Читать книгу Lux - Olivia Kuderewski - Страница 10

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Das Zimmer ist leer. Nur ein paar hellere Flecken heben sich dort ab, wo früher Möbel standen, und diese Umrisse eines alten Lebens lassen den Raum noch verlassener wirken. Lux sitzt auf dem Boden, im Schneidersitz, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt. Sie kann sehen, wo der Fernseher hing, von dort, wo sie sitzt, hätte sie ihn perfekt im Blick, hier muss das Wohnzimmer gewesen sein. Ein Kabel ohne Glühbirne hängt von der Decke, nur die verletzten Drähte ragen ins Leere.

Die fleckige Matratze ist ohne Rost oder Laken, ein großer, zerwühlter Schal liegt darauf, den Kat wohl als Decke benutzt. Statt eines Kissens der zusammengestauchte, helle Mantel aus Teddyfell, den sie schon im Bus anhatte.

Kat, eigentlich Kathryn, aber nenn mich Kat, wie die Katze, nur mit K.

Lux hatte das Gefühl, dass das der einzige Name war, den sie sich nicht in den Stunden davor für sie ausgedacht hatte, aber natürlich, Kat wie die Katze.

Ihr Koffer liegt offen da, wie ein aufgesperrtes Maul oder eine Falle. Lux hat hineingesehen, als Kat aus dem Raum ging, um Wasser zu holen. Eine Collegejacke liegt darin, blau und knallgelb, aber man kann nicht erkennen von welcher Universität, Shirts mit aufgedruckten Sprüchen, dazwischen Glitzer und Spitze.

»Hier.« Kat drückt ihr eine Tasse in die Hand, und Lux wundert sich einen Moment lang, wo sie sie her hat. Sie trägt immer noch dasselbe wie im Bus, das war ja auch erst heute Morgen, sie kann sich Kat auch gar nicht in anderen Klamotten vorstellen, so zugehörig sieht dieses Outfit an ihr aus.

Kat geht zum Koffer, schlägt ihn zu und lässt sich auf die Matratze fallen. Sie setzt sich Lux direkt gegenüber. Ein Bein angewinkelt und mit dem Schuh auf der Matratze, das andere ausgestreckt, den Rücken lässt sie auch gegen die Wand sinken. Sie sitzt ein paar Meter weit weg, aber es macht Lux nervös, diese direkte Konfrontation, dabei sagt sie nicht einmal was. Ihr eigener Blick rutscht an der Leere der Wände ab, es gibt nichts, woran er sich festhalten könnte, nur ein bisschen Dreck am Boden und der nicht mehr vorhandene Fernseher über Kats Kopf, sie kann nicht ständig Kats Haare ansehen.

Du sitzt mit ihr in diesem leeren weißen Würfel.

Kats Telefon gibt einen Ton von sich. Sie murmelt »sorry«, was Lux überrascht, und greift danach, ihr Daumen fliegt über die Tastatur.

Lux trinkt von dem kalten Wasser, der Henkel der Tasse ist abgebrochen, und sie sucht ein Stück am Rand, an dem die Keramik nicht abgesplittert ist. Sie sieht wieder alles, hört alles, sogar Kats Schlucken beim Trinken, sieht die Staubflocken in dem bisschen Licht, das durch das Fenster schießt, mit Spanplatten ist es zugenagelt und »6.000 $ for sale« steht von außen drauf, anscheinend braucht sie Geld. Die Bedrohung von den Straßen hat sich hier aufgelöst, Lux ist ihr entkommen, hierher, fühlt sich wieder in Sicherheit, aber das liegt sicher nicht an diesem trostlosen Zimmer.

Kat hatte nicht weiter nachgefragt, was mit ihr los war. Als Lux sich draußen vor sie gekauert hat, hat sie ihr einfach eine Zigarette in die Hand gedrückt, sie war schon angezündet, und Lux zog daran, als hinge ihr Leben davon ab. So schnell hat sich die Glocke noch nie verzogen, als läge es an dieser magischen, amerikanischen Zigarette. Lux wagt gar nicht erst, darüber nachzudenken, wie unwahrscheinlich es eigentlich war, dass sie Kat wiedergetroffen hat, weil sie sich dann auch fragen müsste, wie dieser Anfall sonst ausgegangen wäre.

»Du … willst das Haus verkaufen?«, fragt sie, um die Stille zu brechen.

Kat schüttelt den Kopf. »Is doch nicht meins. Hab nur nen Schlafplatz gebraucht«, sagt sie, tippt zu Ende und schmeißt das Telefon neben sich auf die Matratze. Dann kramt sie zwei Zigaretten aus ihrer Schachtel, eine wirft sie quer durch den Raum. Sie landet vor Lux’ Füßen.

»Dann kennst du die Leute, die das Haus verkaufen?«

»Nee. Auch nicht.«

Lux dreht die Zigarette langsam zwischen den Fingern. Ihr Blick verirrt sich zur Tür, zum Rahmen, zum Schloss, sucht nach Aufgesplittertem. Ob sie mit ihrem Stiefel die billige Tür wie im Saloon, denkt sie, aber sieht schnell wieder weg, als sie merkt, dass Kat sie beobachtet. Und dass sie dabei lächelt, als könnte sie dieses bescheuerte Bild in Lux’ Kopf auch sehen.

»War offen«, sagt Kat, und Lux glaubt es.

Sie schweigen ein paar Minuten, und der Zigarettenrauch kräuselt sich gegen die Decke. Ihre Blicke treffen sich.

»Wohin bist du unterwegs?«, fragt Lux.

»Westküste, du?«

»Ja, auch.«

»Dann lass uns zusammen weiter.«

Lux fährt ein Schwall Rauch in die Lunge, sie hustet.

»Du fährst doch auch bald weiter?«, schiebt Kat hinterher und: »Hast du einen Führerschein?«

»Ja«, sagt Lux, »ja«, und nickt und hustet. Sie hustet das Brennen aus der Lunge.

»Hast du auch Geld?«, fragt Kat weiter, und Lux will automatisch wieder nicken, doch dann kommt die Frage in ihrem Kopf an, und sie stockt, sofort fängt Kat an zu lachen und winkt ab: »War nur ein Witz, nur ein kleiner Witz.« Und Lux nickt, trinkt in großen Schlucken, um das Kratzen im Hals wegzuschlucken, um ihr aufgeheiztes Gesicht hinter der Tasse zu verstecken.

Lux

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