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Kapitel 2
ОглавлениеWenn es anfängt, kompliziert zu werden
Ich schlief so gut. Obwohl es schon spät war, als wir endlich einschliefen. Mit ihm an meiner Seite in unserem Bett schlief ich wie ein Baby. Wie immer war ich bereits vor Sonnenaufgang auf den Beinen und nachdem die Hunde gefüttert waren, kam ich wieder ins Haus und fand Travis vor, der gerade seine Reisetasche aufs Bett warf.
»Was treibst du da?«
Er war ein bisschen erschrocken. »Oh.« Er sah die Tasche an, dann mich. »Na ja, ich dachte, weil alle nach Alice fahren, hatte ich gehofft… wir könnten vielleicht auch mitfahren.«
»Oh.«
»Ich dachte, wir könnten mal einen Abend in der Stadt verbringen, das ist alles.«
»Was?« Ich schnaubte. »Ich kann nicht weg.«
»Doch, kannst du«, sagte er schlicht. Als wäre das so einfach, ein ganzes Wochenende wegzufahren.
»Trav, ich kann nicht einfach wegfahren.«
»Sind George und Ma etwa nicht in der Lage, hier nach dem Rechten zu sehen?«
»Sie sind absolut dazu in der Lage«, gab ich zurück und merkte im selben Moment, dass ich gerade seine Sicht der Dinge bestätigt hatte.
Er lächelte. Irgendwie. »Ich will in der Stadt auch einige Dinge besorgen.«
»Zum Beispiel?«, fragte ich. »Wenn du irgendwas willst oder brauchst, dann musst du es nur sagen. Wir können fast alles online bestellen.«
»Nun, was ich haben will, müssen wir direkt abholen«, sagte er und warf mir einen kurzen Blick zu. »Ich hab daran gedacht, Ma einen schöneren Gemüsegarten anzulegen.«
»Sie hat doch einen Gemüsegarten.«
»Das ist kein Gemüsegarten«, antwortete er trocken. »Das ist ein trockener Flecken gebackener Tonerde. Er liegt nicht hoch genug, und die Erde kann Wasser weder speichern noch filtern. Dass sie überhaupt irgendwas zum Wachsen bringt, grenzt an ein Wunder.«
Das tat weh. »George und ich haben den für sie angelegt.«
Seine Augen wurden groß. »Bitte sag mir, dass ihr das getan habt, bevor du Agrarwissenschaft studiert hast.«
»War es«, sagte ich entrüstet. »Ich war ungefähr sechzehn.«
»Oh, Gott sei Dank. Wenn es nämlich danach gewesen wäre, hätte ich mir ernsthaft Sorgen gemacht, was du drei Jahre lang an der Uni getrieben hast.«
Ich lächelte ihn an. »Ich hab dir doch erzählt, was ich in den drei Jahren getrieben habe.«
»Mhm.« Er schnaubte. »Schweinekram. Mit jedem schwulen Mann in Sydney.«
»Nicht mit jedem schwulen Mann«, antwortete ich fröhlich. »Ich bin ziemlich sicher, einige davon waren auch hetero.«
Er knurrte mich an und ich lachte, aber meine Heiterkeit war nur von kurzer Dauer. Ich berührte seine Reisetasche, fühlte den abgenutzten Leinenstoff. »Trav, du kannst in die Stadt fahren, wenn du willst.«
»Ich will, dass du mitkommst.«
»Ich kann nicht.«
»Du meinst, du willst nicht.«
»Trav, ich kann nicht einfach wegfahren. Ich kann nicht einfach die Verantwortung auf jemand anderen schieben.«
Er seufzte.
»Sei nicht sauer.«
»Ich bin nicht sauer«, antwortete er leise. »Ich bin enttäuscht.«
Darauf wusste ich nichts zu entgegnen.
Er nahm seine Reisetasche und stellte sie wortlos in die Ecke des Zimmers. »George sagte, dass er heute Morgen rauswill, um nach der Gruppe Kängurus zu sehen, die wir entdeckt haben.«
»Travis.«
»Ich denke, ich werde ihn heute begleiten«, sagte er und bedachte mich mit einem verkniffenen, gar nicht glücklichen Lächeln.
