Читать книгу Red Dirt Heart: Lodernde Erde - N.R. Walker - Страница 8
Kapitel 3
ОглавлениеShitville. Einwohner: ich.
»Travis«, fragte ich leise. »Was soll das werden?«
Er grinste und trat ins Zimmer, das Bündel aus großen Ohren und neugierigen, braunen Augen immer noch auf dem Arm. »Na ja, ihre Mutter fand ein vorzeitiges Ende«, sagte er und seine Mundwinkel sanken herab. »Und als wir hingingen, um den Kadaver zu Hundefutter zu verarbeiten, war da das Junge.«
»Travis«, sagte ich kopfschüttelnd. »Wir können kein Känguru halten.«
»Warum nicht?«, fragte er.
»Weil Kängurus eine Plage sind. Sie vernichten die Weidepflanzen für unser Vieh. Ihr wart da draußen, um sie auszumerzen, nicht, um Haustiere daraus zu machen.«
Travis' Lächeln erstarb. »Aber es ist nur ein Baby. Ich habe keine Probleme damit, gegen Plagen vorzugehen, aber ich konnte doch nicht ein hilfloses Baby da draußen zurücklassen. Sie wäre entweder verhungert oder von Dingos gefressen worden.«
»Oder du hättest sie erschießen können. Es erschießen. Was auch immer. Du hättest es erschießen können.«
Travis klappte die Kinnlade herunter. Er sah… entsetzt aus. »Ich konnte sie doch nicht einfach erschießen!«
»Rote Riesenkängurus können einem erwachsenen Mann Brust und Bauch aufreißen, Trav. Ganz zu schweigen davon, was sie mit unseren Hirtenhunden machen.« Ich schüttelte den Kopf. »Du kannst sie nicht behalten.«
Travis betrachtete für eine lange Weile das Junge, das er in den Armen hielt. Und als er mich schließlich wieder ansah, hatte er diesen dickköpfigen, entschlossenen Ich kann verdammt noch mal tun, was ich will-Ausdruck in den Augen. »Tja, ich behalte sie aber. Zumindest, bis sie groß genug ist, um für sich selbst zu sorgen.«
»Travis«, fing ich an.
»Nein, Charlie«, sagte er rundheraus. »Nein.« Und damit drehte er sich um und ging in die Küche.
Ich stand im leeren Wohnzimmer und hatte keine Ahnung, in welches verdammte Paralleluniversum ich an diesem Tag geraten war. Mein langweiliges, ruhiges Leben, in dem nie irgendetwas passierte, wurde immer unlangweiliger. Ich kratzte mich am Kopf und zog in Betracht, Travis zu folgen, aber dann dachte ich, dass er etwas Zeit brauchte, um sich zu beruhigen und die Dinge in vernünftigerem Licht zu sehen. Sicher, Babykängurus waren niedlich und flauschig, so wie alle Tierbabys. Aber das galt auch für Babyfüchse, Babykaninchen und sogar Babyratten. Und von denen hielten wir auch keine auf dem Hof. Ganz sicher nicht.
Eine Plage war eine Plage.
Und aus kleinen Kängurus wurden große, ausgewachsene Kängurus, und Rote Riesenkängurus waren gefährlich. Sie waren dafür bekannt, dass sie Hirtenhunde und auch Menschen angriffen und ernsthaft verletzten oder gar töteten. Das würde ich nicht riskieren.
Und weil ich mich heute nicht mehr mit ihm streiten und stattdessen über alles nachdenken wollte, was an diesem Nachmittag passiert war, ging ich lieber ins Bett.
Ich blieb wach und wartete so lange auf Travis, wie ich die Augen offen halten konnte.
Als ich aufwachte, war ich allein.
Ich hörte Stimmen aus der Küche – sie klangen nach Travis und Ma – und angesichts der Tatsache, dass er mich offenbar nicht sehen wollte und ich keine besondere Lust hatte, mich zu unterhalten, oder schlimmer: ignoriert zu werden, schnappte ich mir meinen Hut vom Haken und ging zur Vordertür hinaus. Genau genommen ging ich Travis nicht wirklich aus dem Weg, aber ich musste vor dem Frühstück die Hunde füttern und Dinge erledigen.
Jedenfalls war genau genommen er es, der angefangen hatte, nicht mit mir zu reden, und er hatte nicht in unserem Bett geschlafen…
… meinem Bett.
