Читать книгу Entwicklungspädagogik - Oliver Hechler - Страница 15

Lerndimension Wollen

Оглавление

Die Lerndimension Wollen schließlich repräsentiert Haltungen und Einstellungen, die der Mensch ausbilden muss, um sein Wissen und Können sinn- und bedeutungsvoll mit Hinblick auf sich selbst, die Anderen und die Welt aktualisieren zu können. Die Entwicklung spezifischer Haltungen und Einstellungen zielt letztendlich auf die Herausbildung einer individuellen Lebensform. Zum einen trägt diese individuelle Lebensform den Menschen in seiner Existenz und, mit Paul Moor (1960) gesprochen, gibt ihm inneren Halt. Zum anderen ermöglicht sie die Stilisierung der eigenen Person unter Einbezug der jeweiligen Fertigkeiten und Kenntnisse. Im Grunde entsteht durch das Hinzutreten des Wollens etwas Drittes, das nicht einfach im Sinne einer Kompetenz den anderen beiden (Fertigkeiten und Kenntnisse) additiv hinzugefügt wird, sondern über die Summe der einzelnen Teile hinausreicht und erst so die Herausbildung einer Gesamtpersönlichkeit ermöglicht. Obwohl das Wollen als Element des pädagogischen Aufbaus der Person mit den psychologischen Persönlichkeitskonzepten hinsichtlich des Merkmals der Konsistenz übereinstimmt, geht das Wollen über die Beschreibung von Merkmalen hinaus. Spricht die Psychologie von Persönlichkeit als der Summe der Verhaltensweisen, mit denen ein Individuum charakteristischer Weise agiert und mit anderen Personen und Objekten in Interaktion tritt (vgl. Zimbardo 1983), so umfassen die Charaktererziehung (vgl. Kerschensteiner 1923) und die Persönlichkeitspädagogik (vgl. Gaudig 1923) auch die Frage danach, wie sich der Mensch verhalten sollte und verweisen damit auch auf eine normative Dimension des Erlernens von spezifischen Willenseinstellungen. Der hier anklingende Tatbestand bezieht sich auf die Notwendigkeit einer Erziehung und Bildung der Seele und ist für die Pädagogik im Grunde auch nichts Neues (vgl. Niemeyer 1970/1797). Ausdrücklich hat sich 1811 Vinzenz Eduard Milde (1965) in seinem »Lehrbuch der allgemeinen Erziehungskunde« für die Bildung der Gefühle und des Begehrungsvermögens ausgesprochen, und Alexander Mitscherlich stellt fest: »Die Kultur der Affekte ist das eigentlich schwerste Bildungsziel« (Mitscherlich 2003, 34). Darüber hinaus zählen zu der Lerndimension Wollen auch die Elemente, die der Schweizer Pädagoge Peter Schmid mit Blick auf eine pädagogisch-anthropologische Begründung von Verhaltensstörungen als relevant erachtet (Schmid 1985): die Bereiche des Antriebs, der Beziehungen, des Willens, der Werte, der Affekte, der Stimmungen und des Erlebens. Auf den Punkt gebracht ist festzuhalten, dass sich die Erziehungsbedürftigkeit des Menschen nicht nur auf den Erwerb von Fertigkeiten und Kenntnissen bezieht, sondern auch und besonders auf die seelische Verfassung. Denn wie bei fast allen Funktionsbereichen des Menschen liegen auch im Bereich des Wollens zwar biologisch verankerte Dispositionen und Reaktionsbereitschaften vor, die sich jedoch nicht entsprechend eines Reifungsmodells ungehindert und gemäß einer genetischen Vorgabe entfalten, sondern sich im Grunde durch spezifische (Erziehung) und durch unspezifische (Sozialisation) äußere Einflüsse ausbilden bzw. ausbilden lassen.

Entwicklungspädagogik

Подняться наверх