Читать книгу Anna Q und die Suche nach Saphira - Norbert Wibben - Страница 12

Saphira

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Ainoa schaut Anna lange und nachdenklich an. Kann sie diesem jungen Mädchen trauen? Was das Kind sagte, klingt schlüssig, aber muss das deshalb auch wahr sein? Die Elfe schließt und öffnet ihre Augenlider und hält den Kopf etwas schräg. Das erinnert Anna an den Kolkraben.

»Du ähnelst tatsächlich dem schwarzen Vogel, der bereits zweimal in die Falle gegangen ist.«

»Glaubst du denn, ich hätte dich angelogen? Elfen sagen, nicht nur Menschen gegenüber, immer die Wahrheit!«

»Aber woher soll ich wissen, ob du eine bist und dass diese Eigenart zutrifft? Das ist wohl ähnlich so, wie mit meiner Aussage, weshalb ich weiß, dass Katherin …«

»Halt, sprich nicht weiter, das ist gefährlich. – Du hast recht. Verzeih bitte die Vorsicht. Du weißt ja nicht, mit welchen Mitteln Cythraul die Herrschaft in unserer Welt an sich reißen will. Wenn ihm und seinen Dämonen das gelingt, werden sie Mittel und Wege finden, in eure Welt vorzudringen. Und was in beiden Fällen passiert, möchte ich mir lieber nicht ausmalen!« Die Elfe schweigt mit zusammengezogenen Augenbrauen und aufeinandergepressten Lippen. Anna versteht nicht, was Ainoa ihr damit sagen will, also fragt sie nach.

»Bitte entschuldige meine Unkenntnis, aber ich benötige zum besseren Verständnis einige Erklärungen. Was ist die Anderswelt, wer oder was ist Cythraul und wie kannst du ein Vogel, aber auch eine Elfe sein?« Sie senkt ihre Stimme und flüstert: »Dann solltest du mir auch gleich erklären, warum es nicht bekannt werden darf, dass Katherin eine K. ist.«

»Sie ist nicht irgendeine … Na gut. Ich versuche, dir das zu erläutern. Ich hoffe, dass es für dich danach verständlich ist.« Ainoa macht eine kurze Pause und holt tief Luft. »Neben der dir bekannten Welt gibt es eine weitere, in der wir uns befinden. Die wird von euch Menschen »Anderswelt oder Anderland« genannt. Ich habe in deiner Welt gehört, dass unser Lebensbereich von vielen eurer Gelehrten im Bereich der Mythologie angeordnet und somit als nicht real angesehen wird. Einige sagen aber, die Anderswelt ist unmittelbar neben ihrer vertrauten Welt angesiedelt, sozusagen eine Parallelwelt. Auf jeden Fall weist unsere wie eure Welt Hügel, Wälder, Inseln, Seen und Meere auf. Wenn du, wie von uns gehofft, die Aufgabe übernimmst, wirst du die Ähnlichkeit zwischen beiden feststellen. Aber anders als bei euch gibt es bei uns keine Großstädte, Hochhäuser, Eisenbahnen, Flugzeuge und was weiß ich noch alles. Der Übergang zwischen unseren Welten gelingt durch Höhleneingänge oder im Bereich besonderer Bäume oder Büsche. Unter einem Haselstrauch ist die Verbindung von eurer zu unserer Seite sehr eng. Dort können Menschen durch Beschwörungen zwischen den Welten wechseln, oder von einem Anderswelt-Bewohner hergebracht werden, so wie du von mir. In unserer Welt gibt es außer Elfen noch Menschen und Tiere, aber auch Wesen, die es sonst nur in Märchen und Geschichten gibt. Darunter befinden sich grässliche und gefährliche Dämonen, beispielsweise den Cythraul. Einige von uns Elfen vermögen sowohl in unserer und eurer Welt zu leben. Nur dass wir bei euch fast immer die Gestalt eines Vogels annehmen. Das sind manchmal Eulen, Falken oder Kolkraben. Lediglich die Königin der Elfen, die gleichzeitig die Herrscherin unserer Anderswelt ist, behält ihre Gestalt.«