Dem Bett. Was auch immer, zum Teufel. Er war letzte Nacht nicht ins Bett gekommen.
Ich beschäftigte mich, so lange ich konnte, in der Scheune. Na ja, bis Ma mich zum zweiten Mal zum Frühstück rief. Ich hängte meinen Hut an den Haken und setzte meinen mürrischen Hintern auf meinen Platz am Kopfende des Tisches, neben Travis.
Ich sah ihn nicht an. Ich nahm ihn nicht zur Kenntnis. Ich schätze, dass die anderen meine miese Laune bemerkten, weil sie stumme Blicke untereinander tauschten und dabei immer wieder kurz zu mir und Travis blickten. Außer natürlich George, der entweder nichts merkte oder den es einfach nicht kümmerte. Er gab seine Anweisungen für den Tag, kurz und knapp, und bevor ich vom Tisch aufstehen konnte, hakte Travis unter dem Tisch seinen Fuß um meinen Knöchel. Dieses Füßeln, das er immer machte.
Ich zog meinen Fuß weg und stand auf, bevor mein wild schlagendes Herz mich davon abhalten konnte. Ich trug die beiden leeren Tabletts in die Küche zu Ma. »Wie fühlst du dich heute Morgen?«, fragte ich. »Ich hätte das schon eher fragen sollen, entschuldige.«
»Besser, glaube ich«, sagte sie und legte eine Hand auf meinen Arm. »Mit dir alles in Ordnung, Charlie?«
Ich sah ihr nicht in die Augen. »Sicher, was sollte sein?«
Dann kam Travis in die Küche, so als hätte er eine perfekt getimte Anweisung von einem Bühnenregisseur bekommen. Was natürlich mein Stichwort war, besagte Bühne zu verlassen. Und ich sah ihn nicht an.
»Charlie«, sagte er leise, als ich an ihm vorbeiging.
»Bin beschäftigt«, rief ich aus der Diele zurück. Ich nahm meinen Hut und ließ die Vordertür hinter mir zuknallen. Also beschäftigte ich mich. Den ganzen verdammten Tag lang.
Ich verbrachte etwas Zeit mit Billy und seiner Cousine Nara. Sie sah schon viel besser aus, frisch geduscht und in sauberen, vermutlich geborgten Kleidern. Wir unterhielten uns eine Weile, ich erklärte ihr die grundlegenden Regeln der Station und versuchte, ein bisschen was über sie herauszufinden. Wie sich herausstellte, konnte sie weder reiten noch ein Motorrad fahren. Auch konnte sie nicht besonders gut lesen oder schreiben. Und ich hatte keinen Schimmer, was ich mit ihr anfangen sollte.
»Schon gut, Boss«, sagte Billy. »Ich nehm sie unter meine Fittiche, bring ihr was bei.«
Es war offensichtlich, dass Billy wollte, dass seine Cousine auf der Farm blieb, aber ich hatte gerade keine Geduld für nichts und war in mieser Stimmung. Ich atmete tief durch und versuchte, mich zusammenzureißen. Es war nicht die Schuld der Kleinen, dass mein fester Freund auf der Couch geschlafen hatte. »Sicher, Billy«, sagte ich. »Nara, du hörst auf Billy, okay? Und in ein paar Tagen sehen wir dann, wo du dich nützlich machen kannst.«
Sie nickte nervös. »Ist gut. Danke, Mr. Sutton.«
Nara sah immer noch aus, als würde sie jeden Moment die Flucht ergreifen wollen, und ich fragte mich unweigerlich, was dieses Kind durchgemacht hatte und was wirklich passiert war, das Billy bewogen hatte, ihr Unterschlupf zu gewähren. Ich unterdrückte meine Laune und lächelte sie an, um ihr das Gefühl zu geben, hier willkommen zu sein. »Es mag für dich vielleicht nicht so furchtbar spannend sein«, lenkte ich ein. »Aber es sind alles nette Leute hier. Wenn Billy nicht da ist, kannst du zu mir kommen. Wenn du das lieber nicht möchtest, dann ist für gewöhnlich Ma irgendwo im Haus. Du gehst und redest mit ihr. Ihr wird das nichts ausmachen.«
Nara nickte und Billy schenkte mir sein typisches breites Grinsen. Ich schlug ihm mit der Hand auf die Schulter, dann überließ ich die beiden sich selbst. Ich beschloss, den Tag mit Shelby zu verbringen, anstatt darauf zu warten, dass Travis nicht mit mir sprach. Ich rief Shelby zu mir, sattelte sie und machte mich nach Norden auf, bevor irgendjemand rauskommen und fragen konnte, was ich vorhatte.
