Читать книгу Zwischen meinen Inseln - Ole R. Börgdahl - Страница 80
Brisbane, 28. Mai 1912
ОглавлениеTom ist schon drei Wochen alt. Ich finde erst jetzt die Kraft und Zeit, meinem Büchlein wieder ein paar Zeilen anzuvertrauen. Ich habe bis kurz vor Pfingsten im Krankenhaus gelegen. Die Geburt war sehr anstrengend, obwohl ich es jetzt, nach drei Wochen, gar nicht mehr so empfinde. Mein Kind hat all dies verdrängt, das große Glück ihn in den Armen zu halten. Vater hat mitgezählt. Er sagt, ich habe mich fast fünfundsechzig Stunden gequält, zweieinhalb Tage lang, von der ersten heftigen Wehe bis zu dem Zeitpunkt, als die Hebamme mir mein Kind gegeben hat. Es ist nun doch kein Mädchen geworden. Tom, ich hatte erst an Thomas gedacht, was würdiger klingt, aber jeder wird ihn ohnehin sein Leben lang nur Tom rufen und da habe ich es gleich so festgelegt. Tom hat dunkelbraune Locken und braune Augen, wie Onoo. Seine Hautfarbe ist recht hell, ich hätte damit gerechnet, dass sie dunkler sein würde. Tom soll sich seiner Herkunft niemals schämen müssen. Er soll ein stolzer Marquesaner sein, ein französischer Marquesaner, der wohl in dem Vielvölkerstaat Australien aufwächst, so wie es scheint. Wir leben alle nicht dort, wo unsere Wurzeln sind. Dies scheint das Schicksal unserer kleinen Familie zu sein. Natürlich ist Vater ganz stolz. Es gab bisher keine Männer in unserer Familie, das hat er extra betont. Nach der Geburt habe ich noch einiges an Blut verloren, darum hat die Hebamme mich schließlich doch in ein Hospital bringen lassen. Es ist aber alles gut gegangen und sie hat mir versprochen, dass es beim nächsten Kind einfacher wird. Als sie das gesagt hat, schoss es mir für eine Sekunde in den Kopf, dass doch noch alles gut werden könnte. Mir kam in den Sinn, dass Onoo mich besucht und wir hier in Brisbane oder auf Tahiti heiraten und in den nächsten Jahren weitere Kinder bekommen würden. Dieser Gedanke beherrschte mich merkwürdigerweise nur sehr kurz, sehr, sehr kurz. Dann hatte ich plötzlich so ein Gefühl, als wenn schon alles zu spät sei, als wenn Onoo und ich nicht wieder zusammenkämen. Es hat mich nicht erschreckt und ich weiß jetzt auch warum. Ich bin bis hierhin ohne ihn gekommen. Ich werde es auch noch weiter schaffen, ohne ihn. Zum Schluss habe ich noch gedacht, dass ich ungerecht sei, weil Onoo nie die Chance hatte, etwas von seinem Sohn zu erfahren, oder doch. Wenn er auf meine letzten Briefe geantwortet hätte, dann hätte er es auch erfahren.