Nun war es an mir zu seufzen. »Vielleicht können wir nächste Woche nach Alice fahren oder das Wochenende zwei Wochen danach. Wenn alle Mann an Deck sind – wenn alle anderen hier sind –, vielleicht können wir dann in die Stadt fahren.«
»Vielleicht«, antwortete er. Dann lächelte er ein wenig aufrichtiger. »Kleine Schritte, Charlie.«
»Tut mir leid.«
»Entschuldige dich nicht. Ich könnte ja mit den anderen fahren, wenn ich wollte.«
»Könntest du«, stimmte ich zu. Nun fühlte ich mich schuldig. »Weißt du, du solltest vielleicht wirklich mit mitfahren. Dir ein schönes Wochenende machen.«
»Das will ich nicht«, sagte er schlicht. »Ich will mit dir fahren. Und da du nun gesagt hast, dass wir das tun werden?« Er lächelte. »Ich werde dich darauf festnageln.«
* * *
»Wir beide sind heute mal wieder unter uns«, sagte ich zu Ma, als ich ihr eine Tasse Tee reichte. Travis und George waren bereits den zweiten Tag nacheinander draußen auf der Suche nach den Kängs und würden um etwa dieselbe Zeit nach Hause kommen wie die anderen, die nach Alice gefahren waren.
»Was hast du heute so vor?«, fragte sie.
»Ich werde mit Shelby einen Ausritt zur östlichen Weide machen und nach den Jährlingen sehen.« Ich trank meinen Tee. »Und heute Nachmittag werde ich ein bisschen Papierkram erledigen, bis die anderen zurück sind.«
»Du und Travis, ihr habt kuschelig ausgesehen zusammen auf der Couch gestern Abend.«
»Er hat… mir beim Lernen geholfen.«
»Das sah nicht so aus, als wäre besonders viel gelernt worden.«
Ich versteckte mein Grinsen hinter meiner Teetasse. »Na ja, es war mein erster Tag.«
»Mhm.« Ma schob ihre Teetasse weg. »Kannst du dir heute selbst etwas zum Mittagessen machen?«
Wir hatten noch nicht einmal gefrühstückt. »Natürlich«, sagte ich zu ihr. »Geht es dir gut? Du bist nicht so munter und fidel wie sonst. Und gestern warst du auch schon ein bisschen ruhig. Ist alles in Ordnung?«
»Ja, alles bestens. Nur ein bisschen angeschlagen. Ich glaube, ich bekomme eine Erkältung«, wiegelte sie ab. »Die Winter werden kälter, je älter man wird, wusstest du das nicht?«
»Ma, du hättest eher etwas sagen sollen.«
»Alles bestens«, wiederholte sie. »Aber da heute alle weg und nur wir zwei hier sind, lass ich es vielleicht etwas ruhiger angehen. Ich kann mir mal einen Morgen freinehmen, oder?«
»Natürlich kannst du das«, antwortete ich. »Geh und setz dich ins Wohnzimmer. Leg die Füße hoch. Ich werde dir etwas Toast machen.«
»Das musst du nicht.«
»Ma. Geh und setz dich hin«, sagte ich mit ernster Stimme. »Jetzt.« Und dann, weil es Ma war, fügte ich hinzu: »Bitte.«
Ich scheuchte sie aus der Küche und machte mich ans Werk. Kurze Zeit später trug ich ein Tablett mit Toast, Saft und Wasser ins Wohnzimmer. Ich zog einen der kleinen Beistelltische zu ihrem Sessel hinüber, holte ihr neuestes Kreuzworträtselheft und sorgte dafür, dass sie es bequem hatte.
»Ich muss heute Vormittag nicht unbedingt raus«, sagte ich zu ihr. »Ich kann beim Haus bleiben. Genau genommen bin ich ziemlich sicher, dass die Motorräder mal gewartet werden müssten.«
»Charlie, es geht mir gut«, sagte Ma. Sie wurde sauer. Ich kannte diesen Tonfall nur zu gut.
»Ma, wenn du dich nicht gut fühlst, kann ich mich um dich kümmern.«
»Ich brauche keinen Babysitter.«
»Ma.«
»Charles Sutton.«
Beim vollen Namen genannt zu werden, bedeutete, die Grenze überschritten zu haben. Ich seufzte und machte mich geschäftig daran, den Kamin mit frischem Anmachholz zu füllen. »Wenn dir kalt wird, dann wirf einfach ein Streichholz rein, okay?« Ich stand auf und ging zur Tür. »Ich hab das Satellitentelefon dabei, falls du irgendetwas brauchst. Und ich bin zum Mittag wieder zurück, und dann werde ich für dich Essen machen.«
Sie verdrehte in der Tat die Augen und ignorierte mich, aber sie stritt nicht mit mir, also betrachtete ich das als Sieg.
Ich kürzte meinen Ausflug nach Osten zu den Jährlingen ab, hielt mein Versprechen und war zur Mittagszeit wieder zu Hause, aber Ma war auf den Beinen und in der Küche zugange. Sie sah besser aus.