Ich brauchte einfach etwas Zeit für mich. Zeit, um den Kopf klar zu bekommen. Zeit, um durchzuatmen. Ich war seit sechs Monaten kein einziges Mal allein ausgeritten. Seit Travis hier angekommen war. Und nachdem ich vor seiner Ankunft so lange ganz für mich allein gewesen war, war es nun schön, mal wieder etwas Zeit nur für mich zu haben.
Vielleicht hatte er sich deswegen freiwillig gemeldet, vier Tage lang Zäune reparieren zu gehen. Vielleicht hatte er Zeit ohne mich verbringen wollen…
Ich versuchte, nicht zu denken, während ich ritt. Shelby fühlte sich gut unter mir an, geschmeidig und vertraut. Und so wie sie ihr Kinn und die Ohren aufgerichtet hatte, war ich sicher, dass auch sie sich hier draußen wohlfühlte. Ich glaube, sie hatte das genauso vermisst wie ich.
»Schon eine Weile her, was, mein Mädchen?«, sagte ich zu ihr. »Ist es gut, hier draußen zu sein, nur wir zwei, so wie früher? Oder vermisst du Texas an unserer Seite?« Niemand verstand, warum ich mit meinem Pferd redete, als wäre sie ein Mensch. Ich machte das aber immer. »Mir gefällt's, wenn Travis und Texas mit uns reiten. Na gut, es gefällt mir nicht nur – ich liebe es. Aber es ist auch irgendwie schön, wenn wir zwei allein unterwegs sind, ja?«
Natürlich antwortete sie nicht.
»Du magst Texas, oder? Er ist ein gutes Pferd. War am Anfang ein bisschen verrückt, aber die meisten jungen Burschen sind so. Wir können nichts dafür. Aber Travis hat ihn anscheinend gut hinbekommen. Er ist jetzt ein gutes Stockhorse. Travis scheint zu glauben, dass er das geschafft hat«, sagte ich. »Aber wir wissen, dass das nicht so ist. Es liegt daran, dass du und Texas so viel Zeit miteinander verbringt – weil Travis und ich so viel Zeit miteinander verbringen – und Texas von dir gute Manieren gelernt hat.« Ich beugte mich vor und tätschelte ihren Hals. »Aber das sagen wir ihnen nicht.«
Im Winter hatte die Wüste andere Farben als unter der Sommersonne. Die Erde war noch so rot wie immer, aber es war ein sanfteres Rot. Vielleicht lag es an dem veränderten Sonnenlicht oder es war die kühlere Luft, frisch und sauber. Da war nicht diese sengende Sonne, die alles verdorrte, was sie berührte, und die Luft brannte nicht in den Lungen.
Der Winter brachte seine eigenen Probleme mit sich, aber die kühleren Tage und kalten Nächte gefielen mir am besten. Besonders jetzt, da ich einen hochgewachsenen, texanischen Körper in meinem Bett hatte, um mich warmzuhalten…
»Ach.« Ich seufzte. »Ich habe das Recht, auf ihn sauer zu sein.« Dann grollte ich. »Na ja, okay. Vielleicht auch nicht. Vielleicht habe ich überreagiert. Aber Kängurus sind eine Plage. Sie fressen unsere Ernte, wir schießen sie ab. So ist das nun mal. Und dann ist er nicht ins Bett gekommen. Er hat auf der Couch geschlafen… oder in einem Gästebett oder… ich weiß nicht einmal, wo er geschlafen hat, aber jedenfalls nicht bei mir. Und was soll das, bitte?«
Ich seufzte dramatisch und zog die Zügel an, damit Shelby stehen blieb.
»Na gut, vielleicht habe ich überreagiert. Aber das hat er auch.« Ich schnaubte. Oder knurrte. Oder so etwas. »Und was soll die Schmollerei? Nicht mit mir zu sprechen? Man ignoriert nicht einfach seinen…« Noch während ich die Worte aussprach, fiel mir ein, dass Travis heute Morgen versucht hatte, mit mir zu reden, und dass ich wohl eher ihn ignoriert hatte…
Ich seufzte, lang und laut. »Wie zum Henker soll ich denn wissen, was ich tue? Ich habe keinen verdammten Schimmer! Ich hab keine Erfahrung mit diesem Mist. Ich weiß nicht, was man machen muss, damit eine Beziehung funktioniert.«
Shelby verlagerte ihr Gewicht und zuckte mit den Ohren, was in Pferdesprache so viel hieß wie: Geh nach Hause und entschuldige dich, du Idiot.