»Aber, wenn sie die Herrscherin aller ist, wieso kann dann geheim sein, wer es ist?«

»Das ist normalerweise ein Widerspruch, das stimmt. Aber unsere bisherige Elfenkönigin war schon mehrere hundert Jahre alt und starb im Frühjahr im Kampf mit einem Draig ia, einem Eisdrachen. Sobald …« Hastig unterbricht Anna sie. Bei der Nennung dieser Kreatur erinnert sie sich sofort an den Traum, den sie kürzlich hatte. Ein Schauer rieselt ihren Rücken hinab.

»Eisdrache sagtest du? Gibt es die tatsächlich?«

»Ja, und sie sind neben dem obersten Cythraul die mächtigsten und gefährlichsten Gegner der Anderswelt. Aber nochmal zurück. Sobald eine Elfenkönigin stirbt, übernimmt sofort eine andere Elfe die Aufgabe, über die Verbindungen zwischen unseren Welten zu wachen. Es ist ein Zufall, dass ich mitbekommen habe, wer die neue Königin wurde, weil ich zu dem Zeitpunkt Lebensenergie auf sie übertrug. Sie war am Tag zuvor als Schleiereule in eurer Welt verletzt worden und rettete sich mit letzter Kraft in ihr Heim. Sie ist meine Cousine, weshalb ich zufällig dort weilte und ihr zu helfen vermochte. Beim Übertragen von Energie geht man automatisch eine enge Beziehung zu demjenigen ein, auf den man etwas von seiner Lebenskraft überträgt. Dadurch habe ich den Impuls, mit dem die Aufgabe der Herrscherin auf sie übertragen wurde, mitbekommen.«

»Heißt das …? Warte mal. Du hast vorhin deine Hände über mich gehalten, wobei ein goldenes Strahlen zu mir herüberfloss. Ich merkte dabei, dass mich eine angenehme Wärme durchströmte und fühlte mich gestärkt. Hast du mir …?«

»Genau. Ich übertrug dir Lebensenergie, da ich befürchtete, du könntest sterben, und das musste ich verhindern. Schließlich wolltest du mich aus der Falle retten und ich war es dir schuldig!«

»Haben wir jetzt eine besondere Verbindung zueinander?«

»Hm. Das könnte schon sein, obwohl ich nicht sicher bin, wie das zwischen Elfe und Mensch aussehen wird. – Ich muss dir noch etwas Wichtiges über die Anderswelt mitteilen. Für Menschen, die wir hierher holen, nutzen wir Geheimnamen. Damit wird verhindert, dass ihnen böse Dämonen in ihre reale Welt zu folgen vermögen, wenn sie wieder heimkehren. Ich kenne zwar deinen echten Namen, möchte dir aber raten, sofort eine andere Bezeichnung zu wählen. Hast du einen Vorschlag?«

»Q«, schlägt Anna sofort vor.

»Einverstanden, obwohl das ziemlich nah an deinem echten Namen ist. Also Q, was möchtest du noch wissen?«

»Wer oder was ist ein Cythraul?«

»Damit bezeichnen wir im Allgemeinen ein teuflisches Wesen, einen Dämon. Das können Luft- oder Waldgeister, Todesfeen, Drachen und auch Eisdrachen sein. Wir nennen so insbesondere deren Anführer. Er vermag seine Gestalt zu ändern und erscheint oft als ein durch und durch böses Flammenwesen.«

»Was soll meine Aufgabe sein, und wer ist Saphira?«

»Du sollst einen Versuch zur Rettung von Katherins Tochter unternehmen. Du hast natürlich die Wahl und kannst ablehnen, ohne das begründen zu müssen.«

»Ich habe vorhin gehört, dass der Auftrag tödlich sein kann. Ich vermute, das hat mit den Dämonen zu tun. Aber wer ist nun Saphira?«

