durch Verrat, dann daran, dass die Menschen aus Elduria auf sich allein gestellt waren. Sie waren einfach zu wenige und ihr Vorhaben dadurch zum Scheitern verurteilt. Die Menge der uns auch dieses Mal feindlich gegenüberstehenden Soldaten übertrifft die Anzahl unserer Kämpfer um ein Vielfaches!«

»Dann solltest du zu den Elfen im Norden eilen und sie überzeugen, dass jetzt der vermutlich einzige Zeitpunkt ist, zu dem das Joch dieser bösen Königin ein für alle Mal von uns abgeworfen werden kann. Aber ich muss bei meinen Männern bleiben. Sie mögen mutig sein und nicht vor einem ersten Angriff zurückweichen, doch ohne Führer werden sie dem Druck der feindlichen Kämpfer auf Dauer erliegen.«

Danrya nickt langsam. Was Aidan sagt, stimmt. Deshalb lenkt sie schließlich ein.

»Na gut. Ich wünsche dir viel Erfolg bei dieser schweren Aufgabe. Möglicherweise bekommst du schon bald Drachenunterstützung.« Sie berichtet von Dragons Vorhaben. »Doch es ist nicht gesagt, dass sich die Kreaturen der Luft schnell überzeugen lassen. Wir meinen, dass die Zeit gekommen ist, in der sie ihr Versprechen einlösen. Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass Drachen nach anderen Maßstäben leben und handeln. Sie werden erheblich älter als wir Elfen, da sind unerwartete Ergebnisse durchaus denkbar. – Nun denn. Wenn Dragon es nicht schafft, könnte ich sie erst recht nicht überzeugen! – Ich mache mich auf dem Weg in den Norden. Wäre da ein kurzer Abstecher bei Atropaia sinnvoll, da ihr Heim sozusagen auf dem Weg liegt? – Nein, besser nicht. Es ist größte Eile geboten, und die alte Freundin kann ich auch später noch sehen. Vielleicht sogar an meiner Seite, vereint im Kampf gegen das Böse. So wie vor vielen Jahren!«

Sie umarmt Aidan und ist sofort darauf verschwunden.

Eine der in den Norden geflüchteten Westelfen heißt Snow. Wegen ihrer hellen Haare wird sie manchmal Snow-white gerufen. Sie lebt inzwischen seit zwei Jahrzehnten im nördlichen Elfenwald, wo sie im Schloss der Elfenkönigin als Küchenhilfe arbeitet. Da sie wie alle Elfen zaubern kann, ist das nicht mit körperlicher Arbeit verbunden. Es ist viel wichtiger, die Zaubersprüche richtig anzuwenden.

Gerade heute ist ihr wieder ein Zauber misslungen. Sie steht mit gerunzelter Stirn vor den angebrannten Schmorkartoffeln und geht noch einmal die genutzten Sprüche durch. Herbeizaubern und schälen der Kartoffeln waren einfach, genauso wie das in dünne Scheiben schneiden und abtrocknen. In die riesige, eiserne Pfanne hatte sie großzügig Schmalz gegeben und unzählige Schinkenwürfel auf der Feuerstelle angebraten. Sobald die Kartoffelscheiben mit lautem Zischen in der Bratpfanne lagen, hatte sie mehrere in kleine Würfel geteilte Zwiebeln daruntergemischt, noch Pfeffer und Salz dazugegeben und auch einen Deckel darübergestülpt. Sie hatte das Feuer etwas reduziert, etwa auf halbe Stärke. Das war doch alles in Ordnung und sollte zu dem gewünschten Ergebnis führen!

Voller Vorfreude auf ihr erstes, eigenständig erstelltes Gericht, hatte sie dem zunehmenden Brutzeln gelauscht. Sie freute sich bereits auf ein Lob der vielen Elfen, da das Essen die gesamten Bewohner der Elfenfestung sättigen sollte. Als sie die Abdeckung von der über zwei Meter im Radius messenden, großen Pfanne nimmt, um die Scheiben zu wenden, riecht es nicht wie erwartet. Die Schmorkartoffeln wirken auf der Oberseite immer noch weißlich gelb. Woher kommt dann der verbrannte Geruch? Snow wendet die Kartoffeln und blickt erstaunt auf die verkohlten Unterseiten. Wie ist das möglich?

»Du hättest die Kartoffelscheiben in kurzen Abständen mehrfach wenden und auch hin und wieder etwas Schmalz hinzugeben müssen!«, klärt die gutmütig lächelnde Köchin sie auf.

»Aber, das wollte ich doch. Alle dreißig Minuten schien mir dafür angebracht. Die Zeitangabe hatte ich einmal von dir aufgeschnappt.« Snow schaut die Meisterin der Kochkunst verdattert an.

»Das ist die Gesamtdauer fürs Schmoren. Das zwischendurch notwendige Wenden der Kartoffeln muss in kürzeren Zeitabständen erfolgen!«

Mit einer Handbewegung und leise gemurmelten Worten korrigiert die Köchin, was der jungen Elfe misslungen ist. Sofort riecht es nicht mehr angebrannt, sondern würzig nach Schmorkartoffeln. Die ältere und rundliche Person nimmt mit einem Holzlöffel eine Probe. Sie nickt zufrieden in Richtung ihrer Helferin.