Ich zog kräftig am rechten Zügel und Shelby änderte die Richtung. »Ja, ja. Klaro. Schon unterwegs.«
Möglich, dass ich fast den ganzen Rückweg vor mich hingrummelte.
Ich ritt Shelby im Schritttempo zurück und war gerade dabei, sie abzusatteln, als Ma mich fand.
Und damit meine ich: sie fand mich wie ein zorniger Piranha einen blutenden Schwimmer findet.
Ich konnte ihr am Gesicht ablesen, dass sie stocksauer war. »Hey, was gibt's?«, sagte ich lahm.
Ma drohte mir mit dem Zeigefinger. »Du bist ohne Wasser und Telefon losgeritten. Das war dumm, Charlie. Du weißt es verdammt noch mal besser. Du weißt es besser, seit du vier Jahre alt warst. Wenn du dich den ganzen verdammten Tag in der Wüste verstecken willst, dann mach das, aber du sagst jemandem Bescheid, wohin du gehst, und du nimmst die notwendigen Sachen mit.«
Mann, sie war stocksauer. Ihr Zorn war ein wenig überraschend, dann fiel mir ein, dass sie sich nicht gut gefühlt hatte. »Es tut mir leid«, sagte ich zu ihr. »Und ich wollte mich nicht verstecken…«
Sie hob eine Augenbraue. »Strafst du ihn mit Schweigen?«, fragte sie.
»Er hat angefangen.«
Japp, das sagte ich. Ich war offiziell wieder acht Jahre alt.
Ma machte sich nicht einmal die Mühe, darauf zu antworten. Stattdessen schnaubte sie. »Charlie, ich liebe dich von Herzen.« Sie machte eine Pause und sah mich an. »Aber du musst endlich mal erwachsen werden.«
Ich bin sicher, dass mir die Überraschung ins Gesicht geschrieben stand, denn sie seufzte schicksalsergeben. »Er hat sich Sorgen um dich gemacht.«
»Ich brauchte etwas Zeit zum Nachdenken.«
»Das habe ich ihm auch gesagt.«
»Ich wollte nicht, dass sich jemand Sorgen macht. Ich hätte Bescheid sagen sollen, wohin ich reite. Du hast recht. Ich weiß es besser, als einfach so zu verschwinden. Tut mir leid.«
Ma schwieg eine Weile. »Streite dich nicht über Kleinigkeiten, Liebes«, sagte sie schließlich sanfter. »Aber ich schlage vor, du gehst zu ihm, bevor eine große Sache daraus wird.«
Ich nickte und wusste, was ich zu tun hatte. Ich nahm den Sattel vom Zaun herunter. »Ich bringe das eben weg, dann suche ich ihn.«
Ich musste nicht weit gehen. Ich brachte Shelbys Sattel weg, dann trieb ich Travis im Haus auf. Er hängte gerade einen meiner alten Pullover an die Klinke der Wohnzimmertür. Als ich näher hinsah, guckte ein recht verdächtiger Känguruschwanz daraus hervor. Ach Mann, er benutzte einen Pullover als Beutel für das verdammte Kängurubaby und hängte ihn an der verfluchten Tür auf.
Er ließ mich mit einer Art Schulterzucken stehen und als er an mir vorbeiging, murmelte er: »Ich muss mir die Hände waschen.« Ich folgte ihm den Korridor hinunter zum Badezimmer. Dann stand ich im Türrahmen, während er am Waschbecken zugange war.
