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Unterwegs mit neuen Freunden

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So langsam finde ich Spaß am Schreiben und hoffe dabei nur, dass Sie beim Lesen nicht einschlafen. Die nächste Episode trug sich im Herzen des Ruhrgebietes um die Jahrtausendwende zu. Bei einem Einsatz in der City von Düsseldorf stellten wir einige Fachkräfte aus dem Metallbereich und einen Kranfahrer zum Verladen von Stahlteilen. Mit dem Kunden haben wir bereits auf mehreren Baustellen zusammengearbeitet und unsere Mitarbeiter, speziell die Kranfahrer, wurden namentlich abgefordert. So auch „Dieter“, der natürlich im wahren Leben anders heißt und für uns zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre tätig war. Dieter ist ein Bomben-Typ Anfang 50, kommt mit jedem klar, arbeitet seit Jahren auf Montage und ist glücklich verheiratet.

Montagmorgen. Alles lief wie geplant, unsere „Jungs“ waren pünktlich und arbeiteten gut wie immer. Gegen 12:00 Uhr bekamen wir Meldung vom Kunden: „Alles super!“ Und verabredeten uns zu einem Treffen am darauf folgenden Mittwoch. Geplant waren ein gemeinsames Mittagessen und die Besichtigung der Baustelle. Na dann, bis Mittwoch...

Mittwochmittag trafen wir also unseren Kunden zum Essen und sprachen über den bisherigen Verlauf des Einsatzes. Er teilte uns mit, dass er soweit zufrieden war und alles super sei, wenn nur der Dieter nicht seit Montagabend weg wäre!

„Wie? Weg?“ fragte ich. „Na, das müsst Ihr doch wissen, der ist doch bestimmt nach Hause gefahren und hat euch Bescheid gegeben oder?“

„Ähmmmm…. Nö!!“

Wir wussten von nichts. Und auf Nachfrage erfuhren wir dann Folgendes:

Dieter war mit seinen Kollegen und den Mitarbeitern des Kunden am Montagabend zum Essen in einer Kneipe verabredet. Alle trafen sich dort zum Abendessen und tranken gemeinsam das ein oder andere Bier. Gegen 21:00 Uhr wollten alle gehen. Nur Dieter bat noch, sein Bier in Ruhe austrinken zu dürfen. Er blieb allein im Lokal zurück. Am darauf folgenden Morgen trafen sich dann alle Kollegen auf der Baustelle, nur einer fehlte. Richtig! Dieter!

Der Bauleiter fragte nach und die Kollegen teilten mit, Sie wüssten nicht wo er sei, aber sie könnten sich vorstellen, dass Dieter vielleicht „krank“ ist. Einer seiner Kollegen bekam am Morgen eine SMS mit dem Text: „Sorry, kann heute nicht arbeiten. Dieter“.

Damit war also „klar“: Dieter liegt mit Kopfschmerzen vom Vorabend im Bett. Nachdem ihn seine Kollegen auch am Abend in der Pension nicht antreffen konnten, waren alle der Meinung, er sei abgereist. Soviel dazu.

„Abgereist? Dieter? Der hätte doch mit Sicherheit Bescheid gegeben“, sagte ich und äußerte meine Bedenken. „Ach, das klären wir nachher“, meinte mein Chef, der auch dabei war. Nachdem wir die Baustelle besichtigt hatten, war es bereits 16:00 Uhr, als ich versuchte Dieter zu erreichen. Handy… aus, Festnetz … nur seine Frau! Ich fragte, ob ich kurz den Dieter sprechen könne und erfuhr, dass er doch in Düsseldorf auf der Baustelle sei und warum ich das nicht wisse. Um keine unnötige Panik auszulösen, erklärte ich „Frau Dieter“, dass ich daran gar nicht gedacht habe, gleich mal auf der Baustelle anrufen werde und mir die Störung unendlich leid tue.

Also, zu Hause war er auch nicht, musste ich mit wachsender Sorge feststellen. Am Abend sprachen wir mit unseren Mitarbeitern und fragten noch einmal nach allen Details. Nichts…! Unser Entschluss: Wir warten bis Donnerstag früh, dann gehen wir zur Polizei.

Am nächsten Morgen, es war dann also schon Donnerstag, frühstückten wir und diskutierten über verschiedene Szenarien. Die durchaus wilden Spekulationen reichten von Verkehrsunfall bis hin zu Gewaltverbrechen. Auf dem Weg zur Polizeidirektion wollten wir noch kurz einen Abstecher auf die Baustelle machen, um zu fragen, ob inzwischen vielleicht doch noch jemand etwas gehört hat. Als wir ankamen, sahen wir aus einem Autokran jemanden wild winken. Und nun raten Sie mal, wer das wohl war. Dieter!