»Geschmacklich ist das Essen gelungen. Die erforderlichen Zutaten sind dir demnach bestens bekannt. Wenn du mich das nächste Mal vor der Zubereitung einer Speise nach den notwendigen Zeiten fragst, wirst du mir bald ebenbürtig sein.«

Snow nickt und nimmt sich genau das vor. Jetzt widmet sie sich der Beilage, die aus einem bunten Salat besteht. Dann gibt sie in eine zweite Pfanne Schmalz. Innerhalb weniger Momente ist es geschmolzen und erreicht schnell die notwendige Temperatur. Sie legt vorsichtig in Ei und Mehl gewälzte Fischfilets hinein. Sie achtet diesmal darauf, dass sie nicht anbrennen. Sie wendet sie, sobald ihrer Meinung nach der richtige Zeitpunkt gekommen ist, und lässt die andere Seite braun braten. Sie ist zuversichtlich, jetzt nicht versagt zu haben. Sie stellt die Pfanne zum Warmhalten neben die erste und blickt die Küchenmeisterin an.

»War das gut so?«

»Das hast du auf den Punkt getroffen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du mich vertreten.«

Snow strahlt über das erhaltene Lob. Sie gibt das Signal, dass das Essen bereitsteht. Kurz darauf strömen alle Bewohner in den Speisesaal, wo Köchin und Küchenhilfe die Speisen gemeinsam verteilen. Die zufriedenen Mienen bilden unausgesprochen das von der Elfe erhoffte Lob. Einige preisen sogar mit Worten das zwar einfache, aber äußerst leckere Gericht.

Abends sinkt Snow völlig erschöpft ins Bett. Sie überlegt, warum ihr immer wieder Fehler, wie die verkohlten Schmorkartoffeln, passieren. Wurde sie irgendwann mit einem Fluch belegt? Sie erinnert sich szenenhaft an unerklärliche Ereignisse, sollten die die Ursache sein? Sie lebte in einem Gebiet im mittleren Elduria, das abgelegen von größeren Städten liegt. Deshalb wunderte sie sich, als die Truppen der Königin Drakonia auch in ihren kleinen Ort einfielen, als die Schlacht gegen den König längst gewonnen war. Wetterham ist der Name der Ansiedlung, die nordwestlich des Elfenwaldes, etwa auf halbem Weg vom Waldrand bis zur Westküste liegt. Früher wohnten hier Elfen und Menschen friedlich zusammen.

Das änderte sich, sobald brandschatzende und plündernde Kämpfer der Königin Merions auftauchten. Sollten Zauberer die Bewaffneten begleitet haben, hätten sie dann dunkle Flüche auf die dort lebenden Westelfen geschleudert? Das wäre durchaus erforderlich gewesen, da sich die Elfen den Männern entgegenstellten. Dabei konnte sie einen fehlgeleiteten Zauberspruch zumindest teilweise abbekommen haben, ist Snow überzeugt.

Drakonia rechnete zudem offenbar mit Problemen, die sie mit den magisch begabten Wesen bekommen könnte. Was diese dann auch durch ihre Gegenaktionen ungewollt bestätigten. Dabei versuchten sie lediglich, sich und die Menschen ihrer Nachbarschaft vor Schaden zu schützen. Trotzdem war es aus Sicht der Herrscherin logisch, dass sie diese Wesen durch ihre Zauberer ausschalten ließ.

Snow, die damals keine zehn Jahre alt war, bewegte sich auf Anraten anderer Elfen möglichst so langsam wie Menschen, um nicht aufzufallen. Obwohl sie noch sehr jung und in Magie wenig erfahren war, versuchte sie manches Mal, denen zu helfen, die von den wie losgelassene Teufel wütenden Soldaten gepeinigt wurden. Sie wollte mit magischen Sprüchen diesem Rauben und Morden Einhalt gebieten, wurde jedoch von zwei älteren Elfen daran gehindert. Die führten die Jüngere in die Freiheit zu den Nordelfen. Mit viel Glück gelang es ihnen, sich durch die Reihen der Gegner zu stehlen. Doch seitdem schämt sich Snow, dass sie sich ihren Rettern nicht widersetzt hatte. Sie hätte Widerstand leisten und den Bewohnern Wetterhams, zumindest aber ihren näheren Nachbarn, zu helfen versuchen müssen.

»Dann wärst du längst tot!«, hatten die älteren Elfen ihr ein ums andere Mal auf die Selbstvorwürfe geantwortet.

Trotzdem nagt der Zweifel in manchen Nächten an ihr, ob das damals klug oder nur feige gewesen war. Seit den ersten Tagen in der Geborgenheit und Sicherheit des nördlichen Elfenwaldes, hat sie sich vorgenommen, sich nicht erneut vor einer Gefahr zu verbergen. Bei der nächsten Auseinandersetzung, die gegen die Soldaten Drakonias geführt wird, will sie nicht nochmals fliehen, sondern mit allen Mitteln dem Bösen die Stirn bieten.

Elduria - Die Entscheidung

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