Als er fertig war, drehte er sich um, lehnte sich gegen den Waschtisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Die Haltung war genauso defensiv wie sein Tonfall. »Sag es einfach, Charlie.«
Ich öffnete den Mund und… schloss ihn wieder. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. »Ich will nicht, dass du sauer auf mich bist.«
»Aber ich kann sie trotzdem nicht behalten?«
Ich wollte mich nicht schon wieder über ein Känguru streiten. Aber ich fand keine Worte. Ich schüttelte den Kopf. »Travis…«
»Ist das jetzt Charlie, mein fester Freund, oder Charlie, mein Boss, mit dem ich gerade rede?«
»Das ist nicht fair.«
Er stieß sich vom Waschtisch ab und richtete sich auf. »Tja, ich frage dich nicht. Ich sage es dir. Ich gebe sie nicht weg. Sie ist vollkommen hilflos. Wenn ich sie einfach irgendwo aussetze, dann stirbt sie auf jeden Fall, und ich kann – ich werde – das nicht tun.«
Ich hob die Hände und drückte sie gegen seine Brust, um ihn zu stoppen, als er versuchte, an mir vorbeizugehen. »Es geht nicht um das Känguru.«
Er sah mich prüfend an. »Nicht? Warum bist du dann sauer auf mich? Du hast mich heute Morgen abblitzen lassen und bist einfach weggeritten, ohne jemandem zu sagen, wohin. George sagte, du wärst nicht zur Lagune unterwegs, weil du nach Norden geritten bist, nicht nach Osten.«
Ich zuckte die Achseln. »Na ja, zuerst ging es um das Känguru, aber dann nicht mehr. Ich weiß nicht, warum. Ich brauchte nur etwas Zeit oder so.« Ich hatte nun meine Hände in sein Hemd gekrallt, damit er nicht wegkonnte. Oder ich. Ich war mir nicht sicher. »Aber ich bin zurückgekommen…«
»Du bist zurückgekommen…«, wiederholte Travis auffordernd meinen unvollendeten Satz.
»Shelby dachte, es wäre eine gute Idee.« Ich hätte mir am liebsten gegen die Stirn geschlagen, weil ich das laut ausgesprochen hatte, entschied mich aber, auf cool zu machen.
»Tatsächlich?«
»Ja, sie meinte, ich hätte wahrscheinlich überreagiert.« Ich ließ sein Hemd los, aber keiner von uns bewegte sich.
»Sie ist ein kluges Pferd.«
»Sie meinte, du hättest ebenfalls überreagiert.«
Travis versuchte nun, nicht zu grinsen. »Meinte sie?«
»Jepp. Aber sie meinte auch, dass der Ritt durch den Arthur Creek helfen würde, meinen Kopf klar zu kriegen, und dass ich wohl besser zurückkommen und mich entschuldigen sollte.«
»Sie ist wirklich ein kluges Pferd.«
Ich nickte und atmete tief ein. Dann sah ich zwischen uns auf den Boden. »Sie wollte wissen, warum du letzte Nacht nicht ins Bett gekommen bist…«
Und da war er. Der wahre Grund.
Travis strich mit seiner Hand über meine Brust zu meinem Hals, bevor er mein Kinn anhob, sodass ich ihn ansehen musste. »Ich hatte zu Abend gegessen und als ich dann Matilda fütterte, muss ich eingeschlafen sein. Charlie, es war keine Absicht. Es tut mir leid.«
»Matilda?«
»Das Junge.«
»Du hast ihr einen Namen gegeben?«
»Aber natürlich.«
»Matilda?«
»Ja. Kennst du den australischen Song Waltzing Matilda?«
»Ich kenne ihn«, antwortete ich. »Ich frage mich nur, wieso du ihn kennst.«
»Google.«
»Natürlich.«
»Warst du wirklich sauer, weil ich nicht ins Bett gekommen bin?« Es schien ihn zu amüsieren. »Ich dachte, es wäre wegen Matilda.«
»War jetzt kein Riesending. Tat nur weh, das ist alles«, gab ich zu. »Und ich wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte, falls du nicht mit mir sprechen wolltest, deshalb bin ich abgehauen, bevor du mir sagen konntest, dass du nicht mit mir sprechen willst, weil, es zu denken, ist eine Sache, aber es zu hören, ist was ganz anderes…«
Travis beugte sich vor und küsste mich. Wahrscheinlich, damit ich die Klappe hielt, aber das war mir egal. Es war, glaube ich, der wärmste Ich bin zu Hause-Kuss, den wir je geteilt hatten.
Travis beendete langsam den Kuss, dann rieb er seine Nase an meiner, um mich zum Lächeln zu bringen. »Und du bist heute Morgen gegangen, ohne mit mir zu reden«, flüsterte er. »Und du hast heute Morgen deinen Fuß unter dem Tisch weggezogen.«
»Tut mir leid, dass ich das gemacht habe. Dein Füßeln ist eines meiner liebsten Dinge«, sagte ich leise.