»Bitte schön, Liebes«, sagte sie und reichte mir einen Teller mit Sandwiches und Obst.
Die Portion war groß genug für zwei, also stellte ich sie auf den Küchentisch und füllte zwei Gläser mit Saft. Ich liebte Tage wie diesen, wenn Ma und ich allein waren und wir in der Küche saßen und uns unterhielten.
Das war schon viel zu lange nicht mehr vorgekommen.
Wir redeten über den bevorstehenden Winter-Viehtrieb und was dafür alles zu organisieren sein würde. Es war immer noch einige Wochen hin, aber Ma war gern gut vorbereitet.
Es war später Nachmittag, als ich den vertrauten Klang von zwei Pick-ups hörte, die die Einfahrt herauffuhren, und wusste, dass alle von ihrem Wochenende in der Stadt zurück waren. Sie würden zunächst alle zu ihren eigenen Häusern gehen – auf Sutton Station gab es drei Unterkünfte für die Arbeiter – und sich fürs Abendessen frisch machen.
Kurz danach hörte ich Stimmengemurmel auf der Veranda. Ich nahm an, dass jemand mich sprechen wollte, deshalb erhob ich mich von meinem Schreibtisch und ging meinem Besucher entgegen.
Ich kam nur bis in die Diele, da erschien auch schon Billy in der Vordertür. Er wirkte ungewöhnlich nervös und von seinem normalerweise breiten Lächeln war nichts zu sehen.
»Billy, ist alles in Ordnung?«
»Sicher, Boss«, sagte er. Er strich sein Hemd glatt und blickte sich in der Diele um.
»Billy, was hast du auf dem Herzen? Einfach raus damit.«
»Meine Cousine steckt ein bisschen in Schwierigkeiten«, sagte er. »Wenn das kein Problem ist, Mr. Sutton, dann hatte ich gehofft, sie könnte vielleicht hierbleiben.«
»Wo ist sie?«
»Sie ist hier, Boss. Ich hab sie schon mit hergebracht«, sagte er.
»Geht es ihr gut?«
Ich hatte Billy noch nie zuvor so niedergeschlagen gesehen. Er sprach leise. »Da waren so Kerle und die meinten so… dass sie sich abwechseln wollten bei ihr, wenn du weißt, was ich meine, Mr. Sutton. Ich hab sie also mitgenommen, damit die nicht… machen können, was sie gesagt haben.«
»Geht es ihr gut, Billy?«, fragte ich voller Sorge. »Hat ihr jemand was getan?«
»Sie ist okay«, antwortete er. »Sie hatte Angst und keiner hat auf sie aufgepasst. Aber es hat sie keiner angefasst, Boss, wenn du das meinst.«
Ich seufzte erleichtert. »Ist gut, Billy. Sie kann hierbleiben. Kann ich sie sehen?«
Billy sah zur Vordertür. »Nara?«
Ein Aborigine-Mädchen kam herein, so verängstigt wie ein Babykaninchen. Sie war vielleicht fünfzehn Jahre alt, hatte langes, ungekämmtes Haar, dunkle Haut und einen sehr, sehr ängstlichen Blick, der unverwandt auf Billy ruhte. Ganz offensichtlich wartete sie auf ein Zeichen von ihm, wie sie sich verhalten sollte.
»Sie kann bei mir wohnen, wenn das okay ist«, sagte Billy. »Jetzt, wo Fisher weg ist, steht ja ein Zimmer leer. Sie wird keinen stören, Mr. Sutton.«
Ich wartete darauf, dass das Mädchen mich ansah. »Nara? Ist das dein Name?«
Sie nickte.
»Du kannst hierbleiben«, sagte ich zu ihr. »Aber ich will keinen Ärger haben. Ich erwarte, dass du mit anfasst, um deinen Unterhalt zu verdienen. Hast du schon einmal einen Job gehabt?«
Nara schüttelte ihren Kopf. »Nein.«
»Gehst du zur Schule?«, fragte ich.
Sie schluckte heftig und ihr Blick schoss zu Billy, bevor sie mich wieder ansah. »Ich wollte, aber ich muss mich stattdessen um meine Familie kümmern.«
Es war normal in den Aborigine-Gemeinden hier im Outback, dass die älteren Mädchen die Erziehung der jüngeren Geschwister übernahmen. »Nun, du fängst morgen Früh an zu arbeiten. Dann besprechen wir auch die Regeln, die hier auf der Farm gelten. Aber grundsätzlich tust du das, was entweder ich oder Billy dir auftragen, okay?«
Sie nickte erneut und lächelte schüchtern. Billy nickte scharf zur Vordertür und Nara beeilte sich, nach draußen zu gehen. Billy schenkte mir ein aufrichtiges, erleichtertes Lächeln. »Danke, Mr. Sutton.« Ich kannte ihn seit vielen Jahren und ich hatte ihn noch nie so… verunsichert gesehen. Ich wusste, dass er eine große Familie hatte, aber er hatte sein Privatleben stets… nun ja, eben privat gehalten. Dass er Nara hierherbrachte und fragte, ob sie hierbleiben konnte, zeigte, wie ernsthaft besorgt er um sie war.