Na, auf DIE Erklärung waren wir aber gespannt! Denn immerhin lagen zwischen dem Verschwinden und dem Wiederauftauchen mehr als 48 Stunden. Die Story, die wir dann hörten übertraf jedoch alles.

Dieter trank am Montagabend in Ruhe sein Bier aus und machte sich auf den Weg zur Pension. Ungefähr zwei Minuten vom Lokal entfernt traf er auf einen älteren ziemlich arm aussehenden Mann, der ihm unheimlich leid tat. Kurzum beschloss er, dem armen Mann ein Bier auszugeben. Wie gesagt, so getan. Der Mann führte Dieter in eine andere Kneipe und beide tranken zwei, drei Bier und führten interessante Gespräche. Beide waren so vertieft in ihren Gesprächen, dass sie irgendwie die Zeit vergaßen und bis zum späten Dienstagvormittag gesellig um die Häuser zogen. Dieter wusste zwar nicht mehr, wo seine Pension war, sende aber immerhin noch einem seiner Kollegen eine SMS. Er machte uns nachdrücklich darauf aufmerksam, dass er sich ja schließlich per SMS für sein Fernbleiben vom Arbeitsplatz entschuldigt habe.

Na ja, jedenfalls schlief er dann einige Stunden zusammen mit dem Fremden in irgendeinem Park auf der Wiese. Dieses schien wohl niemanden groß zu stören, da es wohl nicht unüblich war, bei solch einem super Wetter ein Nickerchen auf einer Wiese im Stadtpark zu machen.

Am späten Nachmittag erwachten beide und plauderten munter weiter und nach einem ausgiebigen Essen, welches Dieter spendierte, gingen beide in die nächste Kneipe.

Es war jetzt also Dienstagabend und Dieter wollte eigentlich zurück in seine Pension, aber sein neuer Kumpel hatte andere Pläne. Er wollte sich mit einer Einladung zu der Party eines Bekannten bei Dieter für den schönen Tag bedanken. Und da der Dieter nicht unhöflich sein wollte, gingen sie zu dem Fremden nach Hause, machten sich ein wenig frisch und fuhren mit dem Bus in eine Art Gartensparte. Hier fand eine Grillparty mit ungefähr 30 Leuten statt. Die Feier war feucht fröhlich und ging bis zum nächsten Morgen 8:00 Uhr. Dieter und sein Kumpel fuhren mit dem Bus zurück in die Wohnung des Fremden und Dieter wurde ein Platz auf der Couch angeboten, den er dankend annahm. Am Abend, es war jetzt schon Mittwoch, verabschiedete Dieter sich von seinem neuen Freund und ging zurück in seine Pension, wo er sein Schläfchen bis Donnerstag früh 5:00 Uhr fortsetzte. Donnerstag stand er dann pünktlich um 7:00 Uhr nüchtern, erholt und ausgeschlafen auf der Baustelle. Er entschuldigte sich beim Bauleiter und alles lief weiter wie gewohnt.

Nach dieser spektakulären Geschichte schaute ich meinen Chef an und war einfach nur sprachlos.

Wir konnten es beide nicht fassen, aber Dieter war auch nicht der Typ, dem man das irgendwie übel nehmen konnte. Mit einem Kopfschütteln verabschiedeten wir uns und langsam fielen die Sorgen von einem ab. Je länger wir uns darüber unterhielten und nachdachten, desto lustiger wurde die Angelegenheit irgendwie. Die ganze Sache war wie aus einem schlechten Film... und noch nicht zu Ende, wie sich am kommenden Montag rausstellen sollte.

Am Wochenende stellte Dieter „dank“ seiner Frau fest, dass irgendwie 500 Mark vom Konto fehlten. Ihm wurde schnell bewusst, wo diese geblieben sind. Doch wie sollte er das nun seinem geliebten Eheweib erklären? Natürlich ganz einfach: Die Firma ist schuld! Der Chef hatte seine EC-Karte verloren und Dieter musste ihm aus der Patsche helfen. So die fast perfekte Ausrede, von der wir am Montag erfuhren. Fast perfekt, denn irgendwie fehlten jetzt Dieter immer noch die 500 Mark. Aber was soll’s. Wozu habe ich denn einen Chef? Genau! Und das Ende vom Lied?

Dieter bekam von uns die 500 Mark und stotterte diese wöchentlich von seiner Auslöse bei uns ab. Ja wir haben auch schon vor über 10 Jahren soziale Zeitarbeit gelebt.

Also, Ende gut – alles gut.

Der König des Fahrstuhls - Spektakuläre Geschichten aus der Zeitarbeit

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