»Füßeln?«
Ich nickte. »Füßeln und Naserubbeln. Das machst du.«
Travis lachte und küsste mich noch einmal.
Ich lehnte mich etwas zurück, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. »Ich, äh… ich bin nicht so gut in dieser Über Dinge reden-Sache.«
»Ich bin auch kein Experte«, sagte er. Dann lächelte er, als wäre er ebenso erleichtert wie ich. »Aber können wir uns darauf einigen, dass keiner von uns allein in die Wüste reitet?«
Ich verdrehte die Augen. »Ich reite schon seit zwanzig Jahren allein in die Wüste.«
Er ignorierte mich. »Und keiner von uns geht allein ins Bett. Das sollte eine feste Regel werden. Keiner schläft auf der Couch.«
»Das gefällt mir schon besser.«
»Nicht, dass du mir gefehlt hast. Die Couch ist nur wirklich nicht besonders bequem.«
Ich lächelte und atmete seine Wärme ein, seinen Geruch. »Ich mag es nicht, mit dir zu streiten.«
»Hast du gerade an mir gerochen?«
»Ich kann nichts dafür. Das hat mir gefehlt… dein Geruch. Du. Du hast mir gefehlt.«
Travis lächelte sein besonderes Lächeln, bei dem sich nur ein Mundwinkel hob. »Ich mag es auch nicht, mit dir zu streiten.«
Ich sah einen für eine lange Weile an. Sein hellbraunes Haar war länger und strubbelig, seine blauen Augen passten zu seinem Hemd. Na ja, es war mein Hemd, aber ich hatte schon lange aufgegeben, gegen seinen Was dein ist, ist auch mein-Grundsatz zu protestieren, was meine Garderobe anging. »Ich kann nicht glauben, dass du das verdammte Känguru Matilda genannt hast.«
»Du hast mein Pferd Texas genannt.« Er zuckte die Achseln. »Jedenfalls passt es zu ihr. Sie ist süß. Willst du sie sehen?«
Ich hatte eine viel bessere Idee. »Später vielleicht.« Ich zog ihn an seinem Hemd zu mir heran und schob ihn rückwärts ins Badezimmer. »Ich glaube, wir haben noch zehn Minuten, bevor –«
»Charlie?«, unterbrach mich Mas Stimme.
»Bevor das passiert?«, fragte Travis lachend.
Ich seufzte und rückte die Dinge in meinem Schritt zurecht. »Ich komme, Ma.«
Travis prustete. »Aber nicht so wie geplant.«
Widerwillig machte ich mich mit Travis im Schlepptau auf zur Küche. Ma stand an der Spüle. »Hey, Ma, was gibt's?«
Sie drehte sich um und lächelte, als sie uns sah. »Ich bin froh, dass ihr Jungs wieder miteinander… redet«, sagte sie und ließ den Blick vielsagend zwischen uns hin und her wandern.
»Brauchst du irgendetwas?«, fragte ich. Sie sah besser aus, aber es kam nicht oft vor, dass sie mich bat, etwas für sie zu tun.
»Kannst du für mich in den Garten gehen?«, fragte sie. »Ich brauche Eier, Spinat und Karotten.« Dann drehte sie sich wieder zur Spüle. »Ich würde selbst gehen, aber ich hinke ein bisschen in der Zeit hinterher. Ich habe den ganzen Morgen damit zugebracht, mir Gedanken darum zu machen, wo in der Wüste ein sechsundzwanzigjähriger, unreifer Kerl abgeblieben war.«
Ich ging zu ihr hinüber und küsste sie auf die Wange. »Es tut mir leid, Ma.«
Sie versuchte, nicht zu lächeln, kriegte das aber irgendwie nicht hin. »Raus mit euch, alle beide.« Sie scheuchte uns aus der Tür. »Und bringt auch mehr Feuerholz mit rein.«
Travis und ich gingen über die hintere Veranda zum rückwärtigen Teil des Gehöfts. Zwischen den Scheunen und den Wassertanks hielten wir einige Hühner in einem Drahtverschlag. Und dort hatte Ma auch ihre Gemüsebeete.