»Billy, geht es ihr wirklich gut?«, fragte ich. Sie sah wirklich nicht so aus.
»Ab jetzt ja«, sagte er leise. Er ging zur Tür.
»Billy?«, fragte ich. Er drehte sich um und sah mich an. »Geht es dir gut?«
»Alles okay, Mr. Sutton. Ich bin froh, dass du sagst, sie kann hierbleiben. Sie wird keinen Ärger machen.«
»Das weiß ich«, antwortete ich. Es war sowohl eine Warnung als auch eine Beruhigung für ihn.
Nachdem er gegangen war, stand ich noch eine Minute lang in der Diele, dann ging ich zu Ma ins Wohnzimmer. Sie war offensichtlich Zeugin der Unterhaltung geworden.
»Das war sehr nett von dir«, sagte sie.
»Die Kleine sah total verängstigt aus.«
»Stimmt.«
»War ich zu streng mit ihr?«, fragte ich. »Ich will nicht, dass die Leute herkommen und denken, sie könnten hier machen, was sie wollen. Deshalb musste ich was sagen. Aber meine Güte, sie sah aus, als wollte sie jeden Moment die Flucht ergreifen.«
Ma schenkte mir ein beruhigendes Lächeln. »Sie kommt schon klar. Lassen wir ihr einfach ein, zwei Tage, um sich einzugewöhnen, hm?«
Und dann – es war offenbar einfach so ein Abend für Ach, du Scheiße-Momente – klopften Trudy und Bacon an die offene Wohnzimmertür. »Können wir dich einen Augenblick sprechen?«, fragte Trudy.
Ma erhob sich. »Ähm, ich geh nur mal kurz auf mein Zimmer«, sagte sie und ließ meine beiden Farmarbeiter ziemlich verlegen im Eingang stehen.
»Kommt rein, Leute«, sagte ich. Ich war neugierig, was wohl der Grund ihres Besuchs sein mochte. Ich schnappte mir die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Was gibt's?«
Ich hätte wissen müssen, was kommt, als sie nebeneinander auf der Couch Platz nahmen.
»Na ja«, fing Bacon an. »Wir wollten dich wissen lassen, dass wir beide schon seit einer ganzen Weile zusammen sind.«
Ich bin sicher, dass ich blinzelte wie ein Idiot. »Huh?«
»Ich und Craig sind zusammen. Wir sind… ein Paar«, erklärte Trudy peinlich berührt. Ich hatte sie noch nie erröten sehen. Niemals. »Schon seit einer Weile.«
Ich war so verblüfft, dass ich erst gar nicht begriff, dass Craig Bacons echter Name war. Ich glaube, dass ich lachte. »Äh, ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Wir wollten es nicht länger geheim halten«, fügte Trudy hinzu.
»Wie lange seid ihr denn schon…?«, fragte ich, unsicher, wie ich es formulieren sollte.
»Etwa ein Jahr«, sagte Bacon. Er lächelte, sah aber nervös aus. Er nahm Trudys Hand.
»Es ist nur so«, sagte Trudy, »so, wie die Dinge jetzt stehen, mit dir und Travis, dachten wir, wir könnten…« Niemand hatte bisher jemals über meine Beziehung mit Travis geredet. Jedenfalls nicht mit mir.
Bacon drückte ihre Hand. »Wir waren nicht sicher, ob wir etwas sagen sollten. Wir wollten nicht, dass du uns sagst, es wäre nicht erlaubt oder dass einer von uns dann vielleicht gehen müsste.«
»Was?«, fragte ich. »Nein. Nein, das ist nicht… das würde ich nicht machen.« In Wahrheit aber hätte ich noch vor einem Jahr wahrscheinlich genau das getan. Aber jetzt, da ich mit meinem Freund zusammenlebte und -arbeitete, konnte ich es ihnen kaum vorwerfen, dass sie dasselbe taten. »Ich weiß, dass ihr nicht zulassen werdet, dass das eure Arbeit hier beeinträchtigt.« Meine zweite Warnung-Schrägstich-Beruhigung des Abends. Ich wurde langsam richtig gut darin.
