Читать книгу Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl - Страница 284

Papeete, 22. März 1897

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Das Buch von Monsieur Viaud konnte ich nur sehr langsam lesen, was ganz gegen meine Gewohnheit ist. Ich habe es jetzt aber doch geschafft. Es hat ein trauriges Ende gefunden. Der englische Seemann verlässt seine tahitianische Frau, um sie niemals wiederzusehen. Sie wartet aber auf ihn und stirbt schließlich vor Gram. Loti denkt immer mit Wehmut, ja mit Sehnsucht an Tahiti, auch nachdem er schon lange fort ist. Ich frage mich nur, warum er nicht zurückgekehrt ist. Vielleicht soll dies dem Buch erst die Dramatik geben und auch beim Leser die Sehnsucht wecken. Ich habe das Buch am Ort dieser Sehnsucht gelesen und empfinde es daher ganz anders. Ich will einfach nur mehr über Ozeanien erfahren und dazu hat es ein wenig getaugt, wenn es nüchtern und nicht trunken gelesen wird, was mir als Frau viel besser gelingen sollte. Im Verlaufe meines Lesens habe ich natürlich immer nach den Orten gefragt, die in der Geschichte genannt werden. Es soll tatsächlich einen Wasserfall bei Fataoua geben und auch die Distrikte Apiré, Papenoo oder Maraa sind auf Tahiti bekannt, obwohl ich die Namen nicht auf der Landkarte gefunden habe. Dann hat mich noch dieses Wörterbuch des Picpus-Ordens interessiert. Es ist aber wohl nicht zu beschaffen, denn in Papeete kennt es niemand. Wenigstens zitiert Monsieur Viaud einige polynesische Wörter. Es sind aber leider nur die Namen von Göttern und mystischen Dingen, die mir für ein Gespräch mit Fanaa nicht helfen und die sicherlich auch von unserer Kirche nicht gerne gehört werden. Einzig der Brief, den Rarahu an Loti schreibt und der in dem Buch sowohl auf Tahitianisch als auch in der französischen Übersetzung geschrieben steht, liefert mir eine Grußformel, die ich demnächst verwenden werde. »La ora na oe« heißt »Ich grüße Dich«. Fanaa hat es gleich verstanden und so muss es richtig sein. Natürlich könnte Fanaa meine Übersetzerin sein, wenn ich noch mehr von ihrer Sprache lernen möchte, aber sie ist da sehr zurückhaltend, ich merke es ja immer auch auf dem Markt. Auch das »La ora na oe« hat sie nur zögernd aufgenommen, als sei es ihr nicht geheuer. Ich weiß, dass sie sehr viel Respekt vor der Kirche hat und daher fast nur Französisch spricht, auch dann noch, wenn sie mit ihren tahitianischen Landsleuten zusammen ist. Zwei polynesische Sätze habe ich mir dann aber doch aus dem Loti-Buch herausgeschrieben. »Ta u mea iti here rahi« soll »mein kleiner Liebling« heißen und »ta u mafatu iti« bedeutet »mein kleines Herz«. »Iti« ist das Wort für »klein« und das Gegenteil davon, das Wort »nui«, bedeutet »groß«. Tahiti besteht ja auch aus einer großen und einer kleinen Insel, Tahiti nui und Tahiti iti, es ist eigentlich ganz leicht. Ich habe auch über das nachgedacht, was Monsieur Viaud über Tahiti schreibt, wie er seinen Aufenthalt empfunden hat. Ich habe allerdings gehört, dass er selbst nur zwei Monate hier gelebt hat. Ich lebe schon zehnmal länger auf Tahiti. Es ist nicht immer alles paradiesisch, wenn zwei kleine Kinder zu versorgen sind und dazu noch ein Ehemann. Fanaas Hilfe verschweige ich hier jetzt. Als junger Mann, als junger Offizier, ohne eine Familie, mag es erschöpfend sein, jeden Tag an einem Weiher, an einem plätschernden Wasserfall zu verbringen und in den Tag hinein zu leben und wenn so jemand nach zwei Monaten wieder abreist, es als große Ferien gesehen zu haben. Monsieur Viauds Buch wird aber nicht von jedem geliebt. Die Kirche heißt es nicht gut, dass ein europäischer Mann mit einer vierzehnjährigen eine Liebesverbindung eingeht. Monsieur Viaud bezeichnet diese Verbindung zwar als Verheiratung, aber in den Augen der Kirche kann es nichts anderes als Sünde sein. An einer Stelle bezweifelt Rarahu sogar, dass die Polynesier von unserm katholischen Gott abstammen, ein weiterer Stein des Anstoßes.

Ströme meines Ozeans

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