Außerdem hielten wir dort auch unsere vier Kelpies. Jeder hatte seinen eigenen Zwinger, und wenn sie nicht bei der Arbeit waren, dann waren sie angekettet oder angeleint. Würden wir sie einfach frei herumlaufen lassen, dann würden sie naturgemäß Vieh zusammentreiben wollen. Und wenn wir das Vieh gerade nicht zusammengetrieben haben wollten, dann nahm das für gewöhnlich kein gutes Ende. Die Hunde waren außerdem eine gute Abschreckung gegen Dingos, die sonst vielleicht auf der Suche nach einer freien Mahlzeit aus lebenden Hühnchen vorbeikommen würden.
Ich öffnete die Tür zum Hühnerverschlag, ging hinein und sammelte in einem Eimer die Eier ein, die scheinbar über mehrere Tage hinweg gelegt worden waren. Travis war fürs Gemüse zuständig, und als ich fertig war, ging ich zu den Hochbeeten mit Gemüse hinüber. Er hatte noch nichts geerntet. Stattdessen grub er in der ersten Reihe.
»Was machst du da, Trav?«
Er sah zu mir auf. »Wie zum Henker nennst du das hier?«
Nun ja, für mich sah das ziemlich offensichtlich aus. Ich betrachtete die Reihen von Spinat, Karotten, Kartoffeln und Mais. »Ich bin nicht sicher, wie man das bei dir zu Hause nennt, aber hier nennt man so etwas einen Ge-mü-se-gar-ten. Ist mit dir alles in Ordnung?«
Anscheinend mochte er es nicht, wenn ich Worte so langsam aussprach, als wäre er dumm. Er funkelte mich an. »Charlie, wir müssen das hier in Ordnung bringen. Das ist wirklich übel.« Er ließ etwas von der Erde durch seine Finger rieseln, um seine Worte zu unterstreichen.
Ich stellte den Eimer mit den Eiern neben mir ab und ließ meinen Blick über die Beete schweifen. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir sie nie so genau angesehen. Ma pflanzte hier Saisongemüse an und wir versuchten, uns so weit wie möglich selbst zu versorgen. Aber er hatte recht. Der Garten war in ziemlich armseliger Verfassung.
»Tja, ja. Ist ziemlich übel«, stimmte ich zu.
»Wir können den ganzen Bereich hier erneuern. Wir brauchen neue Beete, neue Erde«, sagte er und umfasste mit einer Geste alles, was bereits da war. »Wir werden alles verwenden, was man noch gebrauchen kann. Diese alten Bahnschwellen sehen noch gut aus.« Er trat gegen die hölzerne Umrandung des Gartens. »Wir könnten in die Stadt fahren und alles besorgen.«
»Könnten wir«, sagte ich ausweichend. Obwohl ich es eher fragend meinte, bin ich ziemlich sicher, dass Travis es für bare Münze nahm, denn er grinste. »Trav«, begann ich, was ein Protest oder zumindest eine Art Ablehnung werden sollte, aber er ignorierte mich.
»Hier«, sagte er und lud mir die Arme mit Spinat voll. »Halt das.«
»Trav«, sagte ich erneut, wobei ich den Spinat beinahe fallen ließ. »Moment… kannst du… warte doch mal… Trav.« Der Spinat rutschte weiter aus meinem Griff, dann warf ich auch noch beinahe den Eimer mit den Eiern um, und er stapelte noch Karotten oben auf den Spinat.
»Ich nehme die Eier«, sagte er strahlend, hob sie auf und hüpfte den Eimer schwingend ins Haus wie das verdammte Rotkäppchen. Während ich hingegen den ganzen Weg bis in die Küche mit Spinat und Karotten jonglierte und mehrfach beinahe alles fallen ließ. Aber ich schaffte es in die Küche und warf das Gemüse dort in die Spüle. Travis stand an der offenen Kühlschranktür und trank aus einer Wasserflasche. Ma war am Herd und sah nicht einmal, wie ich mich, dem abmühte, womit Travis mich beladen hatte. »Ist schon gut, Trav«, sagte ich sarkastisch. »Nicht nötig, dass du mir hilfst.«
Er grinste hinter der Wasserflasche. »Ich habe die Eier getragen.«
»Danke, Jungs«, sagte Ma, was wahrscheinlich eher ein Haltet die Klappe als ein Danke ausdrücken sollte. »Travis hat mir gerade erzählt, dass ihr zwei am Wochenende zusammen nach Alice fahrt.«
Ich sah Travis an. »Oh, tun wir das?«
Er trank den Rest seines Wassers aus, schloss den Kühlschrank und grinste einfach weiter sein Megawattgrinsen. »Japp. Morgen Früh geht's los.«