Bacon schüttelte den Kopf. »Das wird es nicht.«
Trudy fügte eilig hinzu: »Bevor ich meinen Job hier verliere, verpasse ich lieber Bacon einen saftigen Arschtritt.«
Ich musste über Bacons Gesichtsausdruck lachen. »Ich habe kein Problem damit«, sagte ich. »Ehrlich gesagt tut es mir eher leid, dass ihr das Gefühl hattet, es mir nicht schon früher sagen zu können. Ich bin froh, dass ihr jetzt mit mir gesprochen habt.«
»Travis meinte, es würde dir nichts ausmachen«, sagte Bacon. Und dann bekam er sofort diesen Oh, Scheiße!-Gesichtsausdruck, und ich wusste, dass er das nicht hätte sagen sollen.
»Travis wusste Bescheid?«, fragte ich.
Trudy schluckte schwer. »Er hat letzte Woche mit uns zusammen draußen Zäune repariert«, sagte sie, als würde das alles erklären. »Er meinte, du würdest nichts dagegen haben. Hat uns nur geraten, ehrlich zu sein, das ist alles.«
»Hat er das?«
»Sei nicht sauer auf ihn«, fügte sie eilig hinzu. »Wir baten ihn, nichts zu sagen, und er stimmte zu, dass es das Beste wäre, wenn du es von uns selbst erfährst.«
»Wir wollten nur, dass du Bescheid weißt«, sagte Bacon. »Es ändert sich ja nichts. Was die Arbeit angeht, wird alles so sein wie immer.«
Ich nickte und schenkte ihnen ein Lächeln. »Das weiß ich. Und danke, dass ihr es mir gesagt habt.« Sie nahmen das als ihr Stichwort zum Aufbruch und als sie zur Tür gingen, stand ich auf und sagte: »Hey.« Trudy und Bacon blieben stehen und sahen mich an. »Äh, ich schätze, ich sollte euch ebenfalls danken. Dafür, dass es euch nichts ausmacht, dass ich… und Travis. Ich, äh, ich weiß es zu schätzen, dass ihr zu mir gestanden habt, auch wenn es bestimmt nicht so einfach war. Das bedeutet mir viel und ich hätte mich schon längst bedanken sollen.«
Ich geriet immer ins Faseln, wenn ich nervös war.
Sowohl Trudy als auch Bacon lächelten mich an. Wahrscheinlich hatte ich gerade die am wenigsten bossmäßige Rede aller Zeiten vor ihnen gehalten. »Er ist ein toller Kerl«, sagte Trudy. »Hyperaktiv oder so was – kann nicht einen Moment wirklich stillsitzen – aber ein toller Kerl.«
Ich lachte darüber und nachdem sie gegangen waren, setzte ich mich wieder auf die Couch und seufzte.
Tja, das war seltsam. Genau genommen war der ganze Abend schon seltsam gewesen.
Als Nächstes hörte ich die Ankunft der Bikes und Stimmen bei der Scheune. Als sich die Vordertür öffnete, erwartete ich Travis, aber es war George.
»Hey«, begrüßte ich ihn.
»Charlie«, sagte er mit einem Nicken.
»Ähm, nur dass du Bescheid weißt, Billys Cousine wird eine Weile bei uns leben. Wenn du also ein Kind hier rumlaufen siehst, dann ist sie das.«
»In Ordnung«, sagte er. George war nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen. Er sah mich von oben bis unten an. »Alles klar bei dir?«
»Seltsamer Tag«, antwortete ich kryptisch.
George lachte, so als wüsste er etwas, das ich nicht wusste, aber dann verschwand er ohne weiteres Wort in der Diele.
Ich lehnte mich auf der Couch zurück und fuhr mir mit der Hand durch die Haare. Was für ein verdammter Tag. Erst fühlte Ma sich nicht gut, dann Billy und seine Cousine, dann Trudy und Bacon… Gott. Ich fragte mich, ob irgendetwas diesen Tag noch schlimmer machen könnte, als ich Travis die Verandastufen heraufkommen hörte. Die Vordertür ging auf und er streckte seinen Kopf durch die Tür. Er wirkte aufgeregt und ein bisschen nervös.
»Trav?«
Er kam herein und erst da sah ich, dass er ein Bündel in den Armen hielt. Es war sein Hoodie, den seine Mom ihm geschickt hatte. Travis grinste und zog den Stoff zurück. Zwei große Ohren und zwei große, braune Augen kamen zum Vorschein.
Oh Scheiße, Travis hatte ein Riesenkänguru-Baby auf dem Arm.