»Du hast recht, die Gefahr geht von den verschiedenen bösartigen Kreaturen aus, die hier leben, besonders aber von dem Cythraul. Bei ihm ist schwer vorherzusagen, welche Gestalt er gerade benutzt oder im nächsten Moment annehmen wird. – Falls es dir noch nicht klar ist, Saphira ist Katherins Tochter. Sie besuchte wie viele junge Elfen das Mittsommerfest und kam nicht zurück. Ihre Mutter befragte alle, die mit ihr zusammen waren. Sie hoffte, dadurch ihre Spur aufnehmen zu können. Wie sollte sie sonst Saphira finden, einfach blind durch die Gegend laufen und auf den großen Zufall hoffen? Doch die anderen hatten nicht mitbekommen, wohin sie gegangen war. Sie meinten, sie wäre wie sie mit dem magischen Sprung nach Hause zurückgekehrt. Die Sorge in Katherin stieg, dass ihre Tochter möglicherweise entführt wurde. Aber von wem? Bisher ist keine Forderung bei ihr eingegangen! Sie vermutet, der oberste Cythraul könne dahinter stecken. – Deshalb ist es extrem wichtig, dass niemand weiß, wer die Königin ist. Die Entführung der Tochter würde sie erpressbar machen. Die Übergänge in eure Welt wären dann möglicherweise nicht länger unüberwindbar für die tödlichen Dämonen.«

»Aber warum könnt ihr die Spur Saphiras nicht finden? Ihr verfügt über magische Fähigkeiten, zumindest du. Damit sollte es doch ein Leichtes sein, von dem Ort, an dem die jungen Elfen feierten, der Fährte zu folgen.«

»Das kann dir am besten Katherin erklären, aber vorher muss ich dich auf ein Wesen vorbereiten, das …«

»... das mich zu Tode erschrecken könnte. Das habe ich vorhin mitbekommen. Was ist das für eine Kreatur?«

»Geht es der Kleinen endlich besser?« Mit dieser Frage kommt eine große Frau von gerader, schlanker Gestalt in den Raum. Ihr hellblauer Umhang weht etwas, genauso wie ihr langes, schwarzes Haar, das von einem einfachen, blauen Lederband um ihre Stirn gebändigt wird. Ihr Gesichtsausdruck ist fragend, aber gleichzeitig besorgt. Hinter dieser stolz und unnahbar wirkenden Elfe drängen weitere in den Raum. Bei dem Anblick des letzten von ihnen, zieht Anna entsetzt die Luft ein und hält sie an. Katherin bemerkt die Reaktion des Mädchens, dreht sich um und scheucht ihre Begleiter aus dem Raum. Das ist jetzt natürlich vergeblich, da die Kreatur, auf die sie vorbereitet werden sollte, bereits gesehen wurde. Anna überlegt, ob sie vielleicht träumt, doch der Schauer, der ihr über den Rücken läuft, ist zu real. Sie ist tatsächlich wach! Sie richtet sich langsam auf.

»Ich bitte um Verzeihung, eure M... Entschuldigung. Ich fühle mich noch wie im Traum, bin aber soweit wieder hergestellt. Ainoa hat mir Lebensenergie übertragen, sonst ginge es mir sicher nicht so gut.« Sofort bereut Anna ihre Worte, die als Vorwurf ausgelegt werden könnten. Ihre Sorge wegen der unbedachten Rede an die Elfenkönigin ist offensichtlich unbegründet. Das Gesicht der Frau mit den unergründlichen, tiefblauen Augen, überzieht ein einnehmendes Lächeln.

»Hallo, mein Kind. Es freut mich, dass meine Cousine dir geholfen hat. Lebensenergie? Hm, das bringt mich auf … Ihr werdet feststellen, dass ihr nun auf besondere Weise miteinander verbunden seid. – Wie soll ich dich nennen? Halt, sei gewarnt, nenn nicht deinen richtigen Namen!« Jetzt lächelt Anna.

»Ainoa hat mich vorbereitet, darum sagt einfach Q.«

»Q, rede mich bitte von Du zu Du an. Alles andere wäre verdächtig!«

Anna Q und die Suche nach